Wütend sein, aber auf süß – Emma Rose im Interview
Written by Linda Kurtenbach on 25. Oktober 2025
In den vergangenen Jahren hat deutsche Indie-Musik deutlich an Popularität gewonnen. Dabei wird es besonders spannend, wenn einzelne Künstler*innen es schaffen, in dieser wachsenden Szene eine eigene Stimme zu entwickeln – ein Beispiel dafür ist sicherlich Emma Rose. In ihren Texten treffen ironische Überspitzungen auf bittere Wahrheiten und emotionale Offenbarungen auf eine Prise Humor. Vor allem aber treffen ihre Songs mitten ins Herz, und das, obwohl es mal nicht immer nur um Liebeskummer geht. In diesem Interview spricht Radio Q Musikredakteurin Linda Kurtenbach mit Emma über ihre anstehende EP, worauf sie gerade stolz ist und was für sie die schönste Emotion ist, die ihre Musik im Publikum auslöst.
Q: Ich habe heute die große Ehre, mit der wunderbaren Emma Rose zu sprechen. Hallo Emma.
Emma Rose: Hallo, ich freue mich.
Q: Wie geht es dir? Hattest du heute schon ein Tages-Highlight?
Emma Rose: Ich hatte heute ein Gespräch mit Leuten, die mit mir gerne arbeiten würden. Das ist tatsächlich sehr spannend, das ist immer wieder aufregend. Da kann ich leider nicht mehr zu sagen gerade, aber das war eigentlich sehr cool, weil es war mal wieder so ein Moment, wo irgendwie meine Arbeit wertgeschätzt wurde und es ist ein bisschen verrückt, dass Leute mit mir arbeiten wollen. Es fühlt sich immer ein bisschen komisch an, als ob ich doch eigentlich gerade erst da reingestartet bin und gar keine Ahnung habe, was ich hier mache.
Q: Wir werden gleich auf jeden Fall noch ein bisschen über deine anstehende EP sprechen. Allerdings würde ich jetzt erst mal starten mit einem Release aus letzter Woche, weil ich muss sagen, ich war sehr überrascht, aber so in the best way possible, als ich ein Reel von Dilla gesehen habe, in dem ihr beiden eine Live-Version von “Mein schönstes Kleid” aufnehmt. Wobei, surprise jetzt im Nachhinein vielleicht gar nicht so der richtige Begriff ist, weil es ist einfach schon in den ersten Sekunden so ein match made in heaven, eure Stimmen. Magst du vielleicht kurz erzählen, wie diese crazy Kombi zustande gekommen ist?
Emma Rose: Kann ich sehr gerne machen. Es ist tatsächlich relativ unspektakulär, aber ich habe mich natürlich auch sehr gefreut. Dilla hatte einfach angefragt und hat gefragt, ob ich Bock hätte, das zu machen, weil sie eben diese Live-Sessions geplant hat mit mir und auch noch Eli Preiss. Das hat sie auch jetzt angefangen zu teasern, was für mich eine große, große Ehre ist und war, weil ich habe erst so vor zwei Jahren ungefähr angefangen, deutsche Musik zu hören und für mich war Dilla so die coolste Person ever. Deswegen hab ich mich sehr gefreut. Und dann habe ich natürlich direkt “ja” gesagt und dann haben wir uns getroffen, so ein bisschen überlegt, wie wir es machen wollen und dann wurde es auch schon aufgezeichnet. Man kann sich das jetzt richtig schön auf YouTube angucken. Es ist richtig cool geworden.
Q: Ja, voll. Es ist echt eine super, super schöne Aufnahme! Du meintest gerade schon, diese Zusammenarbeit geht ja auch so ein bisschen mit einer gewissen Wertschätzung einher und ich bin da ein bisschen d’accord mit, dass Dilla einfach, auch was das Songwriting angeht, für mich eine der krassesten deutschen Künstlerinnen ist. Was war das für ein Gefühl, dann mit so einer Künstlerin wie Dilla zusammenzuarbeiten?
Emma Rose: Also ich war vorher extrem aufgeregt und man hat einfach diese krasse Wertschätzung gespürt. Ich bin immer ein großer Fan von Frauen, die einfach so unfassbare, krasse Stimmen haben und das ist Dilla für mich auf jeden Fall. Das war einfach total krass, dass sie mich irgendwie dann kannte und mit mir arbeiten wollte. Es war dann, weil Dilla einfach eine total coole und liebe Person ist, am Endeffekt gar nicht so spektakulär, auch als wir uns getroffen haben. Das ist ein ganz normaler Mensch, wie jeder andere auch. Supercool zudem aber auch noch. Deswegen war es dann irgendwie so: „Ja, okay, dann machen wir das jetzt halt”, und es hat sich dann super natürlich und schön angefühlt.

Q: Ja, so hat es sich auf jeden Fall dann auch auf dem Song angehört. Nach diesem kleinen Abstecher jetzt mal zurück zu deiner eigenen Musik. Ich habe es ja vorhin schon mal kurz erwähnt: es steht ein EP-Release vor der Tür, und zwar kommt am 7. November deine EP “Süss Sauer” raus. Magst du vielleicht direkt erst mal erzählen, wie es zu dem EP-Titel kam? Weil ich habe mir mal die Freiheit genommen und einfach mal Süß-Sauer bei Google eingegeben und wer hätte es gedacht, man landet direkt erst mal bei einem 20-Minuten Süß-Sauer-Soßen-Rezept von Kochkarussell. Wie kam es zu dem Titel?
Emma Rose: Jetzt der letzte Track auf meiner EP, der heißt “Süß Sauer”. Der ist in einer ganz tollen Session entstanden und ich liebe diesen Song einfach sehr. Und für mich war es dann relativ schnell in der Session schon klar, dass der Song “Süß Sauer” heißt. Es geht aber da nicht um die Soße Süß-Sauer, sondern eher dieses Sauer-Sein, wütend sein, aber auf süß. Darum geht es ja auch in vielen Songs von mir so ein bisschen. Und für mich war dann eigentlich die erste Entscheidung, als wir gesagt haben, wir machen eine EP, dass diese EP “Süß Sauer” heißen wird und da kommt einfach auf jeden Fall dieser Track drauf.
Q: Es sind ja mittlerweile schon echt ein paar Singles von dir draußen. Am Freitag erscheint “Miau Miau”. Woher kam dieser Gedanke oder dieses Gefühl, dieser Drang danach, dass du jetzt eine EP raushauen möchtest?
Emma Rose: Ich habe ja letztes Jahr im Sommer angefangen, so richtig zu releasen oder letzten Herbst. Und ich bin da so reingerutscht. Ich habe eigentlich diesen Wunsch, Musikerin zu sein, so ein bisschen beiseitegelegt und dachte: „Ach, wird eh nichts”, und habe das dann eher für mich gemacht. Und dann bin ich da in dieses Konstrukt reingerutscht, wo ich jetzt total glücklich bin und dann war es halt so, wir gucken mal. Ich habe ganz viele Songs rumliegen. Und dann haben wir einfach immer gedacht: „Ach, der wäre jetzt cool … und dann kommt der” und die passen ja schon irgendwie zusammen, aber irgendwie war es dann auch doch so von Single zu Single hüpfen und so ein bisschen die Entwicklung abwarten und ganz viel Live spielen und so. Und für mich war es vor allen Dingen – es klingt auch vielleicht bescheuert – aber für mich war es wichtig, einmal jetzt auch zu zeigen: „Okay, ich mache das jetzt for real.” Mich fragen immer noch Leute: „Was studierst du denn eigentlich und was machst du denn eigentlich?” Und ich mache jetzt gerade Musik und das ist das, wo ich alles gerade reingebe und ich habe Lust, mehr projektbasiert zu arbeiten. Und ich finde das auch einfach total schön am Ende, eine EP zu haben, die man durchhören kann und das macht irgendwie alles Sinn. Eine Geschichte zu erzählen und irgendwie einen roten Faden zu haben und nicht immer so „Ach, jetzt das und dann mache ich hier das Thema noch da und dann das”. Das war für mich vor allen Dingen das Wichtigste und ich will irgendwie mich natürlich auch beweisen und zeigen ey, das kann ich auch und ich kann es gar nicht abwarten, irgendwann mal mein erstes Album zu machen und daran zu arbeiten.
Q: Könntest du sagen, was so ein bisschen die Story auf Süß-Sauer ist oder was so das Konzept ist, was die Songs vereint. Ist es wirklich einfach diese Emotion oder Vibe, dieses sauer sein mit einer süßen Note? Oder gibt es da noch eine andere Story, die du gerne erzählen möchtest?
Emma Rose: Ich glaube, es gibt verschiedene Punkte, die alle irgendwie so ein bisschen damit reinspielen. Für mich ist – ich glaube, das hört man auch in den Songs, die schon draußen sind – oft die Hauptmotivation und der Hauptgrund, warum ich über ein Thema schreibe, dass ich wütend bin. Und das hört man vielleicht manchmal gar nicht so musikalisch, weil es dann ja doch alles sehr soft und irgendwie quirky klingt und witzig. Aber vor allem bin ich von Wut angetrieben. Ich meine, meine Songs (z.B. “Das Beste”), da geht es ja auch viel um sexuelle Übergriffe und übergriffige Macker. Der klingt total fun, aber eigentlich bin ich total wütend. Und ich glaube, dass ich in dieser EP wirklich so dieses Ding meine: „Eigentlich, ich bin einfach wirklich sauer”. Und dieses Süß ist vielleicht auch, weil ich gelernt habe, sehr freundlich mit meiner Wut umzugehen und mit meinen Emotionen sehr zurückhaltend zu sein, aber das einfach mal so zu benennen.
Du hast die Feministin aus mir rausgefickt // Hast mein Herz erobert, nur mit einem Pfiff
Deine starke Hand weist mir den Weg // Endlich wer der sieht, dass ich nix versteh
Es ist nicht so wichtig, was ich denke // Ich wollte eh nix sagen, ich wollte eh nix sagen
Leg ruhig deine Hand auf meinen Schenkel // Du brauchst eh nicht fragen, du brauchst eh nicht fragen
- "Das Beste", Emma Rose
Q: Um jetzt nochmal auf das Thema Musikentwicklung zurückzugehen. Du hast ja gerade schon kurz projektbasiertes Arbeiten erwähnt. Sowas konstatiert oder festigt ja irgendwie voll, dass du jetzt quasi wirklich Musikerin bist. In einem Interview mit BonnFM aus Mai 2025, als es so um das Thema ging, was dein Ziel für die nächste Zeit ist, hast du erzählt, dass – eben weil das alles doch recht schnell ging mit deinem Karrierestart – du ein bisschen Klarheit finden möchtest, künstlerische Klarheit, musikalische Klarheit. Jetzt ist ja so eine EP und dann auch noch ein eigenes Konzert schon echt ein “handfester Meilenstein”, sage ich mal. Wie weit würdest du denn sagen, bist du mit diesem Gedanken gekommen, diese künstlerische Klarheit zu finden oder auch damit, wirklich nachzuvollziehen, was jetzt über die letzten ein, zwei Jahre passiert ist?
Emma Rose: Es ist auf jeden Fall schon besser geworden. Ich habe mich mit dem Gedanken aber vor allen Dingen angefreundet, dass es auch okay ist, ganz viel Unklarheit zu haben. Und ich glaube, dass das, was ich mache, sich immer weiter verändern wird und immer weiterentwickeln wird. Vielleicht mache ich auch mal wieder was in andere Musikrichtungen. Also ich glaube, dass ich vor allen Dingen da so ein bisschen entspannter geworden bin. Also es ist jetzt auch kein langer Zeitraum, aber ich mache hier so viel. In so einem Monat passiert irgendwie unglaublich viel, dass ich dann doch irgendwie relativ schnell relativ viel dazulerne. Also ich glaube, ich habe für mich so entschlossen, ich versuche vielleicht ganz viele kleine Klarheiten-Momente zu finden und für mich ist jetzt so dieses Süß-Sauer-Ding ein Moment der Klarheit und ich glaube, danach wird es auch wieder wuselig. Dann werde ich überlegen, okay, was soll denn das nächste Projekt sein, an dem gearbeitet wird? Aber ich glaube, dass es da auch ganz wichtig ist, sich nicht zu doll zu versteifen, weil man jeden Tag neue Dinge erlebt, neue Ideen dazukommen, Inspiration dazukommt. Wir sind ja als Menschen alle super vielfältig und haben verschiedene Eigenschaften. Deswegen ist es da irgendwie voll okay, dass da manchmal so eine Unordnung herrscht und vielleicht Verwirrung auch.
Q: Wie du schon meintest, da liegt ja auch total Potenzial drin und es ist ja vielleicht ganz hilfreich, auch aus künstlerischer Perspektive, das nicht nur aus einer Negativität heraus zu betrachten. Zusammen mit dem EP-Release gibt es ja auch ein Release-Konzert in Berlin. Du hast ja jetzt in the great scheme of things, sage ich mal, schon echt eigentlich häufig live gespielt. Also du hast super viel Support gespielt, auf Festivals gespielt, aber noch nie ein richtiges eigenes Konzert gehabt, wenn ich das richtig im Kopf habe. How are you feeling? Was geht in dir darauf bezogen gerade vor?

Emma Rose: Jetzt, wo du es sagst, werde ich direkt schon wieder aufgeregt, weil das ist einfach ein total großes Ding für mich. Ich bin sehr emotional auch, was dieses Thema angeht, weil für mich ist das einfach total verrückt, was passiert. Ich habe dieses Jahr wirklich … Ich muss kurz paar Zahlen sagen, weil das ist wirklich verrückt. Aber ich habe, glaube ich, fast 40 Festivals gespielt und über 30 Support-Shows gespielt, was einfach verrückt ist. Ich war fast gar nicht zu Hause. Ich habe so viel in dieses Live-Game investiert. Ich habe jetzt eine Booking-Agentur und für mich ist so dieses eigene Konzert, das ist einfach komplett surreal, dass das in so einem kurzen Zeitraum jetzt passiert. Ich habe auch immer noch Angst, dass irgendwie niemand kommt am Ende, aber es kommen schon Leute haha. Aber ja, es ist irgendwie wie so ein kleiner Reward und es ist auch irgendwie geil, so aus diesem Jahr rauszugehen. Ich habe danach noch zwei Shows, aber dann mache ich auch erst mal kurz Pause, weil es wirklich auch sehr, sehr anstrengend war und sehr viel. Aber ja, vor allen Dingen freue ich mich total darauf, weil es irgendwie wie so ein kleiner Beweis ist, dass das alles wirklich passiert ist und so ein kleines Geschenk noch – es ist ein großes Geschenk, vor allem mit Band auch. Es ist einfach total verrückt.
Q: Eine super schöne Sache, wenn man live Musik hört, ist, dass es immer ja irgendwie auch ein bisschen was in einem auslöst. Gibt es so eine Emotion, von der du sagen würdest, wenn deine Musik das in jemandem auslöst, das ist so das Schönste für dich?
Emma Rose: Ja, und das ist auch schon ein paar Mal passiert. Vielleicht kommt auch noch was, was noch viel schöner ist, aber ich glaube, es geht gar nicht schöner.
Es kommen oft junge und auch ältere Frauen- und viele Mütter kommen auch – nach den Konzerten auf mich zu und sagen, dass sie sich gesehen gefühlt haben und dass sie das Gefühl haben, ich habe da Sachen gesagt, die sie schon lange gefühlt haben oder die sie auch selber erlebt haben und es wurde ausgesprochen und die haben sich dadurch irgendwie weniger alleine gefühlt.
Und das ist das, was mich, glaube ich, so mit am meisten berührt nach Konzerten und das ist genau das, was ich auch weiter erreichen möchte mit den Texten, die ich schreibe.
Q: Da sprichst du tatsächlich ein Thema an, worüber ich jetzt gerne noch kurz quatschen würde. Ich finde, es gibt ein bisschen so unterschiedliche Typen von Emma Rose Songs – mal eher ein bisschen ernster und emotionaler und mal dann eher ironisch überspitzt. Aber ich finde, allen liegt irgendwie so eine gewisse Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit zugrunde, die eben dieses Gefühl von „Ich kann dazu relaten” einfach aufmacht. Fällt dir das schwer, auf diese Art und Weise zu schreiben oder über diese Ehrlichkeit Texte zu schaffen?
Emma Rose: Das klingt doof, aber ich glaube, irgendwie nicht so ganz. Ich habe keinen riesigen Freundeskreis, aber ich habe ganz tolle, ganz enge Freundschaften, wo wir alle irgendwie so sind, dass wir ganz ehrlich Dinge ansprechen, auch die unangenehmen Dinge ansprechen und die ekligen Sachen ansprechen. Und ich glaube, dass das einfach was ist, was mir schon immer wichtig ist im Umgang mit meinem Umfeld, dass ich einfach ehrlich sein kann und auch mal ein bisschen frech vielleicht. Deswegen sind, glaube ich, meine Texte auch oft so, wie sie sind, weil ich ganz oft überlege: „Okay, würde ich das so sagen? Ja, ich würde das so sagen”, und dann schreibe ich das halt auf. Es klingt jetzt, als ob ich mit Papier einen Stift schreiben würde. Ich mache alles am Handy natürlich. Ich glaube, es fällt mir nicht so schwer. Ich habe voll oft einfach drauf losgeschrieben und dann kamen irgendwie Songs bei rum und dann haben Leute gesagt: „Ich liebe deinen Schreibstil” Und dann hab ich immer so gedacht: „Was meinen die denn mit meinem Schreibstil?” Ich habe gar nicht gecheckt, was die meinen. Und das ist mir schwerer gefallen, als ich dann gecheckt habe, was die meinen und ich jetzt manchmal anfange zu schreiben und dann denke: „Es muss wieder sehr relatable sein” und dann gehe ich mit dem Druck daran und dann kommt da auch meistens nichts bei herum. Aber ich glaube, dass ich einfach genauso schreibe, wie ich auch spreche meistens.
Q: In deinem Song „Die Gleiche” geht es ja um das Thema Selbst-und Fremdwahrnehmung und vor allen Dingen dann, wenn die so krass auseinandergehen. Und es geht auch ein bisschen ums „Imposter-Syndrom”, also das Gefühl, dass man irgendwie seinen Erfolg nicht so richtig verdient hat oder wie du im Song sagst: „Ich habe Angst, dass irgendwann doch jemand merkt, dass alles, was ich tue, nicht so durchdacht ist.” Wie geht es dir mittlerweile mit diesem „Imposter-Gefühl”? Weil das ja auch irgendwie schon – also muss es nicht sein – aber es kann ja schon auch ein Teil vom Artist-Dasein sein, wenn man seine Kunst auch veröffentlicht und mit Leuten teilt.
Emma Rose: Es ist ein Auf und Ab. Es ist wirklich mal schlimmer und es ist mal voll gut. Ich glaube, das hängt ganz davon wie es mir gerade geht, ab. Was aber total geholfen hat, ist zum Beispiel diesen Song zu schreiben, weil das ist ja das, was immer alle sagen: „Hey, wenn du gerade ein Problem hast, dann musst du darüber sprechen.” Und das hilft tatsächlich. Also dass ich einfach da ganz ehrlich diese ganzen Sachen gesagt habe, hat total geholfen. Und auch, dass dann Leute darauf reagiert haben und gesagt haben: „Alter, genau das spüre ich auch, und ich konnte das gar nicht benennen vorher.” Dass man irgendwie merkt, okay, viele haben das, auch wenn ich jetzt so vor allem FLINTA*-Artists kennenlerne aus dem Business, die haben das alle. Das ist irgendwie einfach leider so ein Ding, was so mitschwingt, wenn man solche Sachen macht, nicht immer, aber oft. Und ich glaube, ich habe irgendwie so ein bisschen meinen Way gefunden und auch, wie ich damit so ein bisschen umgehen kann oder dann so denke: „Okay, dir geht es gut. Leute wollen mit dir arbeiten. Leute hören deine Musik. Du hast super viel live gespielt.” Und dann kann man immer so ein bisschen versuchen, das von sich wegzuschieben, diese Selbstzweifel, und dass man eigentlich überhaupt gar keinen Plan hat. Und es gibt Tage, wo ich wirklich auch gar keinen Plan habe, aber eigentlich habe ich irgendwo einen Plan.
Q: Ich glaube, diese Tage, wo man wirklich einfach so gar keinen Plan hat, kennt wahrscheinlich jeder. War es für dich denn immer schon klar, dass Songwriting so deine Art und Weise ist, dich mit Themen und auch persönlichen Themen auseinanderzusetzen? Oder gab es in letzter Zeit, in den letzten Jahren, so einen Punkt, wo du warst: „Boah, ich habe gerade gemerkt, das tut mir richtig gut”?
Emma Rose: Ich habe ganz lange auf Englisch geschrieben. Ich schreibe wirklich Songs auch schon seit ich 13 bin. Und da habe ich einfach nur, weil ich unbedingt singen wollte, Songs geschrieben. Und die Songs sind meistens irgendwelche Heartbreak-Songs with no deeper meaning. Und dass mir dieses Schreiben wirklich hilft, auch über mich selber nachzudenken und eigene Verhaltensmuster zu reflektieren, das hat angefangen, als ich dann vor zwei Jahren angefangen habe, auf Deutsch zu schreiben. Ich habe dabei gemerkt, dass ich irgendwie so viel sagen kann und dass da so viele Gedanken in mir drin sind, die raus müssen. Ich glaube, da habe ich das erst so wirklich gemerkt. Ich habe große Probleme damit, Dinge zu verarbeiten oder mit Dingen umzugehen, die mir nicht so guttun oder wenn es mir nicht so gut geht. Das ist schon was, was mir schwer fällt, obwohl ich glaube, ich habe schon immer einfach sehr viel dann drüber gesprochen mit meinen Engsten. Und vielleicht ist das mit dem Songwriting jetzt einfach noch so ein Add-on davon, dass ich einfach weiter drüber rede.
Q: Ja, und vor allen Dingen dann auch in so Songs – wir haben gerade schon mal drüber gesprochen – aber das dann auch noch mal mit einer breiteren Öffentlichkeit zu teilen und da vielleicht auch irgendwie Ansatzpunkte für andere Leute zu schaffen. Es geht in deinen Songs auch immer mal wieder um das Thema (Male) Validation, wie gehst du mittlerweile damit um? Besonders in deiner Rolle als Künstlerin, die ihre Kunst öffentlich macht, in dieser Rolle, in der Leute viel einfacher Erwartungen auf dich und deine Person projizieren können.
Emma Rose: Es gibt zwei verschiedene Punkte. Es gibt einmal die Validation, die ich jetzt bekomme durch das, was ich mache, durch das, was ich hohlade, durch nach den Konzerten, dass Leute direkt auf mich zukommen und mir irgendwie sagen, wie toll sie das alles fanden und so. Und das ist eine Sache. Und auf der anderen Seite singe ich ja vor allen Dingen leider über „Male Validation”. Deswegen sind das irgendwie so zwei unterschiedliche Punkte und dass ich jetzt super viel Bestätigung bekomme, das bringt, ehrlich gesagt, leider überhaupt nichts. Mein Ego ist immer noch genauso klein wie vorher und es gibt mir natürlich total viel und es ist total schön, diese Dinge zu hören und das freut mich auch. Aber ich finde es ein ganz schwieriges Thema. Ich glaube, deswegen schreibe ich auch immer noch so viel darüber, weil ich da selber noch gar keinen richtigen Punkt mit gefunden habe. Ist jetzt auch so eine sehr wuselige Antwort, weil ich wirklich auch keine richtige Antwort, glaube ich, habe. Ich denke tatsächlich auch in letzter Zeit viel darüber nach, als Musikerin, als Artist, als jemand, der sich entscheidet, ich will jetzt auf einer Bühne stehen, wird einem ja oft gesagt: „Da musst du schon eine sehr egozentrische Person sein und du musst es super geil finden, dass Leute dich bestätigen.” Und dann frage ich mich auch ganz viel: „Ist das so?” Mache ich das, weil ich das brauche und könnte ich nicht auch ohne und es ist irgendwie gerade noch ein Prozess. Ich habe keine klare Antwort, glaube ich, darauf.
Q: Diese Außeinandersetzung mit Validation ist nun mal echt ein langer Prozess, eben weil es, glaube ich, einfach was ist, was so tief in uns verwurzelt ist in patriarchalen Strukturen. Ich finde, du machst aber auf jeden Fall mit deinen Songs und vor allen Dingen mit diesen ironisch überspitzen Songs Räume auf, in denen man sich bei den Lyrics manchmal denkt: „Okay, warte mal. Irgendwie check ich total die Ironie dahinter” aber gleichzeitig ist es auch ein Spiegel, der einem vorgehalten wird, weil man eingestehen muss, dass da doch was total Wahres einfach drin steckt und dann ist man so: „Okay, ja, vielleicht habe ich mich doch noch nicht so krass davon gelöst, wie ich es gerne hätte.” Um das jetzt hier mal ein wenig up zu wrappen. Wir haben jetzt super viel über deine Musik gesprochen und ich würde jetzt zum Schluss einfach noch mal zwei random Fragen stellen. Und zwar: Was fuckt dich gerade so richtig ab?
Emma Rose: Mich fucken oft viele Sachen ab, sage ich ganz ehrlich – ich muss da auch immer aufpassen haha. Also es fuckt mich ab, dass so viele FLINTA*-Artists nicht genügend Aufmerksamkeit bekommen, weil die Musikindustrie einfach nicht dafür gemacht ist, dass sie dort Platz haben. Und zudem regt mich auf, dass alle immer jetzt von FLINTA*-Artists sprechen und gar nicht wissen, was FLINTA* bedeutet. Und eigentlich meinen sie nur Frauen, wenn sie sagen, sie haben jetzt FLINTA*-Artists in ihrem Line-up oder FLINTA* als Support. Die wissen überhaupt nicht, was FLINTA* heißt und haben alle ja keine Ahnung. Das regt mich gerade sehr auf. Nehmen wir das. Das regt mich todes auf.
Q: Und dann ganz zum Abschluss: Auf was bist du gerade stolz?
Emma Rose: Mir fällt es ganz schwer, stolz auf mich zu sein, aber ich bin schon stolz auf das, was ich so geschafft habe in den letzten anderthalb Jahren und ich habe wirklich ganz schön viel geschafft und es war ganz schön anstrengend und ich brauche wirklich ganz dringend eine Pause. Und ansonsten bin ich stolz auf meine Mama. Die hat auch ganz schön viel gerissen in den letzten zwei Jahren. Da muss ich jetzt nicht drüber reden, aber auf sie bin ich auch stolz.
Q: Sehr sweet. Gibt es noch was, was du loswerden möchtest, was vielleicht irgendwie zu kurz kam, was du noch der Welt mitteilen möchtest?
Emma Rose: Für die Leute, die dieses Radio jetzt hören, ist es wahrscheinlich schwer, aber kommt alle zu meinem Konzert, bitte. Kommt alle. Das ist leider in Berlin, was auch doof ist. Ich hätte es wahrscheinlich auch im Ruhrgebiet machen sollen oder in Bremen, wo ich auch irgendwie länger gewohnt habe. Aber na ja, es ist jetzt Berlin. So ist es.
Q: Alright, dann vielen, vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast, mit uns zu quatschen und ich wünsche dir natürlich ganz, ganz viel Spaß auf deinem Release-Konzert und kann nur allen Leuten empfehlen – falls ihr Emma Roses Musik noch nicht kennt – mal reinzuhören und vor allen Dingen die EP am 7. November.
Emma Rose: Ja, vielen Dank. Es war sehr schön.
Fotocredits: Beitragsbild und Bilder im Text © Jeanette Sophie (@jeanette.sophie)