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“Melancholie und Erwachsenwerden” – Lena und Linus im Interview

Written by on 28. April 2025

Durch Lieder wie “Hamburg” oder “Liebe teilen” erobern sich Lena und Linus seit 2021 nach und nach einen festen Platz im deutschen Indie-Pop. Ihre Konzerte zeichnen sich durch Intimität und ganz viel Gefühl aus. Diese Intimität spiegelt sich auch in ihrem neuen Album “Wir verglühen” wider, das Themen wie Melancholie, Erwachsenwerden und Kindheitserinnerungen behandelt. Anlässlich ihres Tourstopps in Münster haben Radio Q Redakteur*innen Justus Bergerhoff und Franziska Perk die beiden kurz vor ihrem Konzert getroffen.

Justus: Ja. Schön, dass ihr die Zeit habt. Weil ihr seid ja gerade vorgestern in Leipzig gewesen, wenn ich es richtig gelesen habe. Morgen schon in Hamburg. Jetzt, heute in Münster. Erstmal: Wie stressig ist das? Ich habe gerade den Plan hinter mir gesehen und dachte mir: Alter, ist das voll. Wie ist das so auf auf Tour zu sein? Gerade so eine große Deutschland-Österreich-Schweiz-Tour.

Linus: Also es ist nicht so überwältigend, wie es jetzt für dich wirkt, wahrscheinlich. Weil das ist einfach unsere Routine geworden in den letzten zwei Wochen und man stellt sich drauf ein und man sieht jeden Tag eine neue Stadt. Also es ist eigentlich auch ganz schön und gestern waren wir schon in Münster und konnten uns entspannen. Offday nennt man das und deswegen, ich finde es gut. Ja.

Justus: Ich war auch schon bei eurer letzten Tour in Hamburg und das war…ich weiß nicht, wie ich mir das vorstellen muss, aber ich stelle es mir noch ein bisschen kleiner und intimer vor, gerade wenn ich auch das Album so ein bisschen vergleiche, weil da hattet ihr so eine sehr intime Stimmung, habe ich das Gefühl, da hattet ihr auch irgendwie dieses Bett mit auf der Bühne. Und du hattest auch im Interview mal gesagt, dass du da teilweise die Kopfhörer raus nimmst, damit du diese ganze Stimmung irgendwie mit reinkriegen kannst. Wie ist das jetzt auf der neuen Tour ist? Kann man sich das wieder so intim vorstellen oder wie unterscheidet sich das zu der alten Tour?

Lena: Ich glaube, so ein Mischmasch. Also es gibt immer diese intimen Momente, wo wir irgendwie Akustiksongs spielen und dann geht es aber auch ein bisschen mehr ab. Aber es ist auch einfach ein bisschen längeres Set als letztes Mal. Aber ich glaube so der vibe ist eigentlich ähnlich. Nur ein bisschen größere Shows halt.

Justus: Okay, dann ist es auch wichtig für euch, dass diese Intimität irgendwie da bleibt, weil also ich habe das Gefühl, das ist ja schon auch irgendwie so ein großes Ding bei euren ganzen Songs.

Lena: Ja, voll.

Franzi: Ja, dann habt ihr jetzt erst kürzlich euer neues Album veröffentlicht. “Wir verglühen”, heißt das. Welche Themen behandelt ihr darauf? Und wie unterscheidet sich das vielleicht auch zu den vorherigen EPs?

Linus: Also großes Thema bei uns ist natürlich immer Melancholie und Erwachsenwerden, Älterwerden.

Und ein großes Thema auf dem neuen Album ist auch so Kernerinnerungen aus unserer Kindheit und so die frühesten Erinnerungen, die wir haben.

Und mit unserem neuen Album haben wir so ein bisschen einen Bogen gespannt von wie es gerade so ist zu leben und wir zu sein, quasi. Und beim letzten Song zu unseren frühesten Kindheitserinnerungen und alles, was so ein bisschen dazwischen ist. Willst du den Unterschied zu den EPs erklären?

Lena: Es sind einfach neue Geschichten. Also es ist jetzt nicht so ein großer thematischer Unterschied. Vielleicht ist es nur mehr dazugekommen, würde ich sagen. Ja, es geht immer noch viel um Liebe und Herzschmerz.

Franzi: Ihr habt ja oft als Motiv jetzt auch so das Universum und Sterne und Mond und so dieses ganze Kosmische. Warum habt ihr euch jetzt gerade für dieses bildliche Mittel entschieden? Hat das einen bestimmten Grund?

Lena: Wir hatten den Song “Wir verglühen” relativ früh geschrieben und da war uns schon klar, dass das Album dann so heißen soll. Und dann kam noch so ein paar mehr Songs mehr zufällig dazu, wie “Es regnet Sterne” und so und dann hat sich das angeboten und wir sind beide sehr interessiert am Weltall und schauen uns gerne so Dokus an und so und wir dachten für so eine Tour ist halt auch irgendwie ein schönes Bild und das kann man irgendwie gut durchziehen und das passt vielleicht zum Sound irgendwie.

Justus: Was mich persönlich immer am meisten interessiert hat, ist, wie bei euch so dieser kreative Prozess abläuft, wie ihr so gemeinsam an Texten Melodien arbeitet, ob das gemeinsam stattfindet, ob ihr bestimmte Rollen habt, wie ihr das so macht und was mich ganz besonders interessiert: Wie seid ihr auf diesen Doppelgesang gekommen, der dann doch sehr häufig bis immer bei euch mit dabei ist? Weil ich das Gefühl habe, das machen wirklich super wenige und das ist auch bei euch auch einfach eines der Alleinstellungsmerkmale. Natürlich nicht das einzige. Wie kam es dazu?

Lena: Das war einfach so, also als wir unsere allerersten Demos zusammen aufgenommen haben, hat sich das irgendwie natürlich so ergeben, dass wir beide beides gesungen haben. Dass wir beide alles gesungen haben und vielleicht später entscheiden wollten, wer dann was singt. Aber dann sind unsere Stimmen gut verschmolzen miteinander und dann haben wir es so gelassen. Und zum kreativen Prozess: wir machen eigentlich beide alles und manchmal bringt jemand irgendwie eine Textzeile mit und dann bauen wir darauf auf, aber vor allem für das Album haben wir eigentlich relativ oft bei Null gestartet. Also wir saßen nebeneinander, hatten ein leeres Blatt und dann haben wir uns die Ideen zugeworfen.

Justus: Du meintest eben auch schon, dass es sozusagen neue Geschichten sind, die ihr erzählt. Sind das dann eure eigenen Geschichten? Sind das so allgemeinere Geschichten? Sind die wirklich persönlich auf euch bezogen oder eher einfach Geschichten, die ja sozusagen in eurem Umfeld passieren?

Linus: Also es sind immer persönliche Geschichten von Lena und von mir und Geschichten aus unserem Umfeld. Also in jedem Song steckt irgendwo ein bisschen wahrer Kern. Es sind nicht häufig irgendwelche Geschichten, die wir uns einfach ausdenken, sondern da steckt immer was Persönliches hinter.

Franzi: Vor dem Interview habe ich mit meinem Dad darüber gesprochen, dass ich euch interviewe und wir haben uns ein paar Songs angehört, weil er euch noch nicht kannte. Und dann meinte er: “Ja, “Fenster zum Hof”, das ist doch auch eigentlich dieser Film”. Und dann ist mir so aufgefallen: “LaLaLand” zum Beispiel, aber auch “Timothée Chalamet” ist jetzt kein Film, aber auch ein Schauspieler. Warum greift ihr so oft zu Filmbezügen? Ist es eher zufällig oder ist es einfach gewollt? Oder wie kommt es, dass man so viel Filmisches in euren Liedern findet?

Linus: Wir schreiben ganz gern auch relativ szenisch. Also wir beschreiben auch gerne, wie es so aussieht, wie es so riecht oder was auch immer. Also wir beschreiben gerne einfach eine Szenerie und sehr bildlich, schreiben wir glaube ich auch. Und dann liegt es nahe, da irgendwelche Film-Bezüge herzustellen. Und das sind auch alles Filme, die wir einfach sehr gern mögen. “LaLaLand”, “Call me by your name”, “Fenster zum Hof”. Klassiker, sage ich. Deswegen, es liegt irgendwo nahe.

Franzi: Es gibt also anscheinend auch einige Filme, die euch irgendwie geprägt haben oder die ihr in eure Songs einfließen lasst, aber welche Künstler, welche Musik, welche Genres haben euch dann auch in eurem Stil geprägt, oder was sind vielleicht eure Vorbilder?

Lena: Für das Album haben wir ein bisschen so auch Alex G vielleicht als Vorbild für ein, zwei Songs gehabt. Und sonst so allgemein treffen unsere beiden Musikgeschmäcker sich so bei amerikanischem Indie Pop würde ich sagen, so wie Phoebe Bridgers. Fällt dir noch jemand ein?

Linus: Also prägend dafür, dass ich überhaupt Gitarre spiele, war auf jeden Fall Mac Demarco. Also der hat für mich irgendwie Gitarre spielen cool gemacht und in dem ganzen Gitarren Sound, den ich auch live spiele, schwingt viel Mac Demarco einfach mit.

Justus: Wenn ihr jetzt in so ein paar Sätzen jemandem, der euch gar nicht kennt, die neue Tour beschreiben würdet und auch euer neues Album damit beschreiben würdet vom vibe her, von “Was passiert da?”, wie würdet ihr das machen?

Linus: Hm, okay, paar Sätze.

Justus: Darfst auch ausholen, aber, also ich meine, wir haben es rauf und runter gehört, aber für jemanden, der es noch nicht so kennt.

Linus: Okay, der ist noch nicht so kennt. Ja, wir machen deutschen Indiepop. Das hört sich erstmal relativ nichtssagend an, aber wir machen deutsche Musik, die einfühlsam ist, aber auch ein Stück nach vorne geht. Und gerade bei der Tour haben wir jetzt einen Musiker mehr auf der Bühne und haben eine Liveshow, die ein bisschen mehr nach vorne geht, auf jeden Fall. Aber uns ist auch ganz wichtig, so einen akustischen, intimen Part mit beizubehalten. Und das Album hat leise Momente. Die Show hat leise Momente, aber auch gleichzeitig Elemente, wo wir alle zusammen abdancen können. Deswegen Lena und Linus, süßer Indiepop, der auch ein bisschen nach vorne geht.

Justus: Nice. Welcher Song vom neuen Album ist euer Favorit? Habt ihr einen Favorit? Hat man grundsätzlich einen favorite Song oder findet man, wenn man sie selber geschrieben hat und sie selber singt alle gleich gut?

Linus: Es sind natürlich alles unsere Kinder, aber mit manchen Kindern hat man natürlich mehr Probleme als mit anderen gehabt. Deswegen ja, ich habe auf jeden Fall nen favorite und der heißt “Vergisst du uns schon?”.

Lena: Bei mir wechselt es immer so, aber ich glaube “LaLaLand”.

Justus: Warum?

Lena: Ich mag die Produktion sehr, sehr gerne. Ich finde das irgrndwie special. Hat man so noch nicht gehört, vielleicht.

Justus: Und bei dir? Bei “Vergisst du uns schon”?

Linus: Das war ganz witzig, weil das war so ein Problemkind immer. Es gab lange keine Strophen, irgendwie. Es gab nur den C-Part. Aber wir haben trotzdem an unser Kind geglaubt. Und jetzt ist es ganz schön geworden. Und das ist einer der älteren Songs vom Album, der schon quasi länger rumliegt. Und ich bin ganz stolz auf ihn.

Franzi: Ja, eine letzte Frage habe ich, glaube ich, noch. Wie lange dauert so was? Wenn ihr jetzt so sagt, ja, manche Songs sind auch Problemkinder, die liegen irgendwie lange rum oder man arbeitet da lange dran. Wie lange dauert es, so einen Song zu machen.

Linus: Ein Song? Ist ganz unterschiedlich. Also wir haben schon Songs irgendwie nachts im Hotelzimmer in anderthalb Stunden geschrieben und dann waren die fertig und dann haben wir die noch aufgenommen. Oder wir haben einen Song vor einem Jahr geschrieben und der liegt die ganze Zeit noch so rum und wir sehen so ja, wollen wir den noch machen oder nicht? Schauen wir uns das noch mal an? Und dann schaut man den Song sich nach einem Jahr noch mal an und findet es dann vielleicht ganz cool. Deswegen ist es ganz unterschiedlich von einem Jahr, zwei Jahre bis zwei Stunden. Das ist ganz unterschiedlich und alles dazwischen natürlich auch.

Justus: Würdet ihr verraten, was euer schnellster Song war, den ihr am schnellsten fertig in Anführungszeichen hattet?

Linus: Das war schon “Fenster zum Hof”. Ja, also den haben wir nachts in einem Hotelzimmer noch geschrieben. Da waren wir gerade am Album aufnehmen und dann kam dieser Song noch und dann haben wir den ganz spontan noch mit aufgenommen und der war wirklich nachts in eineinhalb Stunden fertig geschrieben.

Lena: “Kleiner Mann” auch, oder?

Linus: Naja, da haben wir ja schon ein bisschen gedoktert dran.

Lena: Aber wir haben am Ende das vom Anfang genommen.

Linus: Ja, ja, voll.

Justus: Vielleicht noch abschließend: Was ist bei euch jetzt nach der Tour geplant? Also die geht ja noch ein bisschen, aber dann erstmal ein bisschen Pause, direkt neue Musik?

Lena: Wir wohnen ja eigentlich in Würzburg und wir sind jetzt aber über den Sommer in Berlin. Also wir haben quasi einen kleinen Umzug und dann schreiben wir an neuen Sachen. Also das ist der Plan, dann wieder ins Songwriting zu kommen und auch ein bisschen chillen vielleicht.

Justus: Ja, wahrscheinlich eine kleine Pause. Auch ganz gut.

Linus: Ja, voll. Es ist ein bisschen scary. wir sind auf Null. Wir haben alles rausgebracht, was wir geschrieben haben und ich freue mich jetzt sehr, von Null zu starten und neue Musik zu machen.

Justus: Hat man da jemals so dieses Gefühl von, Scheiße, was ist, wenn die Kreativität irgendwie dann plötzlich nicht mehr da ist für neue Songs?

Linus: Also wir machen jetzt schon ein bisschen länger Musik und immer wenn dieser Punkt kam, wo wir dann so waren, so fuck, uns fällt jetzt nichts mehr ein, war eigentlich immer ein ganz gutes Indiz dafür, so Leute, macht mal eine Pause oder macht mal ein bisschen ruhiger und dann hat es mir immer sehr geholfen einfach zwei Wochen keine Musik zu machen. Und dann stand ich irgendwann in der Dusche und dann kamen mir neue Melodien und ich war so: Oh, ich hab voll Bock, Musik zu machen. Und so geh ich damit eigentlich immer um und so bin ich gut gefahren. Oder sind wir gut gefahren bis jetzt. Deswegen nee, da habe ich eigentlich keine Angst vor.

Bilder: eigene Aufnahmen


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