Current track

Title

Artist

Current show

Current show


MS Dockville 2025 – Ein Nachbericht

Written by , on 3. September 2025

“Dockville si, Langeweile no”

Das MS Dockville am 15. und 16. August, Hamburg Wilhelmsburg, ungefähr 50.000 Besucher*innen und insgesamt rund 48 h Spaß, Sonne, großartige Kunst, nice Konzerte & Veranstaltungen – und wir beide, Fee und Marie, mittendrin. 

Ehrlich gesagt hätte man sich auf dem Dockville mit Aktivitäten wie einem Goldschmiede-Workshop, Anstehen zum Aura-Reading neben dem Büchercafé und Dosenwerfen gut und gerne den ganzen Tag mit Dingen abseits der Musik beschäftigen können. Wir waren aber eigentlich für Musik und Vorträge vor Ort. Deshalb folgt zunächst eine Zusammenfassung unserer On-Stage-Highlights der beiden Festivaltage:

Freitag

Gänsehaut gehabt: min. 5x

Schritte gelaufen: ca 21.560

Sticker bekommen: 8

Bier getrunken: (nur) 3

Talks gehört: 3

Der Freitag hätte für uns beide nicht besser beginnen können, denn nachdem wir schon sehr früh auf dem Festivalgelände waren, sind wir zufälligerweise über den Soundcheck von Raye gestolpert. Von der Wiese aus konnten wir der Band zuhören und uns auf die Show am Abend freuen. Ein Erlebnis, was wir definitiv so schnell nicht vergessen werden und welches uns den ersten Gänsehautmoment des Tages bescherte.

Nachdem wir uns von dieser Erfahrung wieder erholt hatten, ging es mit dem “kulturellen Einstieg” ins Festival weiter. Unsere erste offizielle Veranstaltung des Tages war die Lesung von Svea Mausolf im “Nest”. Die versteckte Stage war mit den schattigen und sonnigen Sitzplätzen die perfekte Bühne für eine solche Lesung. Wir hörten Ausschnitte aus “Image”, dem Debütroman der Meme-Queen, die sich mit viel trockenem Humor außerdem einigen Fragen zu ihrem Schreibprozess stellte. Auf die Frage, woher sie die Inspiration für ihre alltagsnahen Memes und Texte nimmt antwortete sie mit:

Chill
Svea Mausolf (Foto: Gutkind)

“Einfach mal ohne Kopfhörer Bahn fahren, oder im mittleren Teil vom Aldi stehen, Banger.

Nach der Lesung ging es zu einer Veranstaltung von CORRECTIV. Dort haben Chefredakteurin Anette Dowideit und ihr Kollege Sebastian Haupt über Rechtsextremismus in Deutschland, ihre Recherchen zu dem Fall “Geheimplan gegen Deutschland” vom Januar 2024 und ihre Aufgaben als Journalist*innen berichtet. Ihre Message: “Nicht aufzugeben und auch seiner Bekanntschaft und Verwandtschaft die goldene Brücke zu bauen, dass sie nicht in dieser Ecke bleiben müssen”. Wir fanden es super interessant auch mal die Gesichter zu sehen, die hinter der Recherche stehen und sehr wichtig, über solche Themen informiert zu bleiben.

Den Abschluss unseres nicht-musikalischen Programms bildete dann der Talk von Matilda (Litereraturprofi) und Moé (Rapper), in dem die beiden die Wichtigkeit von persönlichen Safe Spaces zum Schreiben, dem Einfluss von Social Media auf den kreativen Prozess und ihren Einstieg in die Welt des Raps mit Eminem kritisch durchleuchtet haben. Danach wurden die Texte von Moe literarisch seziert. Vor allem das hat sich ein bisschen so angefühlt wie eine Deutschunterrichtsstunde, nur dass dieser Deutschunterricht zur Abwechslung mal modern und interessant war. 

Chill
The Last Dinner Party (Foto: @aaaaaaaaashe)

The Last Dinner Party …

… haben eine Show abgeliefert, die in Erinnerung bleibt. Alle fünf Musikerinnen haben uns mit ihrer Stage Presence stark beeindruckt. Hier lautete das Motto: “Banger after Banger after Banger” und das absolute Highlight: Abigail (die Frontsängerin der Band) hat beim Barricade Run unsere Hände berührt, 3 mal, wow.

Royel Otis …

… sollten eigentlich direkt nach The Last Dinner Party spielen. Leider mussten die beiden ihre Show schon frühzeitig abbrechen, da Roy aufgrund einer Virusinfektion so krank war, dass er auf der Bühne zusammengebrochen ist. (Gute Besserung und vielleicht sehen wir sie ja beim nächsten Mal).

Chill
Royel Otis (Foto: Alex Wall)
Chill
Raye (Foto: @aaaaaaaaashe)

Raye…

… und ihre zehnköpfiges (!) Ensemble bildeten den krönenden Abschluss eines sehr schönen Festivaltages. Die Show war so außerordentlich gut, dass Staub im Gesicht, Schmerzen in den Füßen und ein deutlich zu kühles Outfit zur Nebensache wurden. Nicht nur, dass Raye eine super talentierte Sängerin ist, sie hatte das Publikum mit ihrer extrem sympathischen Art während des kompletten Sets auf ihrer Seite. Jeder Song hat uns sofort mitgerissen und auch hier gab es musiktheoretischen Input, dieses Mal in Form eines Reverb-Crashkurses. 


Samstag

zu guter Musik gegrölt: Die ganze Zeit

schon wieder Gänsehaut: 3x

Schritte gelaufen: 15.104

abgedanced: Min. bei 8 Konzerten

Den Samstag haben wir mit ein paar Newcomer*innen gestartet. Während wir Paula Engels Show als Mischung aus Rave, Tränen und Female Rage beschreiben würden, stand die Show von Ceren danach im Zeichen von Spontanität, Flow und Synergie. Jassins Show hingehen lässt sich mit (erneuter) Gänsehaut, Selbstbewusstsein und Mut zur Zerbrechlichkeit beschrieben. Insgesamt kann sich die deutsche Musikszene und vor allem auch wir auf ein paar tolle neue Musiker*innen freuen. An dieser Stelle lässt sich auch nochmal erwähnen, dass das MS Dockville erfolgreich die Historie eines konstant nicen Bookings fortgesetzt hat. 

Chill
Ikkimel (Foto: Janina Wagner)

Ikkimel …

… hat einmal mehr bewiesen, warum sie den Namenszusatz “Mutter” trägt. Nicht nur, weil sie – wie zu erwarten – komplett abgerissen, sondern sich auch immer wieder um das Wohlbefinden ihrer Crowd bemüht hat. Alle haben mit gedanced, gefeiert und die Stimmung war super. (Wäre da nicht die Gruppe älterer Männer neben uns gewesen, deren unangenehme Blicke verrieten, dass die Message hier leider noch nicht ganz angekommen ist.)

Lola Young …

… haben wir uns mit lang umkämpfter Verpflegung von etwas weiter hinten angeschaut, was unserer guten Stimmung aber keinen Abbruch getan hat. Leider hatten wir bei den restlichen hinteren Reihen das Gefühl, Zeuginnen eines TikTok-Song-Phänomens zu sein, denn erst bei “Messy” wurden Gespräche eingestellt und Handys gezückt. Schade für Lola, die sich mal wieder ihre Seele aus dem Leib gesungen hat.

Chill
Lola Young (Foto: Universal Music)

Natürlich gab es auch genügend Gelegenheiten zu dem einen oder der anderen DJ ein bisschen abzuzappeln. So haben wir zum Schluss nochmal kurz einen Abstecher zu Malugi und Jtothek & Dia unternommen, bevor uns unsere Füße signalisiert haben, dass sie doch lieber die Heimreise antreten wollten.


Das Gelände, der Vibe und Co.

Chill
Eigene Aufnahme

Das MS Dockville lebt unter anderem von seinem verschachtelten Layout, durch welches man ständig neue Sachen entdecken kann. Das Gelände kann vieles sein: Es kombiniert Teile eines Industrie-Hafens mit diversen Chillout-Areas und Erlebnis-Klettergarten ähnlichen Holzplateaus. Überall auf dem Gelände sind Kunstinstallationen verteilt und neben Wiesen zum Chillen gibt es an einigen Stellen, kleine versteckte Schattenplätze mit Hängematten unter Bäumen, perfekt zum Ausruhen. Neben der vielen Sitzmöglichkeiten hat das Festival außerdem einen großen Awareness-Bereich mit einer ruhigen Atmosphäre eingerichtet.

Insgesamt konnten wir auf dem Dockville genauso gut von einer Bühne zu Bühne zur nächsten rennen, wie entspannen. Die Dichte des Line-Ups und die regelrechte Bühnen-Artenvielfalt trugen immens dazu bei. Das Angebot reichte von den zwei typischen großen Festival-Bühnen aka Grossschot und Vorschot – denen ein Satz Screens sehr gutgetan hätte – über eine kleinere, mit buntem Glas verzierte Bühne, bis hin zu einer Zirkuszelt-Bühne und versteckten Wald-Bühnen.

Chill
Butterland-Stage (Foto: Paula Schu)
Chill
MSDV Gelände (Foto: @aaaaaaaaashe)

Kaum zu übersehen war hingegen der Freihafen. Dies ist der Bereich des Festivals, an dem man nicht nur Klamotten und andere coole Pieces von regionalen Brands shoppen, sondern wo man sich auch zu den unterschiedlichsten Themen informieren konnte. Unter anderem waren dieses Jahr Infostände von Ärzte ohne Grenzen, Viva Con Agua und dem Frauennotruf Hamburg vertreten. Ebenfalls ein Pluspunkt: Man bekam dort an jeder Stelle super viele coole Sticker (und Klebetattoos).

Abschließend noch ein paar Worte zum Vibe: Er hat uns überzeugt. Es ging weniger darum, in riesigen Gruppen kopflose Alkoholexzesse zu feiern (wobei das natürlich auch möglich gewesen wäre), sondern vor allem standen Kunst, Musik und gute Laune im Vordergrund. Die Besucher*innen waren überwiegend super sweete und coole Menschen, die einfach ein paar schöne Sommertage mit ihren Freund*innen verbringen wollten. 

Vor allem hat uns neben dem wunderschönen Gelände und den vielen Angeboten, der guten Organisation (Awareness-Konzept, genügend Toiletten und Wasserstationen) und den chilligen Menschen aber die Zusammenstellung des Line-Ups gefallen. Dieses war nicht nur in der Genre-Auswahl sehr divers, sondern auch ziemlich ausgeglichen was das Geschlechterverhältnis anging. Besonders schön dabei: Das Dockville hat nicht auf Biegen und Brechen versucht die Quote aufrecht zu halten, sondern mit Raye, Lola Young, The Last Dinner Party und Ikkimel fast ausschließlich weibliche Künstlerinnen als Headlinerinnen geliefert.

Chill
MSDV Gelände (Foto: @aaaaaaaaashe)
Chill
Paula Engels (Foto: Paula Schu)
Chill
MSDV Gelände (Foto: @aaaaaaaaashe)

Obwohl es an der ein oder anderen Stelle Unmut über den verkürzten Festivalplan gab (das Dockville war dieses Jahr nur zwei anstatt drei Tage lang) und auch das Festival selbst transparent kommuniziert, dass es sich aktuell in einer ungewissen Lage für zukünftige Ausgaben befindet, ist klar: Das MS Dockville wird auch nächstes Jahr wieder stattfinden (14.-15. August 2026). 

Wir können euch nur ans Herz legen, euch eine Karte zu besorgen, um nächstes Jahr vielleicht auch so viel Spaß zu haben wie wir beide. 🙂

–> Hier gibt’s bereits Tickets <–

Chill
Galigrü vom Dockville (eigene Aufnahme)

Autoren