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Ziemlich düster und ein bisschen bescheuert – Schramm im Interview

Written by on 4. Oktober 2024

Während des Reeperbahn Festivals haben wir uns in einen Konferenzraum in einem nahe gelegenen Hotel verirrt und dort mit Arne Schramm gesprochen. Arne macht unter dem Namen Schramm Musik, die irgendwo zwischen post-punk, dark-wave und “komplett bescheuert” lebt. Nach seinem Konzert in Hamburg hat er sich für uns etwas Zeit genommen und über seine Musik, Zukunftsplänen und weirde Musikmomente gesprochen.

Sam: Meine erste Frage für dich ist erst mal: Wie geht es dir heute?

Schramm: Ich würde sagen, ganz gut. Ich bin jetzt ein bisschen heiser, muss ich sagen, weil ich nicht so gut singen kann, aber mir geht es gut.

Sam: Wir haben dich eben auch schon singen gehören und das klang aber echt gut. Hast du schon irgendwas vom Festival mitbekommen oder war das jetzt das Intro?

Schramm: Also ich bin gestern gekommen, weil wir noch proben mussten und war dann gestern Abend noch mal kurz draußen, aber habe auch eigentlich nur ein Bier getrunken und mit Leuten in einer sehr lauten Umgebung auf dem Spielbudenplatz gesessen und gelabert, was man hier die meiste Zeit macht auf dem Reeperbahn Festival. Also noch keine Konzerte gesehen, aber ich freue mich sehr auf heute.

Sam: Hast du irgendwen, wo du unbedingt hingehen willst?

Schramm: Lemon Twigs spielen heute, PAULINKO spielt heute, das würde ich mir gerne reinziehen, Leocardo DiNaprio spielt heute. Boah, ich habe sie nicht alle auf dem Schirm. Serpentin spielt heute. Da spielen super viele, auch alle gleichzeitig immer. Deswegen, ja es gibt viele.

Ildiko: Wie fühlst du dich denn generell nach live Auftritten?

Schramm: Also ich fühle mich nach Liveauftritten meistens ziemlich gut, wenn sie gut waren oder okay waren. Es gibt noch einiges, was auf mich zukommt an Konzerten die nächsten paar Wochen auf jeden Fall. Da habe ich auch voll Bock drauf. Ist voll spannend, weil im Sommer nicht so viel los war und jetzt ballt sich das so. Und gleichzeitig die ganzen Videojobs, die ich noch nebenher mache, die ballen sich auch auf den gleichen Zeitraum. Es ist alles gerade voll viel und ich habe ein bisschen Angst, dass ich einen Durchhänger habe irgendwann, weil dann beißt mir das voll in den Arsch. Aber jetzt gerade habe ich das Gefühl, ich habe einfach nur Bock, die Sachen durchzuziehen und Konzerte zu spielen. Ich habe halt Sau Bock, Konzerte zu spielen. Es macht so Spaß. Es ist so geil, vor allem mit der Band. Es ist so geil.

Ildiko: Ja. Geil. Wie lange machst du schon Mucke und wie lange schon mit deiner Band?

Schramm: Also ich mache Musik theoretisch, seit ich fünf bin, da habe ich angefangen, Gitarre zu spielen. Bis ich 14 war, da habe ich dann ein bisschen aufgehört und mich mit anderen Sachen beschäftigt. Und dann habe ich wieder angefangen, Musik wirklich zu machen und auch aufzunehmen. So 2021, würde ich sagen. Genau, aber ich habe tatsächlich dieses Jahr, also 2024, zum ersten Mal live mit kompletter Band gespielt. Also ich habe schon vorher mit kleineren Bandbesetzungen gespielt, immer zu zweit oder zu dritt, aber jetzt dieses Jahr zum ersten Mal mit Schlagzeug auf meinen beiden Release Konzerten von meiner letzten EP How to Fail at Love. Und das war so grandios, dass ich gerade nur noch mit Schlagzeug spielen möchte, nur noch mit Band spielen möchte, weil es übertrieben Bock macht. Das ist halt noch mal ein ganz anderes Level als ohne.

Ildiko: So soll es ja sein, oder? Richtig Hammer. Wie bist du zu Musik machen gekommen? Also war irgendwie was in dir, was dich inspiriert hat?

Schramm: Ja, lass mich mal überlegen. Ich glaube, die erste Sache, an die ich mich erinnern kann, die mich wirklich inspiriert hat, war tatsächlich, da war ich, glaube ich, fünf oder so. Da war ich in Wuppertal, meiner Heimatstadt, auf der Waldbühne, auf dem Konzert von Manfred Mann’s Earth Band. Die haben diesen Hit „Blinded by the Light“, falls ihr den kennt. Der ist so geil. Na ja, egal.

Auf jeden Fall, ich habe das Konzert da gesehen und den Gitarristen mit der E-Gitarre gesehen. Der hat so eine hellblaue Stratocaster gespielt und ich war so: „Alter, ich möchte der Typ sein. Das sieht so cool aus.“ Das war so mein erster Gedanke. Ja, und dann natürlich einfach viel Mucke gehört, als ich klein war. Ganz viel Nirvana und Ärzte und Foo Fighters und was dann so alles nicht kam an Rockmusik. Das hat mich, glaube ich, am ehesten bewegt, dass ich sagen wollte: „Das will ich machen”. Aber dann war natürlich, sobald ich eine Gitarre in der Hand hatte und dann gemerkt habe, ey, das macht auch einfach übertrieben Spaß, war das der eigentliche Antrieb. Also nicht nur Rockstar sein, beziehungsweise eigentlich gar nicht mehr irgendwann.

Sam: Für Leute, die vielleicht noch nichts von deiner Musik gehört haben, wie würdest du sie beschreiben?

Schramm: Boah, es ist ganz unterschiedlich. Ich würde sagen, es ist im weitesten Sinne so was wie Indie Rock. Viele Post-Punk-Elemente, viele dark-wave-Elemente, viele auch mit Drum-Maschinen. Es treibt irgendwie alles nach vorne, ist teilweise ziemlich düster, teilweise aber auch komplett bescheuert auch und auch eher lustig. Dann ein paar hausige Elemente sind da. Ich will mich nicht in Schubladen stecken. Ich bin so anders als alle anderen Musiker*innen, wie das alle Musiker*innen sagen würden (lacht). Aber ja, es ist Indie Rock, Post-Punk, wahrscheinlich am meisten.

Sam: Ich finde es auch ein bisschen schwierig, deine Musik in eine Schublade zu stopfen, da ist wirklich viel durchmixt, aber das finde ich sehr spannend. Wir haben auch gehört, dass du vieles von deinen Sachen selbst produzierst. Und hast du dir das alles selbst beigebracht?

Schramm: Ja, ich habe mir das auf eine Art selbst beigebracht. Also ganz selbst natürlich nicht. Am Ende gibt es immer Tutorials. Am Ende habe ich trotzdem immer Friends gefragt. Ich habe auch das Glück, dass ich halt einfach viele Leute in meinem Umfeld hatte, die ich random fragen konnte: „Ey, was genau macht eigentlich noch mal ein Kompressor und wie genau kann ich das EQen, damit man das besser raushört im Mix?” Deswegen habe ich auf jeden Fall Hilfe gehabt, aber ich habe jetzt keinen klassischen Weg, aber hat auch niemand. Oder doch, es gibt Leute, die haben das, aber wie die meisten Leute habe ich es irgendwie so ein bisschen mir selbst beigebracht.

Sam: Hast du irgendwelche Tipps für Leute, die auch gerade dabei sind, das zu lernen oder lernen wollen?

Schramm: Ich glaube, Hauptsache, man macht viel und versucht halt neue Sachen und bleibt nicht so gefangen in seinen Mustern, die man die ganze Zeit macht. Also wenn man immer das Gleiche macht und man merkt, es funktioniert, ist cool, wenn es funktioniert, aber dann wächst man nicht daran, sondern man muss immer gucken, dass man immer mal was Neues probiert. Und dann Tutorials reinziehen und Friends fragen und Leute kennenlernen, die das Gleiche machen.

Sam: Dann noch ein anderes Thema. Ich finde, man sieht bei dir voll, dass da so ein Hintergedanke hinter allem steht oder dass alles vom Vibe her zusammenpasst. Und hast du da eine spezifische Inspiration für oder was möchtest du damit in den Leuten erreichen?

Schramm: Boah, ist eine gute Frage. Also ich glaube, so übergreifend ist es schwer zu sagen. Ich glaube, bei einzelnen Songs oder bei den einzelnen EPs gab es schon so Sachen, die mir wichtig sind. Ich glaube, was mir wichtig ist, auch auf der Bühne zu vermitteln, dass es geil ist, verlässlich zu sein. Und dass es cool ist, sich so zu zeigen, wie man ist, vor allem mit den Schwächen, die man hat, weil es alles in Augenhöhe rückt für alle Menschen, die beteiligt sind. Ob man das jetzt in der Musik hört, weiß ich nicht. Aber ich meine, am Ende, wenn ich ehrlich bin, was ich in der Musik mache, ist die meiste Zeit so ein bisschen Tagebuch schreiben und schreiben, wie ich mich fühle und was ich denke und was ich auch loswerden möchte. Und was geil klingt. Und das irgendwie zu mischen.

Ildiko: Wir haben uns auch viele Musikvideos von dir reingezogen und finden die sehr, sehr nice. Und du hattest es gerade schon angeschnitten mit der Videografie. Ist es für dich noch mal eine extra Ebene, wo du dich noch mal extra ausdrücken kannst?

Schramm: Voll. Das war für mich tatsächlich ein großer Faktor, warum ich auch Bock hatte, gerade bei der ersten EP, ein Musikprojekt zu starten, weil ich dann wusste, da kann ich komplett nur das visuell machen, was ich machen möchte. Und ich bin nicht abhängig davon, was eine Künstlerin oder ein Label oder whoever da für in den Senf reingibt. Sondern ich kann einfach genauso Videos machen, genauso das Artwork machen, genauso die Bilder machen, wie ich mir die vorstelle. Und das war auf jeden Fall ein großer Anreiz, auch das Gesamtding, zu einer EP zu machen. Irgendwann habe ich ja gemerkt, dass mir Musik machen echt so viel Bock macht, dass das so ein bisschen in den Hintergrund gerückt ist. Ich glaube, mir ist schon auch immer wichtig, wie alles aussieht und mir macht es auch Spaß, die Sachen zu machen. Aber gerade geht es mir, oder auch bei der letzten EP jetzt, bei der zweiten EP, ging es mir auch noch mal viel mehr darum. Also es ging mir stärker darum, die Musik zu machen, obviously. Ging es bei der ersten EP auch, aber es ist schon schön, zwei verschiedene Arten von Output zu haben, also sowohl das Visuelle als auch das Auditive, sagt man das so?

Ildiko: Ja ich glaub schon. Klingt auf jeden fall gut. Du magst ja auch manchmal etwas weirde Momente in deiner Musik, wenn es vielleicht hier und da mal eine kleine Überraschung gibt. Warum ist das so?

Schramm: Das ist so, weil ich mich immer freue, wenn ich das in Musik höre. Also ,wenn ich ganz stumpf meinen Spotify-Mix der Woche höre und dann finde ich den Song ganz cool, und dann ist in dem Song ein Moment, wo ich denke: „What the fuck, Alter? Das hat der gerade gemacht? Das hat die gerade gemacht? Was ist das denn?” Dann ist das der Moment, wo ich denke: „Geil, diesen Song merke ich mir und dieser Song macht mir besonders Spaß, weil ich mich den ganzen Song über auf den Moment freue, wenn es komisch wird.

Ildiko: Ich frage mich auch, ob man das, während man Musik macht, planen kann, diese weird Momente, oder kommen die dann im Prozess aus dir raus?

Schramm: Ich plane nicht wirklich was weirdes zu machen. Es kommt vielleicht am ehesten einfach raus. Oder es ist halt auch manchmal einfach ein Zufall. Manchmal bewege ich dann irgendeinen Slider von irgendeiner Kick in Richtung drive und dann merke ich aber es ist eine übertriebene Gabba-Kick und dann why the hell not, machen wir jetzt hier nicht einen Gabba-Part rein. Wäre doch irgendwie funny, wenn man das machen würde. Es ist dann eher Zufall oder einfach herum experimentieren, weil es mir auch einfach Spaß macht, dann so zu experimentieren. Genau, so lerne ich das ja auch überhaupt. Ich lerne dieses ganze Produzieren eigentlich auch nur, weil ich die ganze Zeit Sachen probiere, die ich interessant finde oder die ich noch nicht gemacht habe vorher.

Ildiko: Ich finde, das ist auch eine Stärke, sich dann selber keine Grenzen zu setzen, sondern einfach mit dem Flow zu gehen. Finde ich sehr cool.

Sam: Was ich auch noch fragen wollte: Ist das generell bei dir beim Songwriting-Prozess so, dass es viel ausprobieren ist oder schwappen manchmal auch die Songs komplett aus dir raus?

Schramm: Das ist sehr unterschiedlich. Es gibt Songs, die ich in einem Rausch, wenn man das so nennen kann, auf einmal runterschreibe oder aufnehme und das ist einfach dann fertig quasi. Dann wird noch ein bisschen gemixt. Aber es gibt auch Songs, da sitze ich dann Wochen und Monate dran und ändere wieder was und dann strukturier ich das noch um. Das sind meistens tatsächlich, auch wenn ich die Songs liebe, weil ich so viel Arbeit reingesteckt habe, sind meistens aber nicht die besseren Songs. Die besseren Songs, das hört man auch von allen Leuten, die darüber sprechen. Die besseren Songs sind eigentlich die, die aus einem Gefühl in einem Moment entstanden sind, die einfach sind, die einfach nur das Gefühl vermitteln, was du in dem Moment hattest und was dann einfach rauskommt.

Sam: Du schreibst ja auch auf Englisch und auf Deutsch. Ist das ein Unterschied für dich, wie da die Gefühle rüberkommen und rauskommen?

Schramm: Ja, auf Deutsch fühlt sich für mich alles immer deutlich konkreter an. Auch weil es meine Muttersprache ist, aber auch, weil die Sprache so präzise ist. Ich finde es auf jeden Fall, wie die meisten Leute, auch schwieriger, auf Deutsch zu schreiben, zumindest auf Deutsch so zu schreiben, dass es mir auch gefällt. Ich mag beides sehr gerne und es gibt immer den richtigen Moment für Deutsch und den richtigen Moment für Englisch, finde ich.

Ildiko: Spielst du eigentlich auch Klavier oder eher Gitarre?

Schramm: Ich spiele hauptsächlich Gitarre. Ich hatte mal zwei Klavierstunden und ich hatte hier und da mal Gelegenheit, auf dem Klavier herum zu klimpern und ich habe mir hab mir mal einen Song selber beigebracht und so. Nicht selber, aber einfach so gesehen, welche Tasten ich drücken muss, auch wenn ich gar nicht wusste, welche Töne das sind. Da gibt es ja diese Tutorials auf YouTube, wo einfach nur die Tasten angezeigt werden, wie so Tabs für Gitarre. Deswegen kann ich so ein bisschen klimpern, aber ich wüsste jetzt nicht, wie ich ein A-Dur greife auf einem Klavier. Aber mir machen alle Instrumente voll viel Spaß und die, die ich bei mir hatte, waren Gitarren. Deswegen habe ich mehr Gitarre gespielt.

Ildiko: Es kommt auch eine Tour auf dich zu. Es geht rasant weiter, vor allem im November hast du sehr, viele Shows. Wir haben uns gefragt, warum heißt die denn die Niedergang Tour?

Schramm: Das ist, weil ich mit meinen lieben Freunden von Lyschko unterwegs bin und deren neue Platte heißt „Niedergang” und deswegen heißt die Tour Niedergang.

Sam: Nice, dann können sich die Leute ja schon freuen. Vielleicht noch zum Ende: Irgendwas anderes, was in der Zukunft ansteht, worauf du dich voll freust oder was viel in deinem Kopf herumgegeistert.

Schramm: Ich freue mich enorm auf diese ganzen Konzerte, die wir jetzt spielen werden natürlich. Ansonsten, ich freue mich auch darauf, wenn ich jetzt einfach genug gearbeitet habe, dass ich wieder leben kann. Danach einfach Musik zu schreiben. Da habe ich einfach richtig Bock drauf. Ich weiß auch noch nicht genau, was es wird. Ich glaube nicht, dass es ein Album wird. Ich glaube, dass ich einfach so EP oder noch mal ein paar Singles und dann mal so langsam rantasten. Aber ich glaube, jetzt so über den Winter werde ich mich ein bisschen einschließen und einfach neue Musik schreiben. Ich habe ganz viele Ideen, sie nur mal so ausformulieren und fertig machen und damit arbeiten. Zu Hause mache ich mal irgendwie eine Skizze und dann schreib ich die nächste und dann die nächste Skizze, aber halt nicht so das ich mich da richtig dran setze. Und da habe ich voll Bock drauf, da freue ich mich drauf. Und dann im nächsten Jahr kommt auf jeden Fall wieder neue Musik, vielleicht auch dieses Jahr noch. Mal gucken. Ich halte es gerade spontan.

Sam: Es wird spannend auf jeden Fall. Wir freuen uns drauf, was auch immer es wird. Danke dir.

Ildiko: Danke! Habe noch eine schöne Zeit auf dem Reeperbahn Festival und bye, bye.

Schramm: Bye, bye. :)

Foto Credit: Sam Höfers, Video Credit: Ildiko Eßl