“Mein Wert bestimmt nicht eine Zahl oder ein Mann” – Eli Preiss im Interview
Written by Linda Kurtenbach on 19. März 2025
Von den großen Bühnen als Support-Act bis zur eigenen Tour – Eli Preiss hat sich in den letzten Jahren als eine vielversprechende Stimme im deutschsprachigen Pop- und R&B-Kosmos etabliert. Die Wiener Musikerin mischt Genres wie R&B, Hyperpop und Hip-Hop und schafft es, ihre Message mit einem einzigartigen ästhetischen Feingefühl zu erzählen. Mit ihrem aktuellen Tape “f*ck (ich liebe dich)” setzt sie diesen Weg konsequent fort und befasst sich mit den Themen Liebe, Selbstfindung und Herzschmerz. Anlässlich ihrer Tour zum Album hat Radio Q Musikredakteurin Linda Kurtenbach mit ihr via Zoom gesprochen.

Q: Gestern war sie noch Preact bei Bibiza in Graz und heute beantwortet sie für Radio Q ein paar Fragen. Hallo Eli Preiss!
Eli Preiss: Hallo!
Q: Erstmal cool, dass du dir die Zeit nimmst, mit uns zu quatschen. Ich hab es gerade schon angesprochen. Du warst gestern Voract bei Bibiza. Wie war da die Stimmung und wie groß ist die Vorfreude, auf der eigenen Tour demnächst live zu spielen?
Eli Preiss: Ich habe gestern schon gemerkt, dass ich Ur-Bock habe schon auf meine Tour. Es ist halt speziell in Österreich einfach auch noch mal was anderes. Ich bin so viel in Deutschland unterwegs und vergesse dann irgendwie, dass die Fanbase in Österreich halt einfach noch mal, ja, crazier ist und es war irgendwie sehr geil. Ich habe auch in Graz noch nie so richtig gespielt. Ich glaub vor Ewigkeiten mal bei irgendeinem Festival, aber das war voll schön auch zu sehen, dass obwohl ich da noch nie war, da trotzdem halt eine Fanbase da ist. Und ja, war sehr cute.
Q: Sehr cool. Bald eigene Tour – du bist quasi den kompletten März auf der “f*ck (ich liebe dich)” Tour in Deutschland und in Österreich, unter anderem tatsächlich auch in Münster am 13. März. Deine letzte eigene Tour ist ja jetzt schon ein bisschen her. Die war glaube ich, Ende 2023 ungefähr. Gibt es was, auf was du dich besonders freust bei den anstehenden Konzerten? Hast du vielleicht – ja Erwartungen klingt so hochgesteckt – aber vielleicht irgendwelche Wünsche?
Eli Preiss: Ich würde es ur-geil finden, wenn die Leute nicht so viel am Handy wären actually. Also ich muss sagen, bei meiner letzten Tour war das eh nicht so ein Problem. Aber ich habe jetzt sehr viele Voract-Shows gespielt für große Leute, wo ich irgendwie gemerkt habe, dass das einfach so ein Ding ist von der heutigen Zeit und der heutigen Generation und auch durch TikTok usw. Irgendwie meinen die Leute immer alles filmen zu müssen und ich fänd es irgendwie voll schön, wenn man so gemeinsam ein bisschen mehr im Moment wäre. Also für die Leute, die das hören, die dann auf meine Tour kommen: ich würde mich freuen, wenn ihr halt Erinnerungen macht aber halt auch mal im Moment seid, weil ich finde das voll wichtig bei Konzerten.

Q: Ja, safe. Es machen ja jetzt auch einige Artist, so dieses No Phones Allowed Konzept. Ich habe jetzt halt Rin und Schmyt im Kopf, weil ich da selber auf der Tour war. Und ich glaube halt auch, alle Leute, die da waren, haben selber gecheckt, wie geil das ist. Aber man muss auch erst mal diese Distanz dazu aufbauen, weil klar, irgendwie bei TikTok und so wurde das alles ziemlich normalisiert. Hast du mal drüber nachgedacht, dass – sag ich mal – zu “forcieren”, indem du sagst, wir kleben irgendwie Kameras ab?
Eli Preiss: Ja, komplett. Da ist nur irgendwie – also ich teile jetzt ein bisschen Industry insights – da ist nämlich irgendwie das Ding, ab einer gewissen Größe wird es oft ein bisschen schwierig und bis zu einer gewissen Größe ist es aber auch schwierig, weil du ja quasi die ganzen Stories und TikToks, die hochgeladen werden, ja auch als Promo für noch nicht ausverkaufte Städte gut brauchen kannst. Also bei mir war das bei der letzten Tour so, dass nach den ersten zwei Stopps Leute so viel hochgeladen haben, dass dann noch mal eine Stadt ausverkauft wurde. Das ist halt leider so ein bisschen eine Zwickmühle. Ich glaube ehrlich gesagt, die gesunde Mitte wäre halt perfekt, wenn man nicht Leute zwingen müsste dazu, sondern wenn einfach kollektiv ein bisschen mehr ein Bewusstsein dafür ist und die Leute von selber einfach öfter mal im Moment sind. Aber ich denke wie gesagt, bei meiner letzten Tour war das nicht so ein Ding. Ich glaube bei meiner Fanbase, wenn ich das noch einmal erwähne auf der Bühne, dann reicht es hoffentlich auch.
Q: Eine Sache bezüglich der Tour würde ich super gerne noch ansprechen. Wenn man dich ein bisschen auf Social Media verfolgt, hat man vielleicht ja mitbekommen, dass es einen Dresscode gibt, an dem man sein Konzertoutfit, wenn man das denn möchte, orientieren kann. Ich muss sagen, ich finde sowas immer super, super cool, weil es irgendwie noch mal so ein extra Level an Commitment ist. Bestes – bisschen banales – Beispiel jetzt, ich weiß nicht, ob du das mit den Pitbull Konzerten mitbekommen hast, wo alle jetzt in bald-Caps und Anzügen, also im Pitbull Look, erschienen sind.
Eli Preiss: Nein, aber wie lustig ist das denn.
Q: Es gibt halt einfach noch mal so ein extra Level an Atmosphäre finde ich. Magst du ein bisschen darüber erzählen, woher da die Idee kam und was vielleicht deine Intention als Artist dahinter ist?

Eli Preiss: Also ich bin prinzipiell eine extrem visuelle Person und mir ist Ästhetik extrem wichtig und ich bin da super perfektionistisch und picky. Für mich ist das voll wichtig und es gibt einfach so Farben und Sachen, die clashen miteinander und die gehen für mich nicht. Das ist so – weiß ich nicht – fast schon so was Zwanghaftes bei mir. Und ich muss sagen, ich habe das das erste Mal bei Kali Uchis gesehen, dass sie irgendwie so gesagt hat “Hey, heute ist Butterfly Theme” oder was auch immer. Und dann kamen da alle Leute in einem Dresscode und da ging mir irgendwie voll die Idee auf, dass ich mir dachte: wow, das wäre so toll, wenn nicht nur auf der Bühne alles stimmig aussehen würde, sondern halt auch im ganzen Raum die Leute irgendwie so – wie sagt man – ein Schmaus für die Augen.
Q: Ein Augenschmaus?
Eli Preiss: Genau. (lacht)
Q: Ja, Cool. Das heißt, wir können uns auch auf eine gewisse “f*ck (ich liebe dich)”-Ästhetik freuen?
Eli Preiss: Auf jeden Fall. Also es zieht sich auch ins Merch und in die Outfits und das ganze Bühnenbild und so, ja.
Q: Wo wir jetzt gerade schon beim Thema sind. Die Tour trägt den Titel “f*ck (ich liebe dich)” – das ist auch der Titel deines aktuellen Albums. Wobei aktuell jetzt ein bisschen breiter gefasst ist, das Album ist im Mai letzten Jahres erschienen. Ich persönlich finde immer, dass Alben halt beim Hören über die Zeit so ihre eigene Dynamik entwickeln. Man hat beim ersten Hören so seine zwei, drei favorite Songs und dann hört man es nochmal nach ein paar Wochen oder Monaten und dann kommt irgendwie so ein anderer Song und hitted nochmal ganz anders. Hat sich seit Release was an deinem Verhältnis zum Album verändert?

Eli Preiss: Hm, gute Frage. Ich würde sagen ja, natürlich. Also es verändert sich immer ein bisschen was, aber ich kann jetzt nicht genau festmachen, was es ist. Ich kann nur sagen, dass ich beim Proben – also ich habe jetzt auch Tänzerinnen in manchen Städten – und bei den Proben sind wir zusammen echt noch mal draufgekommen, dass ich jetzt wirklich einen geilen Katalog habe. Also heißt jetzt nicht, dass ich davor nicht nice Musik gemacht habe, aber ich habe mich irgendwie mit dem Tape echt noch mal mehr gefunden. Und für mich ist es wirklich so ein No-Skip. Ich muss sagen, ich mag echt jeden Song und es hat Ur-Spaß gemacht, die Choreographien dazu zu machen und zu lernen. Und da habe ich echt auch noch mal gemerkt, dass es einfach Spaß macht.
Q: Wo du jetzt gerade sagst, dass du findest, dass du mit diesem Album noch mal so ein Stück mehr deinen deinen Sound gefunden hast, hätte ich jetzt die Frage was war denn am Schreibprozess anders? Weil wenn wir jetzt mal bei “f*ck (ich liebe dich)” bleiben – wie man vielleicht schon am Titel erkennt – das unterliegende Konzept ist das Thema Liebe. Es geht ums Verlieben, es geht darum, den falschen Menschen zu lieben, den falschen Menschen hinterherzulaufen, um Trennungsschmerz bei “Ohne dich”. Wie hast du da so den Schreibprozess wahrgenommen? Weil das ist ja schon ein sehr emotionales, persönliches, aber auch ein sehr komplexes Thema. Hat sich da was im Vergleich zu deinen anderen Alben unterschieden im Schreibprozess?
Eli Preiss: Das Ding ist, ich habe es nie Album genannt. Für mich war das immer ein Tape und deshalb habe ich irgendwie viel freier und nicht so nicht so verkopft die Sache gemacht. Und ich glaube, durch dieses Überthema Liebe war ich dann so “Ja, okay, passt so!” Das gefällt mir, weil ich habe so diese Songs rumliegen, die eigentlich alle das als Thema haben und dann habe ich mit dem Thema plötzlich mehr gemacht. Das ist oft so, dass man einfach nur Songs macht und dann erst sich quasi überlegt, was hält das denn eigentlich zusammen? Also zumindest ist das mein Prozess, dass ich mir dann irgendwann überlege, in welche Richtung geht es denn jetzt so? Und erst wenn ich das weiß, fügen sich dann alle anderen Songs und dann ergibt das alles plötzlich Sinn. Aber meistens macht man einfach ein bisschen was im Studio und versucht nicht zu viel drüber nachzudenken. Ich finde das nämlich immer voll blöd, dass das dazukommt als Artist. Dass man je mehr man in der Industrie ist, auch mehr über Zahlen und was gerade in ist nachdenkt und wie kommt man an und was ist dein Image und blabla. Und am liebsten würde ich als Artist gar nicht über diese Sachen nachdenken, sondern einfach ins Studio gehen und das sagen, was ich fühle. Und das probiere ich halt immer zu machen und dann im Nachhinein zu schauen: Gut, was ist jetzt eigentlich mein Überthema und kann ich das vielleicht in ein Projekt zusammenfassen? Wenn ja, was ist das Thema? Und dann kommen mehr Songs zusammen und ja, voll.
Q: Wo du jetzt gerade schon ein bisschen so diese Thematik mit Industrie und Zahlen und so angesprochen hast – ich finde, du bist recht transparent damit. Mir ist jetzt gerade im Kopf, dass das bei “Ich such” ja so ein Thema war, dass es auf einmal nach einer gewissen Zeit nochmal so einen kleinen Hype bekommen hat. Wie ist da dein Verhältnis mit diesen Zahlen? Also ich meine, du hast ja auch eine Line “Mein Wert bestimmt nicht eine Zahl, oder ein Mann. Muss mich daily daran erinnern, wer ich bin und was ich kann” – eine meiner Favorite Lines von dem Album. Wie ist dein Weg mit dem Thema gewesen?
Wieso muss mir bei “Ich-Momenten” immer ein “Er” fehlen
Eli Preiss, Ich Such
Sie fragen mich um Rat
Doch ich hab keinen Plan
Wenn ich nicht auf mich selbst höre wer soll es dann
Meinen Wert bestimmt nicht eine Zahl oder ein Mann
Muss mich daily dran erinnern wer ich bin und was ich kann
Eli Preiss: Ich glaube halt einfach, indem ich diese Line zum Beispiel gesagt habe, habe ich mich selber ein kleines bisschen geheilt. Also für mich ist das eh alles so ein Prozess von Ventil finden, Dinge loslassen und auch wenn es vielleicht nicht relatable ist, also auch wenn es vielleicht nicht jeder was damit anfangen kann, ich glaube, irgendwie wird man das schon auf sich beziehen können und ich versuche dann nicht so viel drüber nachzudenken. Weißt du wie ich meine?
Q: Vielleicht manifestieren auch ein bisschen?
Eli Preiss: Oh, auf jeden Fall. Also ich habe schon sehr viele Songs von mir verworfen, weil ich mir dachte “Nein, diese Energie möchte ich nicht claimen”. Also ich möchte das nicht für mich beanspruchen. Ich möchte nicht, dass sich das weiter vertieft. Das heißt, obwohl ich oft sehr traurig und sehr nachdenklich bin, gibt es diese Songs oft nicht, weil ich möchte irgendwie nicht tiefer reinfallen, falls das Sinn ergibt.
Q: Ja, voll. Ich finde, eine Energie, die man auf jeden Fall claimen kann, ist die Energie aus “Nikes”, weil da geht es ja auch einfach sehr viel um auch das Thema Confidence. Hast du irgendwie Momente, in denen du sagst “Boah, jetzt fühle ich mich richtig confident” und spiegelt sich das ein bisschen in deiner Musik wieder?
Eli Preiss: Komplett. Es ist wie Tag und Nacht. Also es gibt wirklich Tage, da würde man mich nicht wiedererkennen, weil es mir einfach schlecht geht. Und dann hört man einen Song und ist so: “Was?? Ich dachte, du bist diese immer, immer selbstbewusste Person” Aber ich entscheide mich dann halt einfach dazu, gewisse Sachen nicht zu sharen. Und für mich ist es einfach nicer, dann das zu teilen, wo ich gerade eine gute Zeit habe und was Positives manifestiert habe für mich und das ist lustigerweise meistens so im Sommer. Also ich schreibe irgendwie die nicesten, selbstbewusstesten Sachen, wenn es einfach auch schön draußen ist und unfassbar depressive Songs im Winter, von denen ganz viele nicht rauskommen. Also mir gibt auch mein Umfeld Selbstbewusstsein und wenn ich mich einfach wohl in meiner Haut fühle.
Q: Jetzt zum Abschluss würde ich super gerne noch über deine Musikvideos sprechen. Zu deinem aktuellen Release “Sailor Moon” mit Makko gab es nämlich auch eins und auch “Ich such” ist ein Musikvideo, was super krasse Visuals hat. Du meintest ja vorhin schon so du hast so ein kleines Faible für Ästhetik und Visuals. Wie ist das für dich in Musikvideos zu übersetzen? Also welchen Stellenwert hat da diese Musikvideoproduktion für dich als Künstlerin?
Eli Preiss: Mir war das immer schon extrem wichtig, weil für mich ich bin selber eine Konsumentin, die Musikvideos extrem appreciated und für mich – weiß ich nicht – schon als kleines Kind war das einfach so, das lief am Fernseher. Also das war immer Teil von der Musik und für mich gab es sogar oft Momente, wo ich einen Song erst durch das Musikvideo wirklich gecheckt habe. Und irgendwie dadurch hat sich das in mein Gehirn eingebrannt. Ich finde es unfassbar wichtig und ich habe da sehr viele Leute, zu denen ich aufschaue. Ich finde Billie Eilish und Doja Cat und Tyler The Creator… also es gibt da echt so ein paar Künstler:innen, die extrem geile Musikvideos haben und ich finde es super wertvoll. Und leider wird es durch diese ganze TikTok, Instagram, kurze Frequenzen an Ausschnitten, irgendwie Geschichte… Sorry, ich habe gerade viel zu lange den Satz gebildet, aber was ich sagen will ist die Aufmerksamkeitsspanne ist leider ein bisschen geringer geworden und die Leute geben sich das nicht mehr so und das finde ich schade. Aber mir wird nie aufhören, das wichtig zu sein und ich werde immer probieren, das weiterhin zu machen.
Q: Shoutout Musikvideos! Leute, guckt mehr Musikvideos. Jetzt als letzte Frage… als Vertreterin von einem Campusradio muss ich das fragen und zwar habe ich in einem Interview von 2023 war das, glaube ich, gesehen, dass du erzählt hast, dass du mal Philosophie studiert hast. Machst du das immer noch oder hast du es abgeschlossen? Abgebrochen?
Eli Preiss: Bei uns gibt es so eine Semesteranzahl, wo man gratis studieren kann in Wien und die ist jetzt bei mir vorbei und ich müsste halt jetzt anfangen, so Studiengebühr zu zahlen. Ich würde gerne noch weiter so chillig studieren, ohne dass ich wirklich mega viele Prüfungen mache, weil das wegen Musik halt nicht aufgeht. Aber jetzt gerade muss ich nicht unbedingt, aber ich komme auf jeden Fall darauf zurück, weil ich fand es richtig interessant und voll inspirierend und prinzipiell finde ich es voll bewundernswert, den akademischen Weg zu gehen.
Q: Also hast du aus dem Studium quasi auch ein bisschen was für dich mitgenommen? Philosophie ist ja schon echt ein krasses Fach.
Eli Preiss: Komplett. Da sind auch richtig viele Songs entstanden, weil ich gewisse Texte gelesen habe, vor allem alte griechische Philosophen, das war für mich sehr prägend und ich würde es gern weitermachen. Ich beschäftige mich auch so viel mit dem Thema, also ich lese gerne Bücher und so, aber das Studieren war schon noch mal intensiver und anders. Wenn ich irgendwann wieder Zeit habe, dazu zurückzufinden, mache ich das.
Q: Sehr cool. Dann, ja, wäre es das gewesen. Hast du noch irgendwas, was du loswerden möchtest. Irgendwas, was dir noch auf dem Herzen brennt, irgendwas, was du noch sagen möchtest?
Eli Preiss: Kommt auf Tour. Ich freue mich!
Q: Vielen Dank, Eli Preiss!
Eli Preiss: Danke euch!
Fotocredits: Shirin Pasqual