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Falschparken als Dauerproblem

Geschrieben von am 30. Januar 2020

Im Februar stehen einige Änderungen in der Straßenverkehrsordnung an. Darunter sollen sich die Bußgelder für Falschparker*innen erhöhen. Der Grund: Der Verkehr soll insbesondere für Radfahrende sicherer werden. Wer auf Geh- oder Radwegen parkt, soll in Zukunft 55 Euro zahlen, statt wie bisher 20 Euro. Das Bundeskabinett sowie der Bundestag haben dem Entwurf zugestimmt. Jetzt muss noch der Bundesrat grünes Licht geben. Radio Q hat sich die Situation in Münster angeschaut. Und so viel steht fest: Falschparken ist hier ein Dauerproblem. Eine Bestandsaufnahme.

Parken im Halteverbot in der Scharnhorststraße

Wie in vielen anderen Städten passiert es in Münster täglich: Autos stehen auf Geh- bzw. Radwegen, in Halteverbotszonen oder an Kurven. Die Zahl der Anzeigen gegen Falschparker*innen ist zuletzt stark angestiegen. 2018 waren es 72.908 Anzeigen, ein Jahr später flatterten 86.454 Anzeigen bei der Stadtverwaltung rein. Das entspricht einer Steigerung von rund 19 Prozent. Immer mehr Radfahrende und Fußgänger*innen sind mit dem Verhalten ihrer Mitmenschen nicht einverstanden und melden Verstöße.

Wo taucht Falschparken auf?

Bereits bei einem Mittagsspaziergang in der Nähe der Radio Q-Redaktion zeigt sich: Es parken einige Autofahrer*innen an Stellen, die nicht dafür vorgesehen sind. In der Körnerstraße, Scharnhorststraße und An den Bleichen werden Halteverbote oftmals nicht eingehalten. Persönliche Erfahrungsberichte bei Twitter spiegeln ähnliche Situationen wider. So schreibt Bernd zum Beispiel, dass auf dem Niedersachsenring dauerhaft Autos auf dem Radweg stehen. Malte beobachtet immer wieder Falschparker*innen auf dem Hohenzollernring. Und Fred sieht regelmäßig im Kreuzviertel Autos, die in Kurven und auf den Gehwegen geparkt sind. Hier sei an vielen Stellen zu wenig Platz für Rollstuhlfahrende oder Eltern mit Kinderwagen.

Doch wo sind allgemein die Hotspots? Die Karte der Falschparker-App Wegeheld gibt Hinweise darauf. Die allermeisten Einträge konzentrieren sich auf den Innenstadtbereich. Hier gehören vor allem das Hansaviertel, das Südviertel südlich der Augustastraße und das Erphoviertel zu den häufig gemeldeten Stellen.

Was unternehmen die Stadt und die Politik gegen Falschparker*innen?

Mitarbeiter*innen des Ordnungsamts sind dafür zuständig, parkende Autos im Stadtgebiet zu kontrollieren und Verstöße zu sanktionieren. Im Klartext bedeutet das: Sie verteilen Knöllchen oder lassen in schwereren Fällen das Auto abschleppen (2019: 1996 Fälle). Unter bestimmten Bedingungen bleiben Parkverstöße auf Gehwegen außerhalb des Promenadenrings jedoch ungeahndet. Als Grund dafür führt die Stadt an, dass in einigen Vierteln ein hoher Parkdruck herrsche. Sofern ein Meter Platz auf dem Gehweg vorhanden bleibt und die geparkten Autos den Verkehr nicht konkret gefährden, könne das Ordnungsamt nach dem sogenannten Opportunitätsprinzip vorgehen. Ausnahmen sind die Bereiche vor Grundschulen, Kitas, Altersheimen, Krankenhäusern oder auch Mehrgenerationenhäusern. Hier dürfen Autos grundsätzlich nicht parken.

Für das schwarz-grüne Bündnis im Stadtrat ist das Vorgehen nicht weitreichend genug, weshalb es zuletzt fünf zusätzliche Arbeitsplätze im Ordnungsamt geschaffen hat. “Dass von Seiten der Verwaltung das PKW-Parken auf Fuß- und Radwegen toleriert wurde, muss ein Ende haben”, heißt es in einer Stellungnahme der Grünen gegenüber Radio Q. Das Bündnis hofft, dass durch mehr Mitarbeiter*innen Parkverstöße künftig konsequenter geahndet werden.

Außerdem wurden im vergangenen Jahr durch den Stadtrat neue Qualitätsstandards für Fahrradstraßen beschlossen. Demzufolge soll die Fahrbahn mindestens vier Meter breit sowie rot gefärbt und Parken höchstens nur noch auf einer Seite möglich sein. Auf der Bismarckallee ist letztgenannter Aspekt bereits im Herbst durch ein einseitiges Halteverbot umgesetzt worden, wobei das Ordnungsamt hier Falschparker*innen laut eines Berichts der Westfälischen Nachrichten bis Anfang Januar bei Kontrollen lediglich mündlich verwarnt hat. Die neuen Standards sollen laut Beschluss als nächstes auf der Goldstraße eingeführt werden, in den anderen Fahrradstraßen sollen sie nach und nach greifen.

Eine weitere Maßnahme gilt ab Februar auf dem Alten Fischmarkt. Hier besteht nun auch zwischen den Einmündungen der Straße ein absolutes Halteverbot, wobei zwischen 19 und 11 Uhr Lieferfahrzeuge be- und entladen dürfen.

Statement der Feuerwehr zur aktuellen Situation

Falschparken kann im schlimmsten Fall dazu führen, dass Löschfahrzeuge nicht schnell genug zum Einsatzort kommen. Zwar sei es noch nicht dazu gekommen, dass die Feuerwehr bei Einsätzen Autos touchiert hat oder sie diese von der Polizei oder dem Ordnungsamt abschleppen lassen musste, jedoch stellt sie fest: Es werde insgesamt enger und dichter in der Stadt, wodurch sie schwieriger durch die Straßen kommt. Zeit ist bei Einsätzen der Hauptfaktor, deshalb appelliert die Feuerwehr an Autofahrer*innen, sich an die Verkehrsregeln zu halten, nur gekennzeichnete Parkflächen zu nutzen und Feuerwehrzufahrten freizuhalten. Gerade Feuerwehrzufahrten sind wichtig, wenn in Treppenhäusern brennender Häuser Rauch stehen sollte und eine Drehtleiter zum Einsatz kommen muss.

Kritik von Fahrrad-Initiativen

Die Initiative Kidical Mass bei einer ihrer Radtouren durch die Innenstadt.

In Münster gibt es mehrere Gruppen, die sich mit dem Thema Falschparken auseinandersetzen. Eine davon ist die Initiative Kidical Mass. Sie besteht größtenteils aus Eltern, die sich dafür einsetzen, dass insbesondere Kinder sicher mit dem Fahrrad durch den Straßenverkehr kommen. Aus Sicht von Kidical Mass arbeitet das Ordnungsamt nicht so konsequent, wie es sollte. “Ich habe das Gefühl, die Stadt hat sich in eine Kapitulationshaltung begeben, ” meint das Mitglied Stefan Blume und bezieht sich dabei vor allem an die Berufung der Stadt auf das Opportunitätsprinzip. Geparkte Autos an Gehwegen oder Kreuzungen gefährdeten die Sicherheit von junger Menschen, da sie somit den Verkehr schlechter einsehen können. Und da Kinder bis zum 10. Lebensjahr den Gehweg zum Fahrradfahren nutzen sollen, ist oft der Sichtkontakt zu den Eltern unterbrochen, die wegen Platzmangel auf der Straße fahren. Ändern müsste sich nicht nur, dass das Ordnungsamt häufiger bei Falschparker*innen durchgreift, sondern auch die Einstellung aller Bürger*innen in der Stadtgesellschaft. “Grundsätzlich wünscht man sich ein Miteinander, das funktioniert,” meint Jessica Ludzik von Kidical Mass. Das sei jedoch nicht gegeben, wenn Autofahrer*innen öffentlichen Raum für sich beanspruchen und dies in den meisten Fällen keine gravierenden Konsequenzen hat.

Die Interessensgemeinschaft Fahrradstadt.ms sieht das genauso. Autofahrer*innen müssten sich von dem Anspruch entfernen, möglichst nah an der Haustür parken zu wollen. “Das ist ein Luxus, den hat man den Menschen viele Jahre gegönnt,” erläutert Martin Becker, ein Mitglied der Gruppe. Es gehe nicht darum, Autos komplett aus der Stadt zu verbannen, jedoch müssten Gehwege von allen genutzt werden können und nicht nur von Einzelnen. Damit sich etwas ändert, braucht es aus Sicht von Fahrradstadt.ms es wesentlich mehr Carsharing-Stellen in der Stadt. Eine ausreichende Abdeckung könnte Münsteraner*innen dazu bewegen, den eigenen Wagen abzuschaffen. Das schafft wiederum Platz für Straßenzüge nach niederländischem oder dänischem Vorbild: mit mehr Grünflächen, ohne Bordsteinkante und Fahrradstellplätzen im Straßenraum. Für Menschen, die auf ein eigenes Auto angewiesen sind, müsste es das sogenannte Quariersparken geben, also Bereiche, in denen Parkplätze gebündelt sind. Das setzt jedoch auch voraus, dass sie von dort aus gut mit dem Bus oder Fahrrad wegkommen.

Ein Ausblick

In knapp einer Woche (6.2.2020) ist die Handhabung des Ordnungsamtes, Gehwegparken mit einer Restbreite von einem Meter zu tolerieren, Thema im Planungsausschuss der Stadt. Das Ganze hat die Inklusionskommission angestoßen. Sie fordert, dass die Regelung geändert wird und mindestens 1,20 Meter Platz zwischen dem Außenspiegel eines Autos und dem Ende des Gehweges bleiben muss, damit Rollstuhlfahrende besser vorankommen.

Zudem organisieren die Fahrrad-Initativen in den kommenden Wochen weitere Aktionen: Im Februar und März will Fahrradstadt.ms zum Beispiel eine kritische Radtour mit Politiker*innen durchführen. Mitte März plant die Initiative Kidical Mass eine Radtour mit Kindern durch die Innenstadt, um auf das Thema “Sicherheit für Fahrradfahrer*innen im Straßenverkehr” aufmerksam zu machen. Die Tour ist Teil einer erstmaligen bundesweiten Aktion, an der über 40 Städte teilnehmen.

Autorin: Brigitte Lieb