Nachbericht – Lollapalooza Festival 2024
Written by Carlotta Aupke on 1. Oktober 2024
Bei 31 Grad im Schatten tut sich eine beeindruckende Kulisse auf: Das in bunten Farben strahlende Olympiastadion, im Hintergrund ein Riesenrad, fünf Bühnen und überall Menschen in sommerlichen Outfits. Am 7. und 8. September fand das zweitägige Lollapalooza Festival im Berliner Olympiapark statt. Es lockte Besucher*innen mit Größen wie Sam Smith, Martin Garrix, The Chainsmokers, OneRepublic, Shirin David, Cro, Niall Horan, Louis Tomlinson oder etwa der K-Pop-Band Seventeen. Die Headliner*innen und Co-Headliner*innen nahmen damit einen Großteil des Line-Ups ein, das abgesehen von ihnen eher kurz blieb. Trotzdem wurde eine Vielzahl an Genres und Zielgruppen bedient und letztendlich bewahrheitete sich definitiv: Die Mischung macht’s!
Der Countertenor Nils Wanderer leitete am Samstagmittag das musikalische Programm ein. Sein Gesang hallte über das sich langsam füllende Gelände. Darauf folgte die Deutsch-Rapperin Ellice und so langsam versammelten sich die ersten Fans vor den Main Stages. Viele Gäste tummelten sich allerdings noch in anderen Ecken des Olympiaparks, um sich einen Überblick über das umfassende Entertainment-Angebot zu verschaffen. Neben der Main Stage North und der Main Stage South, auf denen im Wechsel die bekannteren Pop- und Indie-Künstler*innen auftraten, befand sich im Stadion die Perry’s Stage, deren elektronische Klänge sich auch außerhalb der Stadionmauern Gehör verschafften. Hinter dem Gebäude befand sich die Alternative Stage, auf der insbesondere deutsche Indie-Künstler*innen wie Levin Liam oder Lena & Linus Platz fanden. Es stellt sich jedoch die Frage, wie weit sich das Lollapalooza hier wirklich von einem Mainstream-Publikum wegbewegen wollte. Neben diesen vier größeren Bühnen durften die Festivalbesucher*innen auch auf der Weingarten Stage, dem Kidspalooza und den Ständen der Kooperationspartner des Festivals Musik genießen.
Wer fernab vom Trubel erst mal bei sich selbst ankommen wollte, der konnte an einem der vielen Workshops bei der Fashionstage teilnehmen. So starteten manche vielleicht nicht musikalisch in ihr Festivalwochenende, sondern mit einer Yoga-Session. Am Sonntag ging es weniger entspannt zu, wer da noch nicht allzu erschöpft war und sich einstimmen wollte auf den bevorstehenden Tag auf der Perry’s Stage, hatte die Möglichkeit, an einem Rave Workout teilzunehmen.
Doch nach so einem Workout darf die richtige Stärkung nicht fehlen. Feinschmecker kamen auf dem Lollapalooza auf ihre Kosten. Food Trucks reihten sich auf dem Food Court und in jeder Ecke des Geländes aneinander. Zur Auswahl standen alle erdenklichen Landesküchen, Süßwaren, Fast Food, sogar vegane Baumstriezel. An den unzähligen Ständen hätte man sich durchaus lange aufhalten können, die Musik zog einen aber stets in ihren Bann und zurück zu den Stages.
Vor jedem Act betraten die Sicherheitssprecher*innen vom Festival die Bühne, wobei sie das Publikum aufforderten, sich respektvoll zu verhalten und genug Wasser zu trinken und auf Umstände wie Temperatur und Awareness-Maßnahmen aufmerksam machten. Es wurde großen Wert gelegt auf Awareness-Personal, das an seinen pinken Westen erkennbar war. In Kombination mit den auf dem Gelände verteilten Wasserstationen wirkte das Festival gut auf etwaige Zwischenfälle vorbereitet.
Bei einem derart prominenten Line Up folgte natürlich ein Highlight auf das nächste. Erstes klares Highlight war um 14 Uhr die Indie-Rockband The Beaches. Die Kanadierinnen performten Hits wie „What Doesn’t Kill You Makes You Paranoid“ und „Blame Brett“, bei dem die Crowd ihren Hass auf Ex-Partner*innen herauslassen durfte, was für einen spürbaren Bonding-Moment sorgte. Auch die Ansprache vor dem Song „Edge of The Earth“ widmete Gitarristin Leandra Erl ihrer Ex-Freundin. Die Frage, wer für sie zum Ende der Welt gehen würde, wurde von der Crowd einstimmig beantwortet, eigentlich alle Fans dort. In Interviews erwähnte die Band häufiger, dass sie mit „Edge of The Earth” einen sichtbar queeren Song schaffen wollte, um sich und ihre Fans besser zu repräsentieren. Die vollständig weiblich besetzte Band hat schon mit ihrer Outfitwahl eine klare Ansage gemacht. Jedes Mitglied trug jeweils ein weißes Shirt mit knallrotem deutschen Schriftzug: Die Musikerinnen seien UNANGEPASST, UNSOZIAL, NICHT VERTRAUENSWÜRDIG und UNGESELLIG.
Auf derselben Bühne, jedoch etwas später im Programm, ging es weiter mit Von Wegen Lisbeth, die lange nicht mehr auf der Alternative Stage spielen, sondern ein riesiges Publikum an die Main Stage lockten. Auch für Radio Q ist die Band ein wahrer Klassiker. Songs wie „Meine Kneipe“ oder „Auf Eis“ ließen die Fans lauthals mitsingen. Spätestens bei „Wenn du tanzt“ stand niemand mehr still. In „Elon“ kritisieren Von Wegen Lisbeth den Unternehmer Elon Musk und kapitalistische Strukturen, aber sie scheuen auch nicht davor zurück, Kritik über ihre eigenen Texte zu äußern: Der Titel eines Songs beinhaltet eine sexistische Beleidigung, die die Band so nicht mehr singen möchte und das Publikum wurde deshalb freundlich dazu aufgerufen, die Zeile mit einer nicht-diskriminierenden Beleidigung zu ersetzen. Das Ende des Auftritts kam nicht nur für das Publikum viel zu schnell, für Von Wegen Lisbeth bedeutete das Lollapalooza ihre letzte Show des Jahres.
Was den Samstag und den Sonntag verband, waren die Auftritte von zwei ehemaligen One Direction Mitgliedern, Louis Tomlinson und Niall Horan waren Headliner auf der Main Stage. Neben den obligatorischen One Direction Cover-Songs, zeigten sie aber auch, was sie Solo draufhaben. Louis rockte die Main Stage am Samstag mit Songs wie „Out Of My System” oder „Kill My Mind” und lobte abermals seine Fans. Wer ihn nicht kenne, kenne jetzt zumindest seine Crowd, die ordentlich Stimmung machte, nachdem die ersten Reihen bereits stundenlang für den Auftritt anstanden. Zur selben Uhrzeit einen Tag später zog auch Niall Horan ein großes Publikum an, als er seinen Auftritt mit „Nice To Meet Ya“ einleitete, das manche Besucher*innen möglicherweise als Intro der Reality-TV-Show Are You The One wiedererkannten. Vor allem Hits wie „Black and White“ und „Slow Hands“ schienen den Festivalbesucher*innen bekannt vorzukommen und so wurde gesungen und getanzt, während langsam die Sonne unterging.
Aber noch mal zurück zum Beginn des zweiten Festivaltages, als die Mittagssonne den Festivalgästen richtig einheizte. Mine, ausgestattet mit einer qoolen, orangefarbenen Sonnenbrille, schaffte es trotz der Hitze, die Menge zum Tanzen zu bewegen. Für sie war es die größte Bühne, auf der sie bisher gespielt hatte: “Hab einfach noch nie auf so einer großen Bühne gespielt, ist auf jeden Fall größer als meine Wohnung”. Besonders freute sie sich darüber, die Bühne mit Pop-Legende Sam Smith zu teilen. Die große Plattform nutzte sie direkt, um darauf aufmerksam zu machen, dass privilegierte weiße cis hetero Menschen sich dessen bewusst sein sollten und ihre Plattform nutzen müssten, um sich für die weniger gehörten Stimmen einzusetzen. Außerdem thematisierte sie in einer Ansprache vor ihrem Song „COPYCAT” Diebstahl geistigen Eigentums und fragte die Zuschauer*innen, wie es sein könne, dass so viele Artists Musik kopieren. Mines Musik ist innovativ, sie ist als deutsche Folk-Künstlerin dafür bekannt, bei ihren Live-Auftritten jegliche Instrumente zum Einsatz kommen zu lassen. So wurden melodisch-poppiger Gesang und poppige Texte mit Folk-Elementen untergraben.
Last aber auf keinen Fall least: Der letzte Auftritt am Sonntagabend von Sam Smith war nicht zu toppen, denn die Show bildete nicht nur den Abschluss des Festivals, sondern auch der Gloria Tour, die Sam drei Jahre durch die Welt touren ließ. 1 1/2 Stunden, in denen die Performances inklusive Outfitwechseln und Choreographie einander stetig übertrafen. Sam sorgte für eine Achterbahnfahrt der Gefühle: Angefangen mit der Ballade „Stay With Me”, die von den Stimmen der Festivalgäste getragen wurde und für Gänsehaut sorgte. Ein noch stärkerer Gänsehautmoment ergab sich, als Sam sich emotional und zu Tränen gerührt zeigte. Auslöser war der Applaus des Publikums als Reaktion auf eine Outfit Change: Als nicht-binär*e Künstler*in war Sam in einer schwarzen Robe auf die Bühne getreten. Aber wie gesagt, ein Outfit übertraf das andere und so kam im Laufe des Auftritts noch ein Regenbogenkleid zum Vorschein. Queer Joy war spätestens da zu spüren, als Sam die Crowd anleitete, das Festival in einen Gay Club zu verwandeln. Diese Verwandlung war dann endgültig vollzogen, als der letzte Song des Abends angestimmt wurde: „Unholy heizte der Menge noch einmal richtig ein, man könnte fast sagen, der Live-Auftritt dieses Songs war „gottlos”. Zeitgleich ereignete sich auch auf der Perry’s Stage ein Spektakel. Immer wieder drehten sich Köpfe in Richtung Feuerwerk, das noch von weitem zu sehen waren, als The Chainsmokers für einen gebührenden Abschluss im Olympiastadion sorgten.
Honorable Mentions gibt es von uns für die überraschenden Highlights am Wochenende. Ganz vorne mit dabei war die K-Pop Gruppe SEVENTEEN, deren 13 Mitglieder sich einige Zeit nehmen mussten, um sich vorzustellen. Es folgte ein hochgradig durchchoreographierter Auftritt. Für die Gruppe und ihre Fans war die Performance eine ganz besondere, denn SEVENTEEN traten das erste Mal in Deutschland auf. Dafür waren viele Fans weit angereist, was einen Minuspunkt mit sich brachte: Sie hatten den Front of Stage Bereich schon früh blockiert, sodass Fans von anderen Artists nur mit großem Abstand zur Bühne feiern konnten.
Für Karaoke-Fans war der Auftritt von OneRepublic etwas, bei dem die Band überraschend viele Hits spielte, inklusive eines Pop-Medleys. Außerdem hatten sich Besucher*innen auf den Sommerhit des Jahres 2024 gefreut. „Bauch Beine Po“ performte Rapperin Shirin David am Ende ihres Sets gleich zweimal hintereinander. Nicht nur Ski Aggu stieß als Surprise Guest dazu, Shirin holte für die zweite Runde noch einen Fan auf die Bühne. Das Lollapalooza bescherte uns damit an zwei Tagen wirklich ein Highlight nach dem Nächsten. Wir freuen uns schon auf das nächste Jahr und eine hoffentlich genauso wilden Musik-Mix.
Titelbild Credits: Fabian Kirchner