Von filmreifer Musik und einsamen Tortellini – Rikas im Interview
Written by Paula Klüver on 14. Oktober 2024
Die Rikas, das sind Sam, Chris, Sascha & Ferdinand. Seit 2017 bespielt die vierköpfige Band die Festival- und Konzertbühnen des Landes und verzaubert mit humorvollen Live-Auftritten und verträumter Musik irgendwo zwischen Indie-Pop, Funk & Soul. Ihre atmosphärischen Instrumentals werden dabei von kreativen und teils bittersüßen Texten begleitet, die zum Mitfühlen einladen. Besonders macht die Musik von Rikas, dass alle vier Bandmitglieder nicht nur ihre Instrumente spielen, sondern auch alle vier singen – und somit für vielseitige Harmonien sorgen. Ihre aktuelle Tour hat die Band an einem verregneten Oktobertag mitten in der O-Woche nach Münster gebracht. Im Interview mit Radio Q-Redakteurin Paula Klüver sprechen Sascha und Chris über Tour-Erlebnisse, ihre Affinität für Japan, ihr zweites Album und die beruhigende Wirkung von Bügeln.
Paula: Ich bin hier gerade im Backstage des Gleis 22 mit Chris und Sascha von der Band Rikas. Vielen Dank, dass ihr euch Zeit nehmt für das Interview. Erst mal als Einstiegsfrage: Wie geht es euch heute?
Fotos: Anika Hagen
Chris: Uns geht’s, glaub ich, sehr gut. Wir sind gerade auf Tour und das sitzt einem immer morgens noch so ein bisschen in den Knochen, weil man schon bis spät abends, wenn nicht sogar nachts, noch irgendwie unter Strom steht und Zeug zusammenräumt und Merch verkauft. Und bis man dann tatsächlich im Bett ist, wird‘s dann schnell mal irgendwie drei, halb vier. Und jetzt haben wir zwar 13 Uhr, aber so ganz lang sind wir noch nicht auf den Beinen, deshalb laufen wir noch langsam warm.
Paula: Ja, verständlich. Ihr habt ja auch echt einen ganz schön straffen Zeitplan auf eurer Tour. Wir haben euch tatsächlich 2018 schon mal auf dem Appletree Festival gesehen. Da hat euch schon mal eine Redakteurin von Radio Q interviewt. Das ist jetzt schon ganz schön lange her… ihr habt in der Zeit euer Debütalbum veröffentlicht und es war Corona und so. Vielleicht könnt ihr einmal so abreißen, was sich für euch als Band in der Zeit verändert hat oder welche Weiterentwicklung ihr so seht.
Chris: Ich glaube, für uns fühlt sich es oft gar nicht so an, als würde sich so viel verändern, weil wir einfach jeden einzelnen kleinen Schritt mitmachen und man muss immer so ein bisschen kurz mal innehalten und zurückschauen und sich dann vor Augen führen: „Wie war es denn 2018? Dann Corona und so. Und wie ist es jetzt?“ Und dann merkt man, glaube ich, schon oder merken wir, dass wir persönlich oder musikalisch – und das zeigt sich dann in vielen Details auch bei uns im Live-Alltag in irgendwelchen Abläufen, mit wem wir jetzt unterwegs sind und so –, dass sich da einiges getan hat. Und ich glaube, das ist bei uns einfach irgendwie eine stetige, gesunde, würde ich jetzt mal sagen, Weiterentwicklung. Wir hatten jetzt keinen riesen Hype in der Zwischenzeit, dass man jetzt gesagt hat, von heute auf morgen hat sich da irgendwas grundlegend verändert. Aber ich glaube, wir machen einfach kleine stetige Schritte und entwickeln uns musikalisch in eine Richtung, die wir nach und nach ein bisschen feiner definieren. Aber ich glaube, uns kommt das oft gar nicht so sehr vor wie eine riesige Entwicklung. Das ist dann manchmal lustig, wenn uns Leute sehen und nach Konzerten – wie jetzt du – sagen: „Hey, wir haben euch 2018 gesehen, und dann wieder jetzt.“ Das ist es meistens von denen spannender zu hören, wie sie denn diese Entwicklung einschätzen.
Paula: Ja klar, man erlebt es ja irgendwie selber und dann kommt einem das meistens gar nicht nach so viel Veränderung vor. Wie geht es dir damit Sascha?
Sascha: Ich kann das nur bestätigen, was Chris gesagt hat. Vielleicht als Kleinigkeit, die doch sehr spürbar ist, auf dieser Tour sind wir zum ersten Mal mit einem Nightliner unterwegs. Das heißt, wir schlafen auch im Bus. Das ist für uns ein kleines Upgrade. Es tut sich was und das sind diese kleinen Schritte, die wir machen. Und es passiert immer etwas Neues, was das ganze Tourleben und das ganze Bandleben spannend macht.
Chris: Wenn man als junge Band unterwegs ist, dann ist man da ganz am Anfang erst mal nur zu, jetzt in unserem Fall, zu viert und dann irgendwann kommt dann vielleicht noch eine extra Person mit, die irgendwas für einen macht, Tontechnik oder so, und dann wächst diese Crew so ein bisschen. Und wenn man selber auf Konzerte geht, dann als junge Band und man sieht vor dem Konzert, wer da alles auf der Bühne herumwuselt zusätzlich zur Band, die dann da irgendwelche Sachen machen und die Bühne für die aufbauen und so. Dann fühlt sich das immer so groß an und man denkt immer, irgendwann haben wir vielleicht auch mal jemanden, der für uns da mitkommt. Und jetzt sind wir an so einem Punkt, dass irgendwie mit uns Leute auf Tour fahren und das sind alles Freundinnen und Freunde von uns und das ist ein total schönes Gefühl und so eine Art Weiterentwicklung, wie wir sie jetzt vielleicht im Vergleich zu 2018 auf jeden Fall gemacht haben.
Paula: Ihr seid jetzt auch schon eine Woche lang auf Tour und ihr wart auch schon in zwei Nachbarländern, habe ich gesehen. Habt ihr schon irgendein cooles Erlebnis, was ihr auf der Tour gemacht habt oder irgendein Highlight bisher?
Chris: Also ich muss sagen, für mich persönlich war es ein total schönes Gefühl, als wir in Prag gespielt haben. Das war ein relativ kleiner Club, aber der war tatsächlich dann irgendwie doch sehr voll. Und es war unser allererstes eigenes Konzert in Prag und das ist immer schon besonders, wenn man in eine fremde Stadt kommt und dann kommen da Leute zu einem Konzert von einem und man ist so: „Hey, krass. Danke. Woher kennt ihr uns und wie schön, dass ihr euch das anschaut und so“. Das schätzen wir in jeder Stadt, in die wir kommen, aber in manchen ist es so ein bisschen normaler inzwischen. Also wenn wir jetzt in Berlin spielen oder jetzt hier in Münster waren wir auch schon zweimal im Gleis 22, da ist es irgendwie immer noch was Besonderes, wenn man sich das so vor Augen führt. Aber in so einer ganz neuen Stadt fällt es einem irgendwie noch mal mehr auf. Und obwohl das dann natürlich deutlich weniger Leute sind, als in anderen Städten, in denen wir schon öfter waren, ist es dann trotzdem so eine gewisse Dankbarkeit oder Wertschätzung, dass Leute da extra für uns herkommen. Das fand ich sehr schön. Aber ansonsten, ich glaube, man stellt sich das manchmal spektakulärer vor, als es vielleicht ist, weil die Tage dann doch irgendwie immer ähnlich sind und man kann sich jetzt auch nicht wirklich erlauben, da ganz abgefahrene Dinge zu tun, weil man am nächsten Tag wieder ran muss und das schon auch körperlich echt anstrengend ist, das ganze Zeug hin und her zu schleppen und lange aufbleiben und so weiter und Konzerte spielen. Die Jungs gehen manchmal morgens joggen. Dafür hatte ich bisher noch keine Energie (lacht).
Paula: Sascha, hast du schon irgendein Highlight von der Tour?
Sascha: Ach, wie Chris schon meinte, ist es einfach sehr interessant zu sehen, welche Personen auf so ein Rikas Konzert kommen und wen wir eigentlich alles erreichen. Und das spürt man am meisten eben auf Konzerten. Und ich fand eine schöne Geschichte: bei den ersten beiden (Konzerten) kam eine Person aus Japan, auf beide Konzerte. Ich finde das besonders, dann zu erfahren, was der Hintergrund ist und wie die Person uns entdeckt hat und wie es dann dazu kommt, dass sie extra nach Europa reist, was ja schon eine weite Strecke ist, um uns in Wien und in Prag zu sehen. Das sind für mich immer so Momente, bei denen ich dann wirklich fast sprachlos bin, weil man das klar im einzelnen Zeitalter schon hier und da mitbekommt, dass uns Menschen aus aller Welt schreiben, aber wenn man diese Personen dann tatsächlich vor einem stehen sieht und beim Konzert mitsingen sieht, dann macht das was mit einem.
Paula: Ja, wow, das glaube ich. Japan ist schon echt eine ganz schöne Strecke! Vielleicht für alle, die euch noch nicht bisher im Konzert gesehen haben: Wie würdet ihr so ein Rikas Konzert in drei Worten beschreiben?
Sascha: Ich glaube, für diese Tour haben wir uns wieder etwas ganz Neues einfallen lassen und in unseren Augen auch was Besonderes, was man vielleicht auf regulären Popkonzerten, Rockkonzerten nicht so zu sehen bekommt. Und jetzt fällt mir aber dafür gar kein passendes Adjektiv ein (lacht). Ich sage mal, das erste Adjektiv, das ist jetzt ein bisschen hochgestochen, aber „außergewöhnlich“.
Chris: Dann ergänze ich… mir fällt jetzt kein eleganteres Wort ein, aber irgendwie so „grundpositiv“ vielleicht, weil ich weiß, dass wir auf der Bühne immer extrem viel Spaß zusammen haben und jedes Konzert mit der gleichen Freude und Energie starten und man das schon auch den Leuten ansieht, dass sie… den meisten zumindest (lacht) Spaß haben bei unseren Konzerten. Jetzt in Hannover, da hatte ich ein lustiges Erlebnis. Ich musste auf der Bühne ein bisschen lachen. Vor mir standen zwei Leute in der ersten Reihe mit verschränkten Armen und sehr grimmig dreinblickend, wo ich mich schon gefragt habe: „Wieso stellt ihr euch in die erste Reihe, wenn ihr irgendwie so ob ihr so obviously jetzt nicht so wirklich Spaß habt oder so. Und dann dachte ich aber gut, vielleicht ist das einfach so deren … vielleicht genießen sie es trotzdem total und stehen halt bloß so rum. Und dann sind sie aber nach so sechs Songs, glaube ich, einfach gegangen (lacht). Dann war ich so: „Ja, okay. Das weiß ich jetzt nicht so genau, wie ich das zu deuten habe.“ Aber an sich, mit den beiden quasi außen vor, würde ich sagen, positiv ist eine Eigenschaft unserer Konzerte.
Sascha: Vielleicht können manche Menschen damit einfach nicht umgehen. Vielleicht ist es zu positiv. Ja, dann ergänze ich noch: „Zum Hüftekreisen anregend“. Das sind mehrere Worte, aber „tanzbar“ vielleicht auch kurz gefasst.
Paula: Schöne Umschreibung. Habt ihr irgendeinen Song oder einen Moment in eurer Show, wo ihr die stärkste Connection oder eine besondere Connection zur Crowd fühlt? Oder ist das etwas, das sich euch durchs ganze Konzert durchzieht?
Sascha: Auf dieser Tour definitiv. Wir haben nämlich zum ersten Mal einen kleinen Block in der Mitte des Sets eingebaut, in dem wir unsere Instrumente ablegen, beziehungsweise die Verstärkung der Instrumente ausmachen und rein akustisch in den Raum spielen. Die Idee dazu kam so ein bisschen unverhofft und war so ein kleiner Unfall, weil wir diesen Sommer auf Festivals teilweise Stromausfälle hatten. Das heißt, die Anlage fiel aus und wir konnten die Leute nicht mehr in voller Lautstärke erreichen. Und dann mussten wir teilweise den letzten Song oder die letzten zwei Songs akustisch für die Menschen spielen und dann hat sich so eine ganz enge Traube vor der Bühne gebildet und wir kamen runter in den Graben und haben dann den Song dort einfach so für die Menschen gespielt. Und wir haben gemerkt, dass wir dadurch noch mehr Nähe schaffen und haben jetzt für diese Tour gesagt, dass wir das auch geplant machen wollen. Also wir inszenieren jetzt keinen Stromausfall, keine Sorge (lacht). Genau, aber wir spielen eben unverstärkt und singen alle gemeinsam, teilweise auch mit Menschen. Man hört dann auch wirklich richtig, weil alles sehr leise ist, wenn Leute mitsingen. Das sind besonders nahe Momente auf diesen Shows.
Paula: Ihr seid jetzt auch einen ganzen Monat unterwegs und habt, ich glaube, 20 Tour-Stopps und ihr habt ja auch eben schon angesprochen, dass das manchmal auch einfach anstrengend ist. Was liebt ihr denn am meisten am Tourleben und was vielleicht auch am wenigsten?
Sascha: Ich glaube, auch mit ein Hauptgrund dafür, dass ich diesen Job überhaupt mache und mir ausgesucht habe, ist dieses sehr familiäre Zusammenarbeiten an einem großen Projekt, zu dem eben nicht nur wir als Band beitragen, sondern eben ganz viele andere Menschen auch und sich in so einem engen Zeitraum eben zehn Menschen zusammenfinden, die eine Show auf die Bühne stellen und alle haben einen sehr wichtigen Bestandteil an dem Ganzen. Und die Momente, die man währenddessen hat und auch drumherum, wenn man dann mal nachts Feierabend macht und dann doch noch mal zusammensteht und sich immer noch was zu sagen hat und der Austausch irgendwie so schön und anregend ist, das ist für mich mit der beste Part am Tourleben, einfach diese Gemeinschaft, die da entsteht.
Chris: Für mich ist das Schönste, glaube ich, das Live Spielen natürlich. Deshalb geht man ja auch auf Tour. Und für mich ist es immer dann am schönsten, wenn ich von der Bühne runterkomme und ich das Gefühl habe, das waren jetzt irgendwie drei Minuten. Also wenn man so einen Tunnelblick hat und von Beginn bis Ende des Konzerts irgendwie nicht aufwacht und sich quasi bewusst wird: „Okay, ich stehe jetzt hier auf einer Bühne und da sind Leute und ich spiele“, sondern das fühlt sich dann an, wie in so – ich weiß nicht, ob das das Adrenalin ist – irgendwie ist man wie in so einem Tunnel und man wacht erst danach draus auf. Und wenn das klappt, dann ist es meistens ein sehr, sehr gutes Konzert gewesen, weil nichts passiert ist, was einen wach werden lässt. Und am schlimmsten auf Tour finde ich immer die letzte halbe, Dreiviertelstunde vor der Show, in der man quasi schon fertig ist und man sitzt auf heißen Kohlen, man ist furchtbar aufgeregt, man kann aber noch nicht raus, man kann aber auch nicht mehr die Zeit für irgendwas nutzen, sondern man sitzt bloß da und guckt auf die Uhr. Das finde ich immer ganz furchtbar.
Paula: Habt ihr in solchen Momenten, kurz vor dem Auftritt, irgendwelche Routinen, die ihr gemeinsam durchgeht?
Chris: Es gibt Bands, die da irgendwelche gemeinschaftlichen Rituale glaube ich haben. Das haben wir weniger. Was ich jetzt festgestellt habe, was mich ganz arg beruhigt, ist, wenn ich bügele. Ich habe dann oft, in Clubs gibt es meistens ein Bügelbrett und ein Bügeleisen und bügeln ist, wenn das Bügeleisen gut funktioniert, finde ich, eine sehr befriedigende Beschäftigung. Und das habe ich jetzt die letzten Konzerte festgestellt, dass das in dieser letzten halben Stunde vor der Show mich sehr beruhigt hat. Und mein Hemd war dann gebügelt und dann habe ich überlegt, was ich noch bügeln könnte, damit ich noch länger bügeln kann. Und dann waren schon wieder eine Viertelstunde um. Das hat mir sehr geholfen. Weiß gar nicht. Sascha putzt gern Zähne noch vor der Show.
Sascha: Ja.
Chris: Manchmal singen wir uns noch kurz ein bisschen ein, aber das ist eher selten, wenn eine Gitarre irgendwo rumsteht. Aber an sich, so ein richtiges Ritual haben wir eigentlich nicht.
Sascha: Nee. Ich glaube, es ist auch wichtig in der Zeit, irgendwie alles rauszulassen. Also teilweise sind wir dann im Backstage und reden wirres Zeug miteinander (lacht). Aber irgendwie finde ich das auch ganz schön, weil da so alles kurz für den Moment raus darf, bevor man dann wieder mit Fassung auf die Bühne geht.
Paula: Was ich mich auch schon immer gefragt habe, ihr habt einen Song, der heißt „Tortellini Tuesday“. Ist das so euer Ding, dienstags zusammen Tortellini zu essen oder wie ist die Idee zu dem Songtitel entstanden?
Sascha: So einfach war es nicht. Der Song ist in einer Zeit entstanden, in der wir viel zusammen waren, aber auch oft Phasen alleine hatten. Da war die Band noch nicht ganz so aktiv wie jetzt. Das ist einer der ersten Titel, die wir veröffentlicht haben und auch geschrieben haben. Und für Sam, der den Text geschrieben hat, waren Tortellini damals so eine Speise, die stellvertretend fürs Alleinsein stand, weil es einfach ein sehr simples – wenn du schon fertig schon vorgekochte Tortellini oder vorbereitete Tortellini hast, wirfst du die ja nur für drei Minuten ins heiße Wasser und isst es mit Pesto oder mit Butter und Parmesan – und das ist so das Simpelste, was man sich, glaube ich, warm zubereiten kann und so dieses typische Student*innen-Essen auch. Und ich glaube, das hat er eben mit Einsamkeit verbunden und hat daraus dann diesen Song geschrieben. Es geht ja auch darum, dass eine Person alleine an ihrem Geburtstag ist. Und genau, das ist der Tortellini Tuesday geworden.
Paula: Mir fällt das bei ganz vielen Songs von euch auf, dass die von der Stimmung her ganz anders sind als der Inhalt, dass der Inhalt teilweise auch sehr traurig oder sehr deep sein kann und ihr aber trotzdem einfach so Gute-Laune-Musik daraus macht. Ihr habt auch vorhin schon angesprochen, dass ihr einen Fan habt, der aus Japan angereist ist und ihr habt den Song Overthinking ja auch auf Japanisch veröffentlicht. Wie ist es dazu denn gekommen? Habt ihr irgendeinen Bezug zur japanischen Sprache oder zu Japan?
Chris: Eigentlich erstmal überhaupt nicht. Ich glaube, keiner von uns war je in Asien. Deshalb ist das Ganze auch so ein bisschen so ein Sehnsuchtsland, jetzt in dem Fall bei Japan. Irgendwie, jetzt muss ich gerade mal überlegen, ging das während Corona, glaube ich, los, dass wir gemerkt haben, dass es gab vermehrt irgendwie Interesse an gab uns aus Japan in Form von Nachrichten auf Instagram und so ein bisschen auch auf Spotify kann man ja auch schauen, wo man gehört wird. Und irgendwie hat uns das total gefreut. Merch-Bestellungen auch, genau. Wir machen unseren Onlineshop selbst und da gab es dann irgendwie vermehrt Leute, die Merch nach Japan bestellt haben. Da waren wie so „ha, okay“. Das fanden wir total schön und haben uns total geehrt gefühlt und dachten, wieso diese Welle nicht so ein bisschen versuchen zu reiten und haben dann beschlossen, den Song auf Japanisch aufzunehmen, weil er irgendwie von der Stimmung und von der Energie so ein bisschen was City-Pop-Japanisches hat. Und das dachten wir, bedienen wir einfach mal und haben darauf auch sehr, sehr gutes Feedback aus Japan bekommen. Es gab dann auch ein kleines Plattenlabel aus Tokio, das diese zwei Songs, also auf Englisch und auf Japanisch, auf Vinyl veröffentlichen wollte. Die wurden dort dann extra hergestellt. Und ja, generell ist diese japanische Popkultur auch visuell, grafisch sehr, sehr, sehr spannend und interessant und deshalb haben wir gedacht, wir probieren uns da einfach mal aus. Genau, und das ist mehr so ein bisschen Liebhaberei, weil wir haben jetzt noch nie in Japan gespielt. Wir wollen das auf jeden Fall irgendwann mal machen, aber bisher ist das einfach nur so ein netter kleiner Austausch, möchte ich mal sagen.
Paula: Aber umso schöner, dass ihr dann sogar einen Fan schon getroffen habt.
Sascha: Ja, an dieser Stelle noch mal ein großes Dankeschön und ein Shoutout an Aki, der mit uns an der Übersetzung gearbeitet hat und an Morton, der an der Aussprache auch ein bisschen geholfen hat. Unser guter Freund.
Chris: Wir mussten uns das quasi in Lautschrift aufschreiben oder vorsagen, damit wir wussten, wie man jetzt dieses oder jenes richtig ausspricht. Weiß man natürlich nicht, wenn man die Schriftzeichen nur sieht.
Paula: Habt ihr dabei dann auch ein bisschen Japanisch gelernt?
Sascha: Hai (Ja). (lacht). Nein, es wäre töricht, das zu behaupten. Ferdi ist gerade viel auf Tour auf Duolingo aktiv, lernt gerade Spanisch, aber als Nächstes wird dann Japanisch drauf. Auf jeden Fall.
Paula: Ihr habt jetzt auch gerade euer zweites Album angekündigt. Das kommt im Februar raus. Was können eure Fans denn von dem Album so erwarten? Wird es da irgendwelche Stilbrüche geben oder bleibt ihr eurer Musikfarbe treu?
Chris: Also wie immer ist unsere Musik schon so grunddivers, sage ich jetzt mal, weil dadurch, dass wir alle singen und uns verschiedenen Genres bedienen, jetzt keine Bands sind, die man durch einen Song so richtig greifen kann. Mal singt Sascha, mal singen Sam und ich, mal singt Ferdi einen Song, dann ist ein Song auf Französisch, dann gibt es irgendwie einen Song mit einem italienischen Part, dann gibt es „Overthinking“ auf Japanisch. Also man muss sich mit der Musik ein bisschen länger auseinandersetzen, um es zu checken, würde ich jetzt mal sagen. Und für das neue Album haben wir jetzt schon versucht, allem so einen relativ einheitlichen Vibe zu geben. Trotzdem gibt es immer Ausbrüche in verschiedenste Richtungen, mal ein bisschen reduzierter, akustischer und mal ein bisschen ausproduzierter. Es gibt bestimmt ein, zwei Ausreißer, aber das ist ja auch irgendwie das Schöne auf einem Album, dass man das sich da erlauben kann und man jetzt nicht auf einen Song reduziert wird, sondern das als Ganzes, im schönsten Fall. Wenn Leute die Vinyl zum Beispiel kaufen, das (Album) als Ganzes hören und man sich dann die Chance gibt, die Songs in den Kontext zu setzen und jetzt nicht nur, dass die neueste Single in irgendeiner Spotify-Playlist landet und man denkt: „Okay, Rikas machen jetzt irgendwie auf einmal das?“ Das ist uns auch wichtig. Deshalb finden wir das Format Album auch nach wie vor schön in der heutigen Zeit, wo das ja an Stellenwert ein bisschen verloren hat, weil alles sehr Playlist- und Single-basiert ist. Aber alles in allem würde ich sagen, ist das Album auf jeden Fall ein Classic Rikas Album. So würde ich es mal zusammenfassen.
Sascha: Alles gesagt. Vielleicht ist es in der Grundstimmung ein bisschen melancholischer. Ohne, dass es irgendwie traurig sein muss, sondern es schwingt ein bisschen mehr Melancholie vielleicht mit.
Paula: Das ist mir auch bei dem letzten Song, den ihr veröffentlicht habt, schon aufgefallen. Heartbreak BigMac.
Paula: Das neue Album heißt „Soundtrack for a movie that has not quite been written yet.” Gibt es für euch einen Film, für den ihr gerne den Soundtrack geschrieben hättet? Oder würdet ihr den Film sogar lieber selber produzieren?
Sascha: Ich glaube, wir sind alle so große Filmfans, dass wir uns vorstellen könnten, vielleicht mal so ein großes Projekt anzugehen. Es wäre auch spannend gewesen, hätten wir die Möglichkeiten gehabt, jetzt basierend auf dieser Musik einen Film zu machen. Vielleicht passiert das ja auch irgendwann mal noch. Vielleicht macht es auch irgendwann mal jemand anderes. Jetzt bin ich gerade am überlegen, welchen Film ich gesehen habe… Es muss ja dann ein mich berührender Film gewesen sein, dessen Soundtrack besonders gut war oder eher schlecht? Deswegen würde ich den Soundtrack gerne machen… das ist jetzt die Frage, was man da wählt.
Chris: Was unsere Grundästhetik angeht, fällt oft mal gern Wes Anderson als Referenz. Das ist natürlich so ein bisschen naheliegend. Weiß ich jetzt aber gar nicht, ob das zu den Songs so richtig passen würde. Vielleicht kommt da auch wieder ein bisschen diese Japan-Affinität ins Spiel. Jetzt letztes Jahr war das, glaube ich, kam Perfect Days, dieser japanische Film, in die Kinos. Und ich finde diese japanischen, ich nenne es jetzt mal Arthouse-Filme, jetzt keine so Hollywood-Blockbuster, die wollen erst mal nicht so viel, sondern punkten durch ihre subtile Ästhetik und Geschichten, die einfach so wholesome sind. Da muss jetzt nicht viel Action passieren, sondern da muss man sich auch so ein bisschen vielleicht drauf einlassen wollen und damit beschäftigen. Und die oft auch so eine gewisse Melancholie haben, auch in der Bildsprache und in den Farben, alles so ein bisschen gedämpft und ein bisschen zurückhaltender und auch mal traurig, aber irgendwie dann doch mit einem total positiven Inhalt. Und deshalb würde ich das jetzt für mich den Soundcheck vielleicht so einer Art Film eher zuordnen. Jetzt gar nichts, was irgendwie total knallige Farben hat und visuell laut ist, sondern eher so ein bisschen auf den zweiten Blick. Und lustigerweise auch das Cover, das letztendlich das Album-Cover geworden ist, wo wir das in Italien gemacht haben, hat für mich farblich auch total was von dieser Japan-Ästhetik. Deshalb vielleicht passt das ganz gut.
Paula: Ja, das wäre doch cool, wenn mal irgendwann ein Film mit eurer Musik gemacht wird.
Chris: Ja, es war witzigerweise auch so ein bisschen die Idee von dem (Album-)Titel. Normalerweise wird ein Film gedreht wird und anschließend wird der Soundcheck dafür gemacht. Und der Ansatz war, okay, wenn schon unsere Musik niemand für einen Film, den es schon gibt, haben möchte, blöd gesagt, dann schreiben die jetzt einfach mal den Soundtrack und irgendjemand macht dann dazu den Film irgendwann.
Paula: Ich würde eure Musik, glaube ich, auch am besten so beschreiben, dass wenn man die hört, häufig das Gefühl hat – man geht irgendwie spazieren und man hat die auf den Ohren – dann fühlt man sich auch ein bisschen, als wäre man in einem Film.
Paula: Dann habe ich auch schon nur noch eine letzte Frage an euch. Und zwar hat meine Kollegin euch die 2018 auch schonmal gestellt. Wir haben bei Radio Q eine Kategorie, die heißt „Platte für die Insel“. Da geht es darum, welche Platte man auf eine einsame Insel mitnehmen würde, wenn man nur eine Platte mitnehmen könnte. Was wäre denn eure Platte für die Insel?
Sascha: Ich sage, die erste Sache, die mir in den Kopf geschossen ist: das ist „Lou Reid“, „Transformer“. Ist auch sehr divers. Ich glaube, da kann man sehr viel länger Freude dran haben, als jetzt an manch anderen Alben.
Chris: Meine Playlist und mein Hörverhalten sind so abstrus, dass es mir jetzt sehr schwer fällt, eine Platte zu nennen (lacht). Vielleicht nehme ich ein frühes Beatles-Album. Ich nehme „With the Beatles“ von „The Beatles“. Ich habe letztens mal wieder ein bisschen intensiver Beatles gehört und das ist für mich irgendwie eins, wo ich zusammenhängend am meisten mit anfangen kann, zu sagen. Es sind in der späteren Discografie natürlich auch sehr, sehr viele schöne Songs, aber dann für mich persönlich immer eher so einzelne. Und das ist aber für mich in Gesamtheit irgendwie ein total schönes, rundes Album.
Paula: Super, vielen Dank euch für das Interview!
Chris & Sascha: Danke euch!
Foto Credit: Anika Hagen