“Zum gleichen Zeitpunkt am richtigen Ort” – Interview mit Kabinett
Written by Anna Mohr on 30. Juli 2024
Das Hurricane ist eins der größten Festivals Deutschlands. 70 000 Besucher*innen und große Namen wie The Offspring oder Sido. Aber es gibt auch Chancen für neue Talente. Die Band Kabinett hat ihren Auftritt auf dem Festival bei einem Bandcontest gewonnen und konnten sich so auf der großen Bühne beweisen. Radio Q hat die Jungs nach ihrem Konzert zum Interview getroffen.
Q: Eure Entstehungsgeschichte ist ja etwas anders als bei vielen anderen Bands: Seit der Grundschule befreundet, dann irgendwann darauf eine Band gegründet, so ist es bei euch ja gar nicht. Ihr habt euch ja mit der Intention, eine Band zu gründen, gesucht und gefunden. Was war denn der ausschlaggebende Punkt, dass ihr euch so füreinander entschieden habt?
Manuel (Synthesizer): Das war Ende 2019, dass ich einfach Lust hatte, eine Band zu gründen und dann die anderen online, einer nach dem anderen, aktiv angeschrieben habe und das hat sich dann irgendwie so ergeben. Es war einfach zu dem Zeitpunkt, dass jeder von uns gerade offen war für das Thema neues Bandprojekt. Es war einfach Zufall. Zum gleichen Zeitpunkt am richtigen Ort.
Q: Wenn ihr so unterschiedliche Charaktere habt und aus unterschiedlichen Backgrounds kommt, wie vertragt ihr euch denn beim Songwriting-Prozess?
Max (Gitarre): Songwriting ist bei uns recht komplex, insofern, dass wir so eine Klausel haben, dass wir in der Regel nur Dinge tun, mit denen jeder fein ist. Das führt dann schon auch zu hitzigen Diskussionen. Wenn wir einen neuen Song schreiben und der von einem von uns mitgebracht wird als Skizze oder als Demo, dann hat jeder eine sehr starke Meinung und dann kann es unter Umständen mal Monate dauern, bis alle Meinungen zu einem Song runtergebracht werden.
Josê (Gesang): Aber man muss auch dazu sagen, es gibt auch Songs, die wirklich sehr schnell entstehen. Es gibt auch die Kehrseite, dass wir wirklich zusammen sehr schnell auf gemeinsame Nenner kommen und dann auch ein schönes Ergebnis produzieren.
Q: Im Kompetenzzentrums Popularmusik Rheinland-Pfalz gibt’s eine Masterclass, bei der man mit Profis alles lernt, was neben der Musik alles so passieren muss, damit das mit der Band klappt. Genau da habt ihr mitgemacht. Habt ihr da auch so ein Seminar zu Sound gehabt? Also nicht nur Buchhaltung, sondern auch: “Wie finde ich eigentlich meinen Sound?”
Jose: Wir haben vor allem viel um Musik herum gelernt, was Social Media betrifft und auch Finanzen oder generell Organisation. Also durch die EP hat man vielleicht gemerkt, dass wir uns in sehr vielen Bereichen irgendwie ausprobiert haben und die Soundfindung kam insofern von uns selbst, weil wir gemerkt haben: ‘Okay, wir wachsen immer näher zueinander. Wir verstehen den anderen vielmehr, warum er so entscheidet oder warum es ihm nicht gefällt.’ Das ist einfach ein Punkt vor schon ein bisschen längerer Zeit gewesen, wo wir gemerkt haben, dass wir, wenn wir beim Songwriting mehr auf Andere achten, eine schönere Idee rausbekommen, ein schönes Endergebnis.
Max: Bei der Masterclass ging es wirklich deutlich weniger um die Mucke als das Konzept “Kabinett”. Und das hat uns voll weitergebracht und das hat uns natürlich auch musikalisch beeinflusst.
Q: Was genau bedeutet denn für euch, Kabinett zu sein?
Josê : Die Überraschung von unterschiedlichen Elementen, die man normalerweise nicht hört. Und jetzt in den nächsten Projekten ist auch viel mit poppigen Sachen und dann trotzdem sehr, sehr rockigen Elementen, was wir versuchen, neu aufzurollen. Und ich finde, dass man da vor allem, wenn man jetzt so “Blackout” hört und auch diesen ruhigen “Ama Wave”, dass der da doch in dieselbe Schiene geht, was wir Kabinett nennen.
Manuel: Für mich ist Kabinett jetzt mal ganz unmusikalisch gesagt, vor allem was, was wir zusammen machen. Bei uns ist es ganz wichtig, dass es eine Band ist und kein Solo-Projekt. Keiner von uns ist weniger aktiv an irgendeinem Prozess beteiligt. Musikalisch ist es halt viel, viel schwieriger. Also was ist schon wirklich Kabinett? Das, was aktuell nach Kabinett klingt, ist schon wieder das alte Kabinett, weil wir ja schon wieder an neuen Sachen arbeiten. Deswegen ist es wirklich immer nur das, was wir gerade fühlen und das kann sich ganz schnell ändern.

Q: Wenn wir schon über Bands sprechen – welche Bands beeinflussen euch als Musiker? Vielleicht auch jetzt so im Vergleich zu eurem ersten Album. Was ist da unterschiedlich?
Manuel: Das ist sowohl von den jeweiligen Releases und den jeweiligen Phasen, die wir als Band hatten, unterschiedlich als auch von den Personen. Also jeder von uns könnte jetzt hier andere Acts nennen. Für mich waren es in den Anfängen Metronomy. Jetzt gerade ist es mehr in der rockigen Schiene. Das heißt nicht, dass die jetzt direkt das Songwriting beeinflussen, aber ich höre viel Arctic Monkeys, viel Indie-Rock von den Killers über Queens of the Stone Age. Und natürlich klingt unsere Musik nicht so wie das, aber irgendwie sind so diese Einflüsse im Kopf da.
Josê : Ich stimme da so hauptsächlich zu. Ich wandere sehr viel. Ich lasse mich immer wieder täglich von anderen Dingen neu inspirieren.
Max: Ich höre ganz andere Mucke und ich glaube Boston Manor ist da mein Main-Einfluss, auch Songwriting-mäßig und Sound-mäßig, weil ich finde, dass das unvergleichlich ist, was die soundmäßig aktuell hinschrauben. Also das findest du sonst nicht in der Tiefe und in der Klangestaltung, dass es so dieses Alternative-Genre einerseits bedient, also diese Indie-Rock-Blase, aber gleichzeitig ganz klar aus dem Hardcore herausfällt.
Und Turnstile, weil die zwei, die vereinen ein Party-Gen und so eine Stimmung, das würde ich gerne bei uns abbilden. Was natürlich eine ganz andere Nische ist, in der wir uns da bewegen, logisch. Aber es sind so einzelne Elemente dabei, die ich versuche, ein bisschen mit reinzuschieben oder auf die ich immer mal wieder ein bisschen hindiskutiere.
Lukas (Schlagzeug): Eine Band, die wir alle gerne hören, ist Bilderbuch. Die sind tatsächlich für mich auch persönlich ein sehr großer Einfluss gewesen oder sind es auch immer noch. Ich finde die cool, weil die immer so ein bisschen freaky stuff machen.
Q: Was sind jetzt eure Ziele als Band?
Manuel: Ich hätte jetzt gesagt, noch mal Hurricane, späterer Slot (lacht). Natürlich macht es ultra Bock, da genau weiterzumachen, aber genauso einfach andere Festivals. Es gibt sehr, sehr viele Festivals, auf denen wir noch nicht waren, auch kleinere Festivals, und die sind, glaube ich, alle geil.
Lukas: Was vor allem gerade unser Ziel, ist, ist noch viel mehr Musik rauszubringen und die noch an eine viel breitere Zuhörerschaft zu bekommen, dass solche Festivalauftritte wie heute tatsächlich irgendwann mal daraus entstehen, dass wir wirklich so groß sind, dass wir da gebucht werden, weil das noch mal eine ganz andere Nummer ist. Wenn wir jetzt gerade Leoniden kurz angeguckt haben, ist das vollkommen abgefahren, was die für eine riesige Crowd abgeholt haben. Da habe ich auch gerade gedacht, das wäre krass, wenn man dann mal hier steht und wirklich diese 20.000 Leute vor sich hat, die nach links und rechts hüpfen. Das war gerade schon ziemlich krass. Es gibt noch viel zu tun.
Q: Mit wem würdet ihr denn jetzt in Zukunft gerne mal kollaborieren? Vielleicht auch jemanden, den ihr hier gesehen habt?
Lukas: Leoniden (Lacht). Boah, gute Frage. Wir haben tatsächlich in letzter Zeit schon häufiger überlegt, mit anderen Künstlern in Kontakt zu kommen.
Max: Paula Hartmann wäre eine interessante Kooperation. Weil sie noch mal eine ganz andere Mucke bedient und wir sind natürlich viel kleiner und können uns daran hochziehen (lachen). Ich glaube, das würde sich gut ergänzen in meinem Kopf.
Und vorhin kurz vor unserem Set hat Makko gesoundcheckt und wir haben das mitgesungen. Und seitdem denke ich tatsächlich im Hinterkopf ein bisschen drüber nach, dass es eigentlich geil wäre, Josê’s Stimme auf so eine Makko-T-Low-Produktion irgendwie draufzuwerfen.
Q: Wenn ihr auf einer einsamen Insel gestrandet wärt, welche Platte würdet ihr mitnehmen?
Lukas: Bei mir wäre es “Gelb ist das Feld” von Bilderbuch.
Julius (Bass): Bei mir wäre es irgendwas von Intersphere wahrscheinlich.
Max: Entweder “Welcome to the Neighborhood” von Boston Manor oder “A Different Shade of Blue” von Knocked Loose.
Josê: Summer 08 von Metronomy
Manuel: Måneskin. Rush!