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Fettes Brot auf Abschiedstour: Ein letztes Mal Hamburg in Münster

Geschrieben von am 13. Mai 2023

Schiffscontainer und die Hamburger Hafen-Skyline, ein kleiner Fischkutter namens Yasmin und eine aufblasbare Riesen-Möwe mit 6 Meter Spannbreite – vor dieser Kult-Kulisse verabschiedete sich Fettes Brot vergangenen Freitag nach über 30 Jahren Bandgeschichte in der Halle Münsterland in ihren wohlverdienten Ruhestand. Radio Q-Reporterin Franziska Specker war für euch beim Abschiedskonzert von Fettes Brot live dabei. 

Papa und Papa und Papa trennen sich – so kündigte Fettes Brot alias König Boris, Doktor Renz und Björn Beton im vergangenen Jahr nach fast 30 Jahren Bandgeschichte ihren musikalischen Abschied auf Instagram an. Doch ganz Norddeutsch haben sie jede mögliche melancholische Gefühlsdöselei direkt im Keim erstickt. Vielmehr luden sie “zu verrückten, finalen Festspielen” ein und haben dann nicht weiter geschnackt, sondern gesagt, getan. Es folgten die Termine der Abschiedstour, eine Greatest Hits Platte namens “Hitstory” und der Abschiedssong “Brot weint nicht”. Und dieses Lied sollte auch Programm an diesem Abend in Münster werden.

“Brot weint nicht” – Der Abschiedssong von Fettes Brot.

Die Ausgangsvoraussetzungen dafür konnten nicht besser sein. Die Stimmung vor Konzertbeginn war sehr entspannt. Die Leute trudelten nach und nach in ausgelassener Stimmung zur ausverkauften Halle Münsterland. Dem aufmerksamen Beobachter musste allerdings etwas auffallen. Zum einen, dass nicht nur Bierchen, sondern auffällig viel Proseccodösschen in den Händen Richtung Konzerthalle wanderten, zum anderen dass das Durchschnittsalter des Publikums deutlich über dem unserer Hörerschaft beim Studierenden-Radio lag. Und schließlich, dass zwischen diesen beiden Fakten sicherlich eine Korrelation besteht. Nach ein paar Gesprächen mit verschiedenen Konzertbesucher_innen wurde dieser Eindruck nur deutlicher. Viele haben an diesem Freitagabend die Kinder mal bei den Großeltern abgegeben und wollen ihre Jugend mit dem dazugehörigen Soundtrack von Fettes Brot noch einmal aufleben lassen. Gesungen werden sollten die Klassiker wie “Bettina”, “Erdbeben”, “Emanuela” und “Schwule Mädchen”. Gewünscht wurde sich dazu bitte ordentlich Bass, Party-Stimmung und eine gut gelaunte Zeitreise zu den frühen 2000er Jahren, in denen Fettes Brot die passende Musikuntermalung für diverse Haus- und WG-Partys stellte, an die sich viele noch heute gerne erinnern.

Und die Erinnerung wurde zu Beginn des Konzerts auch für alle nochmal bildlich aufgefrischt. Auf der weißen Leinwand, die vor Konzertbeginn das Hamburgische Bühnenbild verbarg, wurde eine Diashow mit Bildern aus den über 30 Jahren Fettes Brot abgelichtet: Vom Band-Beginn, den ersten kleinen Auftritten und Erfolgen, über Schnappschüssen aus den größeren Musikvideos und Preisverleihungen, hin zu Fotos von den jüngsten Gigs auf einem Kutter, der an verschiedenen Anlegestellen am Hamburger Hafen zum Konzert einlud. Zugegeben, da hätte man fast ein Tränchen verdrücken können. Aber die aufkommende Melancholie wurde direkt mit großem Knall aufgelöst, als die Leinwand plötzlich fiel und aus dem Boxen “Jein” erschallte. Das Publikum war direkt dabei, grölte mit und Fettes Brot machte das Versprechen: “Sentimentaler als das wird es heute nicht werden, denn wir sind die Mutter aller Partybands!” Und die Mutter aller Partybands servierte nach diesem Opener auch direkt den nächsten Knaller namens “Erdbeben” hinterher, abgerundet mit einem fetten Remix desselben Songs, der die Leute springen ließ, dass der Boden tatsächlich etwas wackelte. 

Da die Halle komplett ausverkauft war, war es mit dem Tanzen allerdings gerade direkt vor der Bühne eher schwierig. Fettes Brot schaffte es aber dennoch, die Leute ordentlich in Bewegung zu bringen. Das lag wohl zum einen an den herausragenden Musikern auf der Bühne. Denn neben den Rap-Papas sorgten DJ, Bassist, Schlagzeuger, Gitarrist und zwei erstklassige Bläser für das perfekte Live-Erlebnis. Zum anderen haben sie es immer wieder geschafft, das Publikum zu animieren – sei es durch das Verteilen von Blumen, kurze Band-Anekdoten oder ein kleines Pop-Quiz zwischendurch. Dabei stellte sich heraus, dass Lizzo mit ihren Songs für die meisten aus dem Publikum eher ein Fremdwort ist, aber das Mitgrölen von “Call me maybe” von Carly Rae Jepsen sehr gut läuft. “Was sagt das jetzt über euch aus?”, witzelte Boris. Die Antwort darauf ist wohl spätestens nach der perfekt funktionierenden Laola-Welle hinfällig geworden. 

Und tatsächlich merkte man auch, dass die neueren Songs von Fettes Brot vielen Fans nicht so leicht von den Lippen gingen, wie die alten Klassiker. Aber durch die gute Show und die solide Mischung aus neuen Songs, wie “Ich liebe mich”, “Denxu” und “Ich hab sie alle geliebt”, und älteren Songs, wie “Wär das nicht derbe?”, “Amsterdam” und “The Grosser”, wurden auch die Gelegenheitsfans mit Leichtigkeit mitgezogen. Zum großen Finale kam dann, was kommen musste: “Nordisch by Nature” – der Song, der Fettes Brot den ersten Chart-Hit bescherte und nicht mehr wegzudenken ist. Und trotz der schnellen Abfolge in diesem Posse-Cut, teilweise sogar auf Plattdeutsch, war das Publikum textsicher wie eh und je. Als direkt danach “Emanuela” ertönte, war die Nostalgie perfekt – die ganze Halle sang mit und sprang zu der Geschichte von Emanuela.

Mit “Nordisch by Nature” sollte der Abend allmählich zu Grabe getragen werden.

Weil man bekanntlich aufhören soll, wenn es am schönsten ist, kündigte Doktor Renz dann aber an, dass nun das letzte Lied komme. Liebevoll und mit dem für Fettes Brot so typischen Wortwitz, gab es noch einen letzten Gruß an die Fans: “Ich hoffe, ihr werdet mit einem weinenden und einem blauen Auge nach Hause gehen”. Der letzte Song ertönte, der Abschiedssong aus 2022, “Brot weint nicht” und der anschließende Applaus wurde säuberlich in einem kleinen verschraubbaren Glas eingefangen – für schlechte Zeiten. Dann fiel der Vorhang. Das war’s.

Wirklich? Natürlich nicht. Das wäre viel zu wenig für die angekündigten verrückten, finalen Festspiele. Fettes Brot kam zurück. Diesmal die drei ganz alleine, lediglich bewaffnet mit Schlagzeug, Gitarre, Bass und einem Kazoo. Back to the roots – sie wollten zeigen, was wohl gewesen wäre, wenn sie keine Hip-Hopper geworden wären. Und das wäre scheinbar eine kleine Band namens “FBFB & Unfug” gewesen. Hier werden die Instrumente noch selbst gespielt und immer wieder improvisiert. So wurde mit einem spontanen Song über Münster der Lokalpatriotismus noch ein bisschen angeheizt und auch die Akkustikversion von “Echo” war für Hardcore-Fans sicherlich ein Fest. 

Die kleine “Zugabe” in Schülerband-Manier.

Das Highlight des Abends sollte jetzt aber noch kommen, denn ein paar aus der Diskographie nicht wegzudenkende Songs wurden an diesem Abend noch nicht gespielt. Einer davon war “An Tagen wie diesen”. Und weil dieser zeitlose Hit untrennbar mit Pascal Finkenauer verbunden ist, wurde ebendieser kurzerhand als Überraschungsgast auf die Bühne geholt. Mit derselben Stimmgewalt wie vor 18 Jahren gesungen, trifft dieser Track immer noch mitten ins Herz und ist wohl auch aktueller denn je. Pascal Finkenauer holte sich seinen verdienten Applaus ab und danach setzte Fettes Brot diesmal tatsächlich für seine letzten beiden Songs an: nochmal die Original-Version von “Erdbeben” und “Schwule Mädchen”. Spätestens hier war dann alles egal. Trotz der Enge in der überfüllten Halle wurde ein Moshpit eröffnet und sich noch ein letztes Mal für Fettes Brot blaue Flecken geholt. Am Ende des Abends war der Großteil des Publikums nassgeschwitzt und glücklich. Und Fettes Brot wohl auch. Sie bedankten sich bei den Fans, ließen sich noch einmal feiern und verließen die Bühne – diesmal wirklich – ein letztes Mal für immer.

Die Stimmung im Anschluss war aber nicht traurig oder melancholisch. Eher im Gegenteil: Als Rausschmeißer-Song wurde passender Weise “Ich liebe das Leben” von Vicky Leandros gewählt. Und die gut gelaunte, nun überwiegend angetrunkene Publikumsmasse machte sich, diesen Schlager mitträllernd, in Richtung Ausgang auf. An diesem Abend gab es kein emotionales Gesülze, eher norddeutsche Trockenheit und ein gewisser Pragmatismus mit guter Stimmung, der wohl für alle Beteiligten perfekt war. Denn weder die Fans noch Fettes Brot selbst wollten an diesem Abend Melancholie und Trauer, sondern Spaß, Freude und den Abschied wortwörtlich feiern. 

Bei der typischen Gratwanderung eines Abschiedskonzerts zwischen Euphorie und Nostalgie hat Fettes Brot sich eindeutig für Euphorie entschieden.  Und das passt auch zu dem, wofür Fettes Brot immer stand: Wortwitz, Positivität und ganz viel Liebe. Man kann von Fettes Brot und der Entwicklung des Deutschrap halten, was man möchte, aber muss zugeben: Fettes Brot hat die Musikgeschichte bedeutend geprägt. Fettes Brot hat gezeigt, wie gut deutscher Sprechgesang funktionieren kann, als deutscher Hip-Hop noch ganz klein war und am Anfang stand. Im Laufe ihrer Karriere haben König Boris, Doktor Renz und Björn Beton damit nicht nur viele Fans durch ihre Jugend begleitet und die schönsten Party-Hits geschenkt. Sie haben auch mit ihrer einzigartigen humoristischen, positiven Art ein Kapitel deutsche Rapgeschichte geschrieben, das nun nach über 30 Jahren mit ordentlich Bass zu Ende geht. Weil Brot ja nicht weint, bleibt deshalb nur in geforderter Kürze zu sagen: Danke, Fettes Brot, es war derbe. Ihr geht zwar, aber eure Hits bleiben für immer. Grüße nach Hamburg.