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Studie zu Tampons löst Panik bei Verbraucher*innen aus

Written by on 31. Juli 2024

Eine Studie zu Metallen in Menstruationsartikel sorgt in den Sozialen Medien für viel Aufsehen. Warum wir weiterhin Tampons verwenden können und nicht alles glauben sollten, was viral geht.

Eine Studie zu Metallen in Tampons geht viral

“Tampons enthalten unter anderem Arsen und Blei” , “Gift in Millionen Tampons gefunden”. Solche Schlagzeilen habe ich in den letzten Wochen vermehrt gelesen und auch die sozialen Medien sind voll von Influencer*innen, die vor dem Gebrauch von Tampons warnen. “Einige dieser Metalle lösen sich aus den Tampons, wenn man sie in Wasser bei 37 Grad legt, was der menschlichen Körpertemperatur entspricht”, berichtet ein Rundfunkhaus.

Auslöser dieser Clickbaiting-Debatte ist eine Publikation von Forschenden der Columbia University.  Die in der Zeitschrift “Environmental International” veröffentlichte Studie untersucht die Konzentrationen von 16 verschiedenen Metallen und Halbmetallen in 30 Tampons. Ich verstehe die Sorge von Verbraucher*innen, aber als Wissenschaftlerin bin ich bei derartigen Schlagzeilen doch erstmal skeptisch und habe die Original Publikation genauer unter die Lupe genommen.

Tampons in  Vitro Studie untersucht

Die untersuchten Tampons stammen von 14 unterschiedlichen Marken und umfassen 18 verschiedene Produktlinien. Die Studie vergleicht die Metallkonzentrationen basierend auf den spezifischen Eigenschaften der Tampons, einschließlich Bio- vs. Nicht-Bio-Tampons, Tampons, die in der EU, im Vereinigten Königreich und in den USA gekauft wurden, Tampons mit Plastikapplikator gegenüber ohne Applikator und No-Name- gegenüber Marken- Tampons, um mögliche Unterschiede und Risiken zu identifizieren. 

Die Proben werden mit Hilfe von  induktiv gekoppelter Plasma-Massenspektroskopie (ICP-MS) analysiert. Diese Technik ermöglicht es auch, geringe Konzentrationen von Metallen und anderen Elementen in einer Probe zu bestimmen. Hierfür werden die Tampons in Salpetersäure (HNO3) gelöst. Anschließend wird die Probe durch eine stufenweise Erhöhung von Raumtemperatur auf 180°C erhitzt, für 20 Minuten gekocht und analysiert.

In allen Proben konnten Metalle nachgewiesen werden, darunter auch Arsen, Blei und Quecksilber.  Diese Stoffe sind giftig und können in größeren Mengen gesundheitsschädlich für den Körper sein.

Reale Bedingungen einer Vagina

In diesem Experiment wird 70 prozentige Salpetersäure mit einem pH-Wert von 1 verwendet. Es handelt sich hier also um eine starke Säure.  Die Methode, die verwendet wurde, ist eine Standardmethode um Metalle nachzuweisen. Aber sie hat mit unserem Körper nichts zu tun. Eine normale Scheidenflora hat einen pH-Wert zwischen 3,8 und 4,4 und ist damit leicht sauer. Die menschliche Körpertemperatur bewegt sich zwischen 36 und 38 Grad Celsius. Die im Experiment herrschenden Bedingungen unterscheiden sich stark von den Voraussetzungen in einer Vagina.

Woher kommen die Metalle in den Tampons?

Tampons sind so konzipiert, dass sie Flüssigkeit absorbieren. Ob sich die Metalle überhaupt unter Normalbedingungen aus dem Tampon lösen, ist fraglich.

Die Forschenden wissen nicht genau, wie die Metalle in die Tampons gelangt sind. Aufgrund der hohen Konzentration von Cadmium oder Zink wird vermutet, dass diese Elemente also antimikrobielle Wirkstoffe, in der Herstellung zugefügt werden.   Möglicherweise ist die Baumwolle durch Pestizide, den Ackerboden oder Wasser in Kontakt mit den Metallen gekommen. 

Klar ist jedenfalls, dass Tampons aus Watte bestehen. Diese Watte ist mit Viskose verfeinerte Baumwolle und Viskose wiederum wird aus Cellulose gewonnen.  Um so einen Tampon also perwollweiß zu bekommen, steckt eine Menge Chemie.

Statistik und Studienlage

Wir müssen die Studie in Bezug setzen. Eine Studie mit einer kleinen Stichprobe von 30 verschiedenen Proben ist nicht repräsentativ. Um sinnvolle und konkrete Aussagen zu machen, müssten tausende Proben analysiert werden.  Das Team um Katrin Schilling ist sich der Limitationen des Experiments bewusst: ”Wir haben nicht genügend Proben, um statistische Unterschiede nach Saugfähigkeit, Marke oder Hersteller zu bewerten, da wir uns auf die Einbeziehung möglichst vieler Marken konzentrierten, um ein repräsentatives Bild der Metallkonzentrationen in Tampons zu erhalten”.  Des Weiteren konnten die in den USA und EU/vereinigtes Königreich gekauften Tampons nicht vollständig verglichen werden, da die Anzahl dieser Proben begrenzt war. Zudem erhöhen die vielen statistischen Tests die Möglichkeit von Fehlern “1. Art (“falsch positiv”)”.

Vergleich der Metallkonzentrationen

Auf der anderen Seite sind die Konzentrationen der Metalle extrem gering.  Am Beispiel von Blei wurde in  der Studie ein Mittelwert von 0,12 µg pro g gemessen. Ein Tampon hat ein Gewicht von ca. 2 Gramm. Die vermeintlich enthaltene Menge Blei pro Tampon liegt somit bei ca. 0,24 µg. Zum Vergleich: Unser Grenzwert für Trinkwasser ist mit 10 µg pro Liter knapp 40- mal höher.

Müssen wir jetzt aufhören Wasser zu trinken? Natürlich nicht! Überall sind Spuren von Metallen nachzuweisen – Deshalb gibt es auch vorgeschriebene Richtwerte für Lebensmittel, Kleidung und Co. Im Übrigen sind die Konzentrationen von Blei oder Quecksilber in Lebensmitteln wie Schokolade oder Fisch auch nicht zu vernachlässigen. Und im Gegensatz zu Tampons nehmen wir diese Produkte direkt auf. 

Tampons in  Vivo Studie untersucht

Verschiedene Studien [1,2]untersuchten bereits den Zusammenhang von Metallen und der Benutzung von Tampons an menstruierenden Proband*innen. “Es  wurden schwache Zusammenhänge von Zink und Cobalt festgestellt. Zusammenhänge mit anderen Metallen waren nicht signifikant.”

Zukünftige Forschung ist erforderlich, um das Vorhandensein von Verunreinigungen in Tampons zu bewerten und die Absorptionsraten solcher Chemikalien über die Vaginalschleimhaut zu bestimmen. Die Studie um Katrin Schilling sollte aber nicht der Grund sein auf Tampons zu verzichten.

Warum wir trotzdem auf Tampons verzichten sollten

Die Periode ist eine finanzielle Belastung für Menstruierende

Der Tampon ist das beliebteste Menstruationsprodukt. Menstruierende verwenden pro Jahr durchschnittlich 200 -, auf das gesamte Leben sind es  7600 Tampons. Der Marken-Tampon kostet pro Stück 15 Cent (Sind wir mal ehrlich, die Billigteile sind meistens unbequem und sitzen nicht richtig).

Über 1000 € gibt eine menstruierende Person nur für Tampons aus.

In dieser Rechnung sind zusätzliche Pads, Schmerzmittel, oder neue Unterwäsche, weil die alte komplett fleckig ist, nicht mal mit inbegriffen. Wenn wir all diese Faktoren berücksichtigen, kommt im Laufe des Lebens einer menstruierenden Person ein Betrag von 7000 € zusammen.

Tampons sind eine Belastung für unsere Umwelt

Tampons sind vor allem Müll: Plastikfolie, Applikator, Verpackung und Tampon an sich –  all das landet in der Tonne. Mittlerweile gibt es aber viele günstige und vor allem nachhaltige Alternativen. Lasst euch am besten bei der nächsten Vorsorgeuntersuchung von eurer Gynäkolog*in beraten, welches Produkt am besten zu euch passt. 

 Bildequellen: pixabay: 1, 3 unsplash: 2