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Vom Tun und Lassen und einem wiedergefundenen Zauber – Matze Bloech von Heisskalt im Interview

Written by on 16. Dezember 2024

Foto: © Yasmin-Sara Ergen

Ende März 2024 bleibe ich in meinem Instagramfeed bei einem Post stehen auf den ich – und damit war ich offenbar nicht alleine – nicht vorbereitet war: @heisskaltmusik: “Hey Leute seid ihr noch da? Lange nichts gehört …”. Scrollt man durch die Kommentare wundert es nicht, dass die Antwort lautet: Festivalauftritte, Albumankündigung und eine fast komplett ausverkaufte Tour in den bisher größten Venues der Heisskalt-Geschichte.

Mit den Alben Vom Stehen und Fallen (2014) und Vom Wissen und Wollen (2016) prägten Heisskalt die deutsche Rock- und Post-Hardcoreszene der 2010er Jahre. Nach Idylle (2018) wurde es still und kompliziert. Vom Tun und Lassen erscheint am 24. Januar und ist das Ergebnis eines ungewollt langen Prozess. Die Band um Mathias Bloech, Marius Bornmann und Philipp Koch steht seit August mit der Bassisitin Lola Schrode wieder auf der Bühne. Sänger Matze hat sich Ende November in Köln mit Musikredakteurin Frieda Krukenkamp getroffen, um über neue Texte zu philosophieren und über die unerwartet schwierige Frage zu sprechen, was überhaupt noch gleich geblieben ist. Wieso es für Matze auch mal schön wäre einfach Crêpe zu verkaufen und wie sein Spotify-Wrapped aussieht lest ihr hier.


Q: Heisskalt ist erstmals seit wieder sieben Jahren auf Tour, sogar die bislang größte. Und was man so auf Instagram sehen kann: es läuft ziemlich gut. Ihr habt sehr viel Bock und die Fans auch. Heute, am 27. November, spielt ihr in Köln in der Kantine. Es ist die achte Show und ich habe in eurem Instagram-Post aus Leipzig gesehen, dass es ein paar Wehwehchen gibt. Was ist denn los?

Mathias Bloech: Gestern haben wir in Berlin gespielt und ich habe mir beim Konzert in Wien den Fuß verstaucht. Seitdem laufe ich mit einer Schiene rum. Es gibt mehrere Schniefbären im Moment in der Crew. Das kollektive Immunsystem ist jetzt an die Grenze gekommen. Es ist doch schon anstrengend. Mit größter Tour, ist auch gemeint, dass die wir die bisher größten Venues spielen. Wir haben auch schon länger getourt, aber wir spielen auch das längste Set. Wir spielen fast anderthalb Stunden. Und da merke ich, da komme ich auf jeden Fall an meine stimmlichen Grenzen in der Intensität.

Q: Jetzt, wo schon die achte Show ist, habt ihr bestimmt so eine kleine Routine entwickelt. Wie läuft denn die aktuelle Routine vor und nach den Konzerten? Oder habt ihr sogar vielleicht so abergläubische Rituale?

Mathias Bloech: Die abergläubischen Rituale darf ich natürlich nicht verraten. Aber wir haben ein Ritual vor der Show, an dem auch alle beteiligt sind. Ansonsten kommen wir morgens an, dann wacht man immer davon auf, dass der Bus nicht mehr auf der Autobahn dahingleitet, sondern durch irgendwelche Kopfsteinpflaster-Sträßchen rumpelt. Und dann schälen sich alle aus der Koje und dann frühstücken wir und machen eine kleine Morgenrunde und dann wurschteln sich alle so durch den Tag bis zum Soundcheck nachmittags. Und danach wurschtelt man noch weiter und dann sind doch immer mehr Sachen zu tun, als man denkt. Und dadurch, dass irgendwie die ganze Zeit alles in der Gruppe passiert, ist natürlich der Ablenkungsfaktor enorm hoch. Dann ist schon eigentlich Zeit. Die ganze Aufmerksamkeit des Tages fokussiert sich auf diese 90 Minuten. Das ist etwas ganz Eigenartiges, was es nur auf Tour gibt. Dass alles andere im Vergleich an dem Tag sehr unwichtig wird oder dem dient.
Q: Die Routine ist sozusagen: viel Rumgewurschtel bis es dann losgeht?
Mathias Bloech: Manche spazieren oder machen ein bisschen Yoga oder essen. Heute haben wir ein bisschen SpongeBob geguckt. Das ist auch immer die Frage, was es für ein Angebot gibt in dem jeweiligen Club. Heute haben wir zum Beispiel einen Fernseher mit einer Couch und da stehen so Snacks. Dann haben wir uns natürlich mal kurz hingesetzt.

Q: Im Januar kommt das vierte Album “Vom Tun und Lassen” und der Aufnahmeprozess des Albums ist mühselig gewesen, habe ich gelesen. Das lag neben bestimmt auch individuellen Gründen teils daran, weil ihr Spur für Spur einzeln aufgenommen habt und dann erst die Songs zusammen geschichtet habt. Die Veröffentlichung der Platte wurde dann auch noch in den Januar verschoben, weil die Pressung der Platten langsamer läuft als ursprünglich geplant. Von außen betrachtet klingt das für mich alles extrem anstrengend. Würdest du sagen, es war die anstrengendste Heisskalt-Platte?

Mathias Bloech: Auf eine Art würde ich sagen ja. Ich glaube ein Album machen ist immer anstrengend. Weil das irgendwie für immer ist. Und weil es wichtig ist und weil man es gut machen will. Diesmal hat sich aber dieser Prozess länger gezogen als jemals zuvor in unserer Bandgeschichte. Ich habe ewig lange Zeit gehabt an den Songs zu schreiben – zu lange auch. Wir sind zu zweit ins Studio – nur Marius und ich mit unserem Produzenten. Dann haben wir manche Sachen auch nochmal eingespielt und hin und her. Ich bin nicht grundsätzlich dagegen Track für Track aufzunehmen, aber der Vorteil, wenn man eine Band ist und die Sachen live einspielen kann ist, dass man die einfach schreiben kann, probt, dann aufnimmt, drüber singt, dann mischt und fertig. Und bei der Platte war das ein chaotischerer Prozess: wir schreiben, nehmen dann schon Sachen auf, dann die Drums drüber und dann nochmal Gitarren drüber und hier noch mal… Die ganzen Projekte liegen gleichzeitig auf mehreren Rechnern rum und alle machen irgendwie was. Ich finde, es ist voll geil geworden. Ich mag das Album, das hat Power. Aber der Prozess war auf jeden Fall kräftezehrend. Nicht das Musizieren an sich oder die Songs zu machen.

Q: Es sind ja bisher schon drei Songs draußen: “Wasser, Luft und Licht“, “Vampire” und “Mit Worten und Granaten“. Und als ich reingehört habe, höre ich da viel von dem vermeintlichen Konzept von Gut und Böse, die Frage was ist überhaupt Realität und wie baut die sich jeder zusammen und wie können wir Mauern vermeiden, jeder in seiner individuellen Verantwortung und dem eigenen Handeln. Und es gab auch mal so einen Instagram Post zu “Vampire”, wo du auch meintest, du magst den Song voll gerne:


Q: Und die gleiche Frage klingt auch in “Mit Worten und Granaten” an: Wie will ich mich dazu verhalten, Was mache ich zu meiner Pflicht? Du hast die Frage im Post raus an die Fans gestellt. Und jetzt frage ich einfach mal zurück: Was machst du zu deiner Pflicht und wie verhältst du dich?

Mathias Bloech: Was ich damit meine, ist eben diese Entscheidung wie verhalte ich mich zur Welt. Ich mache mir Gedanken. Menschen machen sich Gedanken und bauen sich Konzepte, Ideale und Beziehungen. Und ich finde meine Pflicht im Moment ist gut für meine Tochter da zu sein. Das auszudrücken, was da in mir vorgeht, das mache ich zu meiner Pflicht. Auch wenn ich manchmal damit kämpfe, dass ich denke: Muss das denn sein? Kann ich nicht etwas wirklich Sinnvolles tun? Das ist wahrscheinlich das ewige Künstlerselbstgezweifle. Und irgendwie möchte ich gerne Raum anbieten, in dem Leute so sein können, wie sie wollen, der irgendwie von Mitgefühl und von Liebe geprägt ist und nicht von harscher Bewertung, Abgrenzung und Ausgrenzung. Das würde ich sagen, mache ich zu meinen übergeordneten Pflichten.

Ich glaube, meine größte Erkenntnis dabei für mich ist, dass wir alle immer an unterschiedlichen Punkten stehen und unterschiedliche Erfahrungen haben, unterschiedliche Wege gehen und es total dreist ist zu erwarten, von allen immer zum gleichen Zeitpunkt das Gleiche zu denken wie man selbst.


Q: Also auch zu gucken, dass man auch in sich selbst keine Mauern aufbaut und nicht in Schwarz und Weiß denkt? Das Gut und Böse ein Konzept ist, aber in der Realität gar nicht existiert?

Mathias Bloech: Das ist ja eben die Frage. Da kommen wir jetzt natürlich in was ganz tiefes Philosophisches rein und da bin ich auf jeden Fall auch nicht in dem Sinne ausgebildet, als dass ich darüber jetzt wirklich fundiert sprechen könnte. Aber genau das ist eben meine Wahrnehmung. Dass es ganz schnell geht und auch vielleicht total menschlich ist, dass wir uns abgrenzen. Das ist auch was Säuglinge als allererstes machen, dass sie lernen: Das Glas, das ich da in die Hand nehme und wieder weggebe, das bin ja gar nicht ich. Vielleicht machen wir das auch unterbewusst mit Gedanken oder mit Handlungen und Gedanken von anderen. Und da will ich so ein bisschen lernen herauszufinden: wo ist da die Grenze, wo gehe ich da zu weit? Also wo steht es mir zu? Oder steht es mir zu? Ist auch schon wieder so eine Formulierung… Aber ist es sinnvoll in irgendeiner Art und Weise mich von den Gedanken, die jemand anders hat, abzugrenzen? Weil die habe ich ja gar nicht, die hat ja jemand anders. Also wo fängt das an, dass ich mich sinnvollerweise von etwas abgrenze, um mich zu schützen oder andere zu schützen oder irgendwie für Werte einzustehen, die ich habe? Und wo kann ich vielleicht auch versuchen, im Mitgefühl zu bleiben und erst mal zu denken okay, trust the process. Ich glaube, meine größte Erkenntnis dabei für mich ist, dass wir alle immer an unterschiedlichen Punkten stehen und unterschiedliche Erfahrungen haben, unterschiedliche Wege gehen und es total dreist ist zu erwarten, von allen immer zum gleichen Zeitpunkt das Gleiche zu denken wie man selbst. Ich glaube, dass wir das leicht tun und leicht erwarten. So: jetzt habe ich es herausgefunden. Jetzt müsst ihr alle das auch so sehen. Ich glaube das geht schnell als Mensch. Und da so ein bisschen den Weg auch Weg sein zu lassen.

Gleichzeitig auf der anderen Seite auch nicht zu weich zu sein. Wir hatten jetzt gestern zum Beispiel eine Situation in Berlin. Im Astra hatten wir Stress mit ein paar Leuten, die da gearbeitet haben, die Leute von uns und Fans beschimpft und bedroht haben auf eine total blöde Art. Wir haben alle vorher ein bisschen gemerkt: irgendwas stimmt nicht, aber passt schon, drücken wir mal ein Auge zu. Und am Ende ist es dann voll scheiße geworden. Es zeigt genau dieses Spannungsfeld: wo ist es wirklich wichtig zu schützen und wach zu sein und zu merken hier läuft was schief? Und wo sage ich einfach: Hey, das ist okay, es ist deine Wahrheit passt. Ich kann dich auch akzeptieren, wenn du gerade da bist und ich bin hier. Wir müssen uns jetzt nicht streiten, wer jetzt Recht hat. Ich glaube, da geht es viel drum auf dem Album.

Es gab so eine Situation, da habe ich in meinem Zimmer Gitarre gespielt und dann musste ich irgendwann anfangen zu heulen. Das war voll der Schlüsselmoment für mich, wo ich dachte: Ach krass, stimmt ja, deswegen mache ich das. Weil ich damit berühren kann und will.

Q: Viele Anregungen hat auch die Single “Mit Wolken und Granaten” bei mir hervorgebracht. Laut euch der wohl wildeste Song der Platte, vor allem weil es musikalisch eine Herausforderung sei das Stück zu spielen.
Mathias Bloech: Ja, jetzt hier auf Tour. Das ist richtig krass.

Alles ist in allem, Alles ist in mir
Alles was wir denken können, will irgendwie passier'n
Alles ist für alle, Alles ist für mich
Wie will ich mich dazu verhalten
Was mach' ich zu meiner Pflicht?
Und ich breche aus der Hölle
Und ich stolpere ins Licht
Was für ein Wunder, das ich atme
Was für ein Wunder, es gibt dich
Werde deine volle Größe
Trau dich deine ganze Kraft
Die Idee von Gut und Böse
Hat uns genau hier her gebracht

Q: Und da kommt ja auch noch mal die Idee von Gut und Böse vor. Für mich klingt das sehr achtsam und ich verbinde auf eine Art irgendwie etwas Spirituelles. Ich habe mich auf jeden Fall gefragt welche persönlichen Erfahrungen stehen denn hinter diesen Texten? Vielleicht auch Bücher oder Personen?

Mathias Bloech: Ich hatte in den letzten Jahren, wo die Band nicht da war, eine harte Zeit, eine relativ dolle Krise. In der Zeit auch mit Corona ist viel passiert, was mich aus dem Gleichgewicht gebracht hat und und was mich konfrontiert hat mit mir und der Welt. Und da habe ich nach Antworten gesucht für mich: Wie verhalte ich mich denn dazu? Was mach ich denn jetzt eigentlich? Und da sind mir auch ein paar Leute und Bücher begegnet. Aber ich weiß gar nicht, ob das so eine große Rolle spielt, sondern geht es mir eher darum, dass ich wieder diesen Zauber in allem gefunden habe oder auch am wiederfinden bin. Das Knistern und das Magische in den Dingen und das, was einen wirklich berührt. Das ist mir total abhanden gekommen. Das ist mir auf dem Album Idylle von uns im Nachgang aufgefallen. Da war ich weg auf eine Art, also da waren die Systemkritik und die Wortspiele da und das ist schon eine geile Platte. Aber dieses berührt werden Können und Berühren war weg. Ich glaube die Songs jetzt auf dem Album sind entstanden in diesem Versuch, das wiederzufinden. Es gab so eine Situation, da habe ich in meinem Zimmer Gitarre gespielt und dann musste ich irgendwann anfangen zu heulen. Das war voll der Schlüsselmoment für mich, wo ich dachte Ach, krass, stimmt ja. Deswegen mache ich das. Weil ich damit berühren kann und will. Und nicht, um möglichst coole Musik zu machen oder möglichst unkritisierbare Texte zu schreiben. Mir fällt nichts Besseres ein als Zauber oder Magie irgendwie so was in allem ist, in Kontakt ist, in Menschen ist, in der Welt ist, was immer da ist, auch selbst wenn es gerade scheiße läuft oder so.

Mathias Bloech: Hast du die Platte schon gehört oder nur die drei Singles?
Q: Nur die drei Singles.
Mathias Bloech: Einen vierten hörst du heute noch. Heim heißt der. Den bringen wir am 20.12 raus. Da geht es auch darum. Ich merke es auch gerade das erste Mal, dass ich das so formuliere. Ich merke mit jedem Mal, wenn ich mit jemand drüber spreche, wird mir das klarer.

Q: Ich habe heute Morgen am Bahnhof noch mal den Song “Angst hab” gehört vom Album “Vom Wissen und Wollen“.

Ob ich Angst hab?
Natürlich hab ich Angst
Wir alle haben Angst, die Angst beherrscht uns
Und wenn du keine Angst hast, siehst du nicht genau genug hin
...
Wir alle hätten Grund genug, doch sind so gut darin nichts zu tun.
Bringt euch in Sicherheit
Warum ich Angst habe? Wir werden nichts mehr wollen.

Das klingt für mich wie ein Gegenentwurf zu den Texten der neuen Singles. Die neuen Texte klingen nach mehr Licht, sind hoffnungsvoller. Ich frage mich, wieso ist das so? Für mich fühlt es sich im Jahr 2024 an, dass es in meiner und auch der Weltsituation so viel mehr Anlässe gibt, Angst zu haben als 2016.

Mathias Bloech: Ist das so?

Q: In meiner Wahrnehmung persönlich schon, ja.

Mathias Bloech: Wahrscheinlich für mich auch. Und trotzdem fühle ich mich mehr wie ich, als 2016. Ich kann ja nur aus meiner Perspektive singen oder schreiben. Ich wollte einfach keine Platte machen, die einen runterzieht, die mich runterzieht. Ich wollte eine machen, die mir und allen, die sie hören und sich einlassen wollen, auch hilft, aus etwas rauszukommen. Gerade “Angst hab” finde ich einen total starken Song. Aber ich bin nicht mehr einig mit dem, was ich da sage. Ich finde nicht, dass das stimmt, dass wenn du keine Angst hast, siehst du nicht genau genug hin. Also, wir spielen ihn auch heute. Das fühlt sich komisch an, das zu singen. Weil das sagt ja: egal, wie es gerade ist, wenn es dir nicht scheiße geht und du gerade nicht wütend bist, traurig oder ängstlich, dann guckst du einfach nicht genau genug hin. Und das finde ich so eine auf Kritik und das negativ fokussierte Sicht, in der ich damals auch total gesteckt bin und die aber eigentlich nicht meinem Wesen entspricht. Eigentlich bin ich ein sehr positiver Mensch. Also ich glaube oft eher daran, dass alles cool ist, fast naiv. Ich glaube daher kommt die dolle Diskrepanz. Und trotzdem ist da Schmerz. Aber ich wollte nicht mehr herum leiden. Das war zum Beispiel eine Entscheidung, die ich getroffen habe. Ich wollte nicht jammern. Ich finde es irgendwie wichtig, sich mit dem Schmerz auseinanderzusetzen, der da ist und den die Welt auslöst und den wir alle rumschleppen. Manchmal fühlt man sich damit ja total allein, aber am Ende schleppen den doch alle irgendwie rum. Aber ich wollte nicht so rumleiden und rumopfern.

Ich wollte einfach keine Platte machen, die einen runterzieht, die mich runterzieht. Ich wollte eine machen, die mir und allen, die sie hören wollen und sich da einlassen wollen, auch hilft, aus etwas rauszukommen. Gerade “Angst hab” finde ich einen total starken Song. Aber ich bin nicht mehr einig mit dem, was ich da sage.

Q: Die gesamte Diskografie von Heisskalt von Anfang bis Ende zu hören ist echt ganz nice. Man merkt da eine sehr spannende Entwicklung.
Mathias Bloech: Ist ein bisschen creepy auch. Dass das alles so festgehalten ist, das ist richtig krass.

Q: Stimmt, du musst dich ja immer wieder mit deinen alten psychischen Zuständen auseinander setzen.

Mathias Bloech: Ich kann ja auch nicht anders als das schreiben, was ich wirklich fühle. Ich komme nicht klar damit, irgendwas zu schreiben, was ich so nur so halb wahr finde. Ich drehe dann schon jedes Wort immer zehnmal rum, bis ich die Formulierung gefunden habe. Es ist alles ganz schön krass, damit in der Öffentlichkeit zu sein. Manchmal muss ich auch ein bisschen chillen und denken: okay, das sind auch nur Songs.

Q: In den letzten Jahren der Heisskalt-Pause fand sehr viel Selbstreflexion statt. So sagt ihr in Interviews: ihr habt mehr Wertschätzung füreinander, mehr Vertrauen in den Prozess gefunden und kommuniziert auch besser eure Ruhebedürfnisse. Und ihr seid jetzt natürlich auch ganz anders besetzt als 2014. Du hast gerade schon von deiner Tochter geredet. Das ist ja auch was, was sich wahrscheinlich ganz stark in deinem Leben geändert hat. Was ist denn aber gleich geblieben, wenn man Heisskalt 2014 mit 2024 vergleicht?

Mathias Bloech: Der Rock! (lacht). Der Rock ist immer noch da. 2014 ist halt jetzt auch schon einfach zehn Jahre her. Ich weiß nicht, ob irgendwas gleich ist. Ich spiele noch die gleiche Gitarre. Also eine Antwortmöglichkeit wäre: Hey, kauft euch Tickets für unsere Tour nächstes Jahr und findet es raus! Und ansonsten sind wir natürlich irgendwie auch immer noch die gleichen Dudes. Lola ist jetzt dabei und wir hatten auch immer wechselnde Bassisten. Das ist auch gleich geblieben.

Q: Die Veränderung bleibt gleich.

Mathias Bloech: Ja, genau. Am Ende sind wir trotzdem diese Band, viel fühlt sich noch ähnlich an, aber dann irgendwie auch nicht. Ich glaube nicht, dass ich weit genug davon weg bin, um das beurteilen zu können. Ich kann nur sagen, was sich für mich ähnlich anfühlt, ist … ist eigentlich echt sehr wenig, merk ich. Ich fühle mich auf der Bühne anders, körpergefühlsmäßig. Meine Beziehung zu den Leuten ist eine andere, viel tiefer irgendwie. Und es fühlt sich anders an, die Songs zu spielen. Und am Ende ist wahrscheinlich das Ergebnis trotzdem sehr ähnlich…

Q: … Leute sind verschwitzt und glücklich!

Mathias Bloech: Ja genau verschwitzt glücklich und wir auch. Und irgendwie klingt es immer noch nach uns. Aber es fühlt sich anders an für mich.

© Yasmin-Sara Ergen (Bright Grin)


Q: Ich habe noch eine Frage, die ein bisschen studibezogen ist, weil Radio Q schließlich das Campusradio für Münster und Steinfurt ist. Nehmen wir mal den ganz furchtbaren Fall an Heisskalt gab es nie und wird es nie geben. Hättest du studiert? Und wenn ja, welches Fach?

Mathias Bloech: Ich habe Gitarre und Singen studiert. Also quasi JazzPop in Stuttgart, an der Musikhochschule.

Q: Hättest du dann noch einen Master in Gitarre und Gesang gemacht?

Mathias Bloech: Nee, ich glaube, da hätte ich vielleicht noch Filmmusik gemacht. Könnte ich mir auch vorstellen noch zu machen. Ich finde ja Sprache voll interessant. Also vor allem deutsche Dialekte ist ein großes Hobby von mir. Kann man aber auch kein Geld mit verdienen.

Q: Kannst ja die nächste Heisskalt-Platte auf Schwäbisch machen.

Mathias Bloech: Vielleicht ja. Es gibt ja auch ganz viele schwäbische Dialekte. Ich habe mich auch mit dem Johannes von Kind Kaputt mal ganz lange unterhalten, weil der ja Sachse ist und ich wohne in Leipzig. Der hat mir dann auch viele verschiedene sächsische Dialekte sehr, sehr gut vorgemacht. Ich finde das ganz erstaunlich, wie fließend sich Sprache verändert durch die Geographie und wo wir dann die Grenzen ziehen. Es hat eigentlich gar nicht so viel miteinander zu tun, finde ich auch philosophisch interessant. Ansonsten Lehrer oder so vielleicht. Aber meine Tochter ist jetzt auch in der Schule… Ja ne, eigentlich auch nicht…
Q: Zu viel Systemkritik da?
Mathias Bloech: Naja, das ist mir auch zu früh immer. Da muss ich jetzt kurz noch drüber nachdenken. Vorher habe ich gedacht, ob ich vielleicht Instrumentenbauer werde.
Q: Vielleicht wärst du Dialektforscher.
Mathias Bloech: Im Moment habe ich manchmal in diesem Touralltag, wo dann die die Aufgaben und das Ergebnis oft sehr chaotisch weit auseinander liegen, dass ich dann drei Wochen zu Hause in Leipzig bin und Marius in Stuttgart. Dann übe ich da Gitarre, das fühlt sich dann aber gar nicht an, wie: ich arbeite jetzt gerade an der Tour, sondern es fühlt sich eher an, wie ich dödel jetzt hier so rum. Da wünsche ich mir manchmal so was wie Crêpe verkaufen an einem Weihnachtsmarktstand. Fünf Minuten Kundenkontakt und dann ist die Sache erledigt. Also irgendwas mit Kochen könnte ich mir auch gut vorstellen. Ich koche auf jeden Fall unfassbar gerne und man sagt auch ganz okay gut.

Q: Das Jahr 2024 ist ja fast vorbei. Und das bedeutet auch, es kommt bald das Spotify wrapped – dieser Rückblick in die Hörerstatistik. Welche Künstler*innen sind denn bei dir wahrscheinlich ganz weit vorne mit dabei?

Mathias Bloech: Viele Naturgeräusche und so ein Zeug. Ich produziere ja auch noch oder nehme Bands auf und mache Songwriting. Das heißt, ich höre so viel Musik die ganze Zeit und wenn ich dann mal chille, dann höre ich auch mal zum Beispiel Harry Potter oder höre mit meiner Tochter Fünf Freunde. Ich habe ganz viel Drum und Bass gehört dieses Jahr und Low-Fi und viel elektronische Musik. Gerade wenn wir ein Album machen, was jetzt sehr lange war, versuche ich auch immer nicht die Musik zu hören, die wir selber machen. Ich höre dann nicht viel Rockmusik, sondern eher so anderes Zeug, um die Ohren ein bisschen frisch zu halten. Ich bin gerade in diesem Playlisten Ding drin, dass ich jetzt gar nicht so richtig einen einzelnen Künstler oder Künstlerin hervorheben kann, was ich gerade ein bisschen doof finde. Ich wünschte, ich könnte das gerade. Ich habe viel dieses Radio genutzt von Spotify. Ich gebe einen Song ein und dann läuft irgendwas, was mir so ungefähr gefällt. Und dafür hasse ich mich ein bisschen und will eigentlich auch weg da. Wir verdienen auch fast gar nichts damit. Aber ja, der Algorithmus, der macht das schon gut, gell? Kommt jetzt wieder ein bisschen mehr aktive Beschäftigung mit Musik, vor allem auch aus Deutschland. Ich finde, es gibt so richtig geile, viele Bands hier. Kind Kaputt, Lygo, Nikra, Van Holzen.

Q: Eine Band aus Münster sind ja die Donots. Und ich habe gesehen, ihr spielt als Gast bei der 30 Jahre Donots Show am 12.12 hier in Köln. Und was denkt ihr: Wie unterscheiden sich die Fans der Donots mit denen von Heisskalt?

Mathias Bloech: Boah, das müssen wir mal herausfinden. Ich bin selber gar kein Donotfan und habe gar nicht so viel Überschneidung mit denen. Ich freue mich voll, dass wir da spielen können. Und ich kann mich noch total an den Moment erinnern, wo ich als kleiner Bub auf MTV “We’re Not gonna take it” in Erinnerung habe. Das ist so ungefähr der einzige Überschneidungspunkt, den ich mit denen habe. Und ich finde es voll cool, dass Marius sich da angefreundet hat mit einem von denen. Deswegen spielen wir da jetzt. Ich könnte mir vorstellen, dass die vielleicht ein bisschen älter sind, weil die Donots auch ein bisschen älter sind als wir. Unsere Fans empfinde ich als ziemlich süß, sweet oder lieb oder cute, also so freundliche, aufgeschlossene Menschen. Die strahlen immer voll viel Wärme aus. Jetzt will ich natürlich den Donotfans nicht unterstellen, dass sie irgendwie verschlossene, harte, kalte, unfreundliche Leute sind (lacht). Ich könnte mir vorstellen, dass die von uns auf jeden Fall aufs Maul wollen, dass die jetzt nicht zu lieb gehabt werden wollen von uns, sondern dass sie einfach hart berockt werden wollen und dabei 17 Halbe saufen. Und das meine ich überhaupt nicht als Vorwurf, weil es ist auf jeden Fall was total schönes, was man auf einem Konzert machen kann. Mal sehen. Ich bin gespannt.

Q: Das klingt auf jeden Fall sehr schön, wenn ihr die Donot-Fans “hart berocken” wollt.

Mathias Bloech: Was ich total beeindruckend finde ist, wie lange die das schon machen. Die haben auch gerade ein richtig geiles Social Media Game, finde ich. Und auch dass die Fans da immer noch Bock drauf haben und hingehen. Ich habe voll Lust mir von denen auch ein bisschen was abzugucken, mit denen zu quatschen, was die so für Gedanken dazu haben.

Q: Danke für’s Interview!

Matthias Bloech: Danke, dir auch!