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Zwischen Weihnachten, Punk und antifaschistischen Tauben – The toten Crackhuren im Kofferraum im Interview

Written by on 20. Dezember 2024

Die Crackhuren senden liebe Grüße an alle TaubenfreundInnen, reden mit uns über DIY Touroutfits, die Punkszene und geben uns einen Einblick in ihr Tourleben.

Mit feministischen, gesellschaftskritischen Songs (und ein bisschen Humor und Ironie) rocken die drei Berlinerinnen die Bühne. Dazu tragen sie selbstgemachte Outfits, was ihre Selbstzeichnung als “Kleberinnen” wohl bestätigt und interagieren viel mit dem Publikum. Anlässlich ihrer aktuellen Tour “Geile Leude, Weihnachtsfreude” haben Musikredakteurinnen Alessa Voelskow und Dana Rieger mit ihnen bei ihrem Tourstopp in Münster gesprochen.

Q:Ihr habt in der Promo für die Tour ja gesagt, dass ihr die Tour im Dezember macht, weil ihr alle so Bock auf Weihnachten habt und deshalb ist es eure Weihnachtstour. Seid ihr generell einfach Weihnachtsfans? 

Lulu Fuckface: Also wir sind zwangsläufige Weihnachts-Fans, weil wir wahnsinnig gern Schrott kaufen und auch über die Jahre sehr viel Weihnachts-Schrott gesammelt haben und dachten, aus Nachhaltigkeitsgründen und um das wieder auszugleichen, machen wir jetzt halt einfach jedes Jahr eine Weihnachts-Party. Das haben wir jetzt auch mehrere Jahre durchgezogen und das macht uns so Spaß, dass wir da jetzt halt eine ganze Deutschland-Tour draus gemacht haben. 

Doreen K. Bieberface: Ja, ich finde es eigentlich ganz schön, diese Vorweihnachts Zeit, einfach mit meiner Gang zu verbringen. Das ist voll schön, unser Weihnachtsbus, der durch Deutschland tingelt und wir sind einfach gemeinsam ein bisschen besinnlich und wenn wir dann nach Hause kommen, ist dann Weihnachten.

Ilay: Ich mag an Weihnachten ja, dass Urlaub ist, die Urlaubszeit.

Q: Sehr verständlich, auch. Einfach Freizeit haben. Ihr habt ja jetzt auch schon ein paar Konzerte gespielt. Habt ihr für eure Konzerte eine bestimmte Etikette? Wenn ihr zum Beispiel Moshpits anleitet oder so, habt ihr irgendwelche Regeln, damit es alles gesitteter abläuft? Oder habt ihr das Gefühl, das funktioniert ganz von allein?

Lulu: Mal so, mal so. Also wir haben Regeln, die werden auch direkt vor dem Konzert eingesprochen, sozusagen. Da gibt es ein kleines Intro, wo dann darauf hingewiesen wird, dass sich bitte alle benehmen sollen, auf sich achten sollen, auf andere achten sollten, T-Shirts anlassen sollen auf jeden Fall und dass für Macker Scheiß kein Platz ist. Manchmal müssen wir auch noch ein bisschen moderieren. Aber gestern in Köln, unsere größte Show und ausverkauft, die waren so lieb. Wirklich, da hat alles funktioniert.

Doreen: Alle haben aufeinander geachtet, alle konnten was sehen, alles war total lieb. Ganz süße Mäuse.

Ilay: Voll.

Q: Das verspricht Gutes für Münster. Wir müssen uns von der besten Seite zeigen, heute Abend. Wie lief es bisher auf Tour? Habt ihr irgendwelche besonderen Anekdoten oder habt ihr irgendwas ganz besonders Tolles erlebt?

Doreen: Mein Handy war kaputt.

Q: Fängt gut an.

Doreen: Wir haben einfach Spaß und sind unterwegs und essen viel und chillen auch viel.

Lulu: Hier wird sehr viel gesnackt, auf jeden Fall.

Doreen: Es wird sehr viel gesnackt. Heute gab es irgendwie den besten Hummus, den ich je gegessen habe in meinem Leben. Ja, was haben wir? Gab es irgendwas krasses?

Lulu: Es gibt halt sehr, sehr viele Insider, die sich so rein dingsen, aber das ist halt einfach so maximal unlustig, wenn man es halt erzählt. Das ist halt eigentlich nur für uns witzig. Wir haben uns gestern ein Tour-Tattoo machen lassen, tatsächlich. Richtig geil, eine Ingwerknolle auf Rädern.

Ich glaube, das Geilste war für uns auf jeden Fall das Upgrade vom Tourbus. Also der war nicht so groß geplant und ich habe den gesehen und habe angefangen zu heulen, weil ich das gar nicht fassen konnte, weil ich mir auf einmal so erwachsen und reich vorkomme, was ja überhaupt nie so ist. Und das war für mich das Allerschönste. Und übermorgen ist der Bus ja dann weg, dass wird für uns alle traurig. 

Ilay: Wir werden sehr viel weinen.

Lulu: Das ist wirklich der schönste Bus, den ich jemals treffen durfte. Einfach so ein Rockstar-Feeling, wo man sich ein bisschen wie ein Rockstar vorkommt. Ja, nur da drin ist es halt nicht so richtig Rockstar-mäßig. Wie man sich das so vorstellt, mit, keine Ahnung, meterlangen Lines Koks und sehr viel Suff, bei uns ist einfach sehr viel Wasser im Kühlschrank und Cola.

Doreen: Und Alkoholfreier Sekt.

Lulu: Alkoholfreier Sekt, alkoholfreies Bier und halt einfach Snacks. Snacks, Snacks, Snacks, Snacks.

Ilay: Und bunte Kostüme, die überall zum Trocknen hängen. …

Q: Das klingt nach einer gelungenen Tour bisher. In der Setlist ist ja für die Tour, eine neue Single mit dabei, Vampir heißt die. Habt ihr da absichtlich den Ton ein bisschen ins Düstere gewechselt oder war das einfach so eine Eingebung von euch? Weil das Musikvideo unterscheidet sich schon von denen davor.

Lulu: Also wir haben bei dem Musikvideo auf jeden Fall jemand gesucht, der das gut umsetzen kann und wo das vom Style passt. Das hat Schramm gemacht. Also Schramm macht auch Mucke, kann man sich auch gerne anhören, ist sau nice. Und der kann so was total schön machen. Der macht auch Videos für Lyschko und Mia Morgan und das war schon die Ästhetik, auf die wir Bock hatten. Er war auch beim Song die Inspiration. Er liegt, ehrlich gesagt, schon eine Weile rum, der Song. Und da habe ich sehr viel an Mia Morgan gedacht, als ich den geschrieben habe. Das ist auf jeden Fall so. Aber der Sound wird sich jetzt nicht so weitertragen. Das ist ja auch das Geile bei den Crackhuren, weil wir ja keinen Sound in dem Sinne haben, sondern wir machen halt das, auf was wir gerade Bock haben. Und in dem Moment war es halt gerade dat.

Q: Habt ihr denn das Gefühl, dass das Punk Genre euren Sound zumindest geprägt hat? In der Doku „Millenial Punk“ zum Beispiel werdet ihr ja unter Punk gefasst

Lulu: Na ja, Ich habe schon immer viel Punk gehört, aber ich sah nie aus wie ein Punk. Das Punkigste an mir war früher, dass ich ein T-Shirt an hatte, wo Punk drauf stand. Und dazu aber dann auch Technohosen, das hat auch nicht zusammengepasst und so. Und Ich weiß nicht. Wir haben dann bei einem Punk-Label, die haben uns halt entdeckt und dann haben wir einfach überall behauptet, dass es Punk ist und dann haben die Leute das einfach so übernommen. 

Lulu: Was auch immer halt Punk ist. Ich glaube, Andy würde von sich auch behaupten, dass er Punk ist. Aber der ist halt eher so USA Skate Punk. So, damit kann ich halt gar nichts anfangen. Ich bin dann eher so 70er-Deutsch-Punk, irgendwie so Hans-A-Plast und so und du (Doreen) bist halt Do it yourself, Techno-Elektropunk. Und was machst du eigentlich, Ilay?

Ilay: Ich bin halt überall dabei irgendwie. Also ich bin eigentlich eher so im Rock-Metal-Bereich, aber das überschneidet sich ja dann auch wieder zwangsläufig mit dem Punk und auch mit dem Punk-Dasein, Punk-Attitude, alles Mögliche. In der Jugend natürlich da irgendwie reingerutscht mit „Oh, ich probiere das jetzt mal aus mit zerrissenen Klamotten und bunten Haaren. Mal gucken, wie die Leute reagieren.“ Einfach so ein bisschen rebellisch drauf sein. Ja, wie auch immer man Punk auslegt.

Ja, bei uns war es, glaube ich, auch eher diese „Do it yourself“ Geschichte. Man muss halt nicht unbedingt was können, man kann es aber trotzdem machen.

Lulu: Und auch die Konzerte, die wir gespielt haben. Ich meine, uns hätte ja früher niemand einfach so irgendwo hin gebucht und wir haben dann halt in Hausprojekten und in, keine Ahnung, halt eben alternativen Venues in Berlin, die es damals noch gab, RIP, gespielt. Und ohne die wäre das auf jeden Fall nicht so möglich gewesen, glaube ich, weil wir uns da sehr viel ausprobieren konnten und einfach was machen konnten, was wahrscheinlich jetzt, also ganz ehrlich, ich weiß jetzt nicht, ob das Skaters Palace uns jetzt sofort hätte damit auftreten lassen in unseren Mülltütenkostüm und so was. Also das war auf jeden Fall eine gute Schule und ein richtig guter Abenteuerspielplatz, sich auszuprobieren. Und ich muss sagen, ich bin sehr traurig für nachfolgende Generationen, dass die diesen Spielplatz nicht haben. Also das war schon ziemlich geil, was wenn man da eigentlich alles machen konnte.

Q: Ja, ich würde auch sagen, ist mega Auslegungssache, was Punk ist. Wenn man das alles dazu zählt, dann ist es (eure Musik) definitiv Punk. Die nächste Frage bezieht sich auf einen Song von euch (Bau mir nen Schrank), und zwar eine bisschen auflockernde Frage. Was war das schwierigste Möbelstück, was ihr jeweils aufgebaut habt? Habt ihr jemals zusammen Möbelstücke aufgebaut?

Doreen: Wir haben letztens für den Vampir-Videodreh ein Bett aufgebaut. Das schon.

Ilay: Das Lichterketten Anbringen war sehr kompliziert. Das habe ich bei eBay Kleinanzeigen gefunden und die Frau, die es mir gegeben hat, die war sehr süß.

Doreen: Das haben wir dann wieder aufgebaut und dann auch wieder abgebaut. Ein Möbelstück? Ja, Ich bin gerade umgezogen. Ich habe so viele Möbelstücke gerade aufgebaut.

Lulu: Aber zusammen? Zusammen? Ja, nicht so, oder?

Doreen: Nein, wir basteln halt eher mit Heißklebepistolen. Wir kleben.

Lulu: Wir sind Kleberinnen.

Doreen: Wir bauen nicht. Keine Hammer. Nein.

Lulu: Also wir nähen auch nicht. Also Ilay, komischerweise, hat irgendwie Bock zu nähen.

Ilay: Na ja, Bock nicht, aber ich habe Bock, meine Nähmaschine zu benutzen.  Also warum sollte ich es mit der Hand nähen, wenn ich eine Nähmaschine habe? Deswegen.

Lulu: Und ich würde es halt kleben, so. Weil mir es einfach nicht schnell genug geht.

Ilay: Ja, aber würdest du mit der Hand nähen? Und ich weine, wenn ich basteln muss.

Doreen: Das ist wirklich nicht geil. Das macht mich aggressiv.

Ilay: Man kann es nicht waschen, wenn man klebt. Also zumindest ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Pailletten wieder abfallen beim Waschen. Und dann verstopfen sie die Waschmaschine und dann ist mein Boyfriend wieder maximal pissed, weil er ist wieder die Pailletten aus der Maschine holen muss.

Doreen: Wir waschen unsere Kostüme nicht.

Q: Es ist mehr Punk, einfach.

Lulu: Wollte ich nämlich auch schon sagen. Also unser Geruch ist auf jeden Fall Punk, würde ich schon sagen.

Q: Ja, es zählt ein bisschen dazu. Do it yourself Outfits und alles.

Doreen: Wenn ihr uns riechen könntet, Leute, heute Abend könnt ihr das.

Ilay: Sagt sie frisch geduscht.

Q: Vorfreude auf heute Abend dann. In mehreren Interviews habt ihr unter anderem gesagt, dass ihr für Alben immer ein bisschen länger braucht. Habt ihr denn das Gefühl, dass ihr immer so einen bestimmten Anlass braucht, ein neues Album zu produzieren? Oder ist es einfach so ein Prozess, der sich mit der Zeit ergibt?

Lulu: Eher Zeit brauchen wir. Und jetzt waren wir die ganze Zeit nur unterwegs und es ist jetzt schon fast vier Jahre her, dass wir dieses Album fertig gemacht haben. Es ging so schnell. Wir waren wirklich immer unterwegs. Und ich hab dann auch so einen Rappel: „Was ist denn, wenn es irgendwie nicht mehr geht?” Weißt du? Deswegen spielen wir dann auch wirklich jeden Scheiß, aber ich brauch eigentlich Platz Mucke zu machen. Also irgendwie, ich bin da schlecht, mich zu motivieren zwischen den Konzerten, weil wir haben ja auch alle noch Jobs und so, da noch mehr zu machen. Also das fickt maximal meinen Kopf und das geht nicht.

Nächstes Jahr machen wir ein bisschen Piano. Haben wir eigentlich gesagt, aber das ist jetzt auch schon wieder anders. Jetzt haben wir schon wieder ein paar Sachen angenommen. Ja, muss jetzt mal reguliert werden. Aber es ist halt nun mal auch so mit Kunst machen, in Anführungsstrichen, dass muss sich ja irgendwie auch finanzieren und deswegen hechte ich da auch ganz schön der Kohle hinterher, weil ich so Angst habe, dass es sich vielleicht irgendwann nicht mehr finanziert.

Und das ist schon echt Kacke, weil Musik machen ist richtig teuer. Musik kaufen nicht so, für euch ist es nicht so teuer, aber machen ist echt Arschteuer.

Q: Ja, das stimmt. Habt ihr denn bisher trotzdem schon neue Musik in Planung? Ihr habt ja, zum Beispiel, auch einen unveröffentlichten Song schon gespielt, oder war das eher ein älterer, der es bisher noch nicht rausgeschafft hat?

Lulu: Nein, der wird ganz, ganz bald kommen, irgendwann im nächsten Jahr. Also wahrscheinlich relativ am Anfang vom nächsten Jahr. Also es geht um Tauben. Tauben sind mein absolutes Lieblingsthema und meine Lieblingstiere. Und ich helfe in Berlin im Taubenhaus am Südkreuz aus und da würde ich gerne ein bisschen Geld für sammeln und das wollen wir unterstützen mit diesem Song. Aber auch generell alle anderen Taubenhäuser dieser Welt möchten wir damit supporten, einfach, dass die ein bisschen mehr ein Thema werden, auf jeden Fall, dass die Leute das sehen, dass es das gibt und dass das cool ist, dass es eine wichtige Arbeit ist und so. Und hier gibt es auch einen Taubenverein in Münster, den man auch gut unterstützen kann. Und ja, das sind auch ganz cute Leute.

Doreen: Grüße an alle TaubenfreundInnen da draußen. Yes. Und wir haben auch ein neues Video gedreht schon. Und das hat einen ganz anderen Style als Vampir. Das wird lustig.

Q: Wenn dass hier fürs Radio aufgearbeitet wird, finden sich vielleicht Leute. Ganz viele TaubenfreundInnen, vielleicht unter den Studis.

Lulu: Ja, das wäre geil, weil ich unterstelle dass Studis ja eigentlich immer, dass sie immer links sind. Studenten haben links zu sein. Und da wir jetzt ja nachweislich einen Rechtsdruck haben und alles ein bisschen mehr nach rechts rückt, no scheiß. Tauben sind Antifaschistinnen und deswegen solltet ihr die artgerecht füttern, damit die Nazis zuscheißen können. Das ist ein wichtiger Fakt und das ist auch in Münster so.

Q: Das ist ein sehr gutes Schlusswort tatsächlich. Dann vielen Dank fürs Interview euch!

Fotocredits: Alessa Voelskow und Dana Rieger