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Nachbericht Pop-Kultur Festival Berlin

Geschrieben von am 13. September 2023

Drei Tage lang schallte es auf dem Gelände der Kulturbrauerei auch dieses Jahr wieder mal in jede Richtung. Zum 9. Mal fand das Pop-Kultur Festival, mit einem (wieder) sehr breit gefächerten Programm, statt. Auf dem Außengelände ging’s Mittwoch direkt los mit EVÎN, die mit ihrer kraftvollen Stimme jazzig-poppige Songs mit viel Körpereinsatz performte und das Publikum zum Mitsingen brachte. Mit dem Saz, einem traditionell türkischen Instrument, wurde man auch für einen Moment direkt in ihre Heimat versetzt. Selbst der teils autogetunte Gesang hat da irgendwie zusammengepasst, ein wirklich cooler Auftakt!

EVÎN am Mittwoch
Acid-House Duo Aili
Foto: Illias Terlinck

Für Fans deutschsprachiger Musik gab’s unter anderem (wenn man die fast geländeweite Schlange überwunden hat) Charlotte Brandi mit ganz viel Hall, Chamber-Pop Vibes und einer virtuosen Stimmgewalt die stellenweise an Islands Zauberfee Björk erinnerte. Ganz anders ging’s ein paar Meter nebenan am späteren Abend bei Aili zu. Im beengten Club legte das Duo in bester Laune feinsten Acid House meets Krautrock meets Leftfield Pop auf – ja wer hier verwirrt ist bei den ganzen Bezeichnungen: es wurde heftig getanzt, es war bunt und es wurde auch japanischsprachig gesungen. Irgendwann gab es sogar eine Aerobic Einlage, bei der ich dann zwar nicht mitgemacht habe, die aber stimmungstechnisch (oder musikalisch) ein bisschen Fusion-Festival nach Berlin brachte.

Die psychedelische Note, die man dem Festivalplakat anhängen könnte (wenn man keine Ahnung von Pilzen hat), wurde vielleicht am ehesten bei God is God verkörpert. Lautmalerisch legte die weißrussische Sängerin Galina Ozeran ihre Stimme über Etkin Çekins Trommeleinlagen. Das Ergebnis hätte auch gut als Soundtrack für den nächsten Dune Film durchgehen können, war aber vor allem auch wieder wirklich etwas wofür man das Pop-Kultur Festival feiern kann: Gefühlt reist man hier durch ganz Europa (und um nochmal die Werbetrommel zu rühren: für nur 75 Euro). Absolut hörenswert!

Sorry… (so heißen die)

Highlight am späten Abend waren dann aber die Londoner von Sorry: Nun, zumindest nachdem es eine Dreiviertelstunde später (wegen technischer Probleme) losging. Die Band um Sängerin Asha Lorenz gab alles und riss mit wuchtiger Präsenz die Zuschauenden in ihren Bann. Sorry kombinieren die Melancholie vom 90s Grunge, den Spaßfaktor von Grime und Hip Hop, die Spielfreude der frühen Bloc Party mit ganz viel Experimentiersinn und Charakter. Und sie waren sich nicht zu schade zu ihrem Song Cigarrete Packet ein paar Fluppen anzuzünden, wie cool kann man denn noch sein?

Eis for free & Liebe für Refrains

ein bissiges Duo: Andreas Dorau & Gereon Klug (Foto: Carsten Friedrichs)

Groß ist das Gelände nicht gerade, dafür ist man bei den knapp 10 Clubs / Veranstaltungslocations schnell am Ziel. Das ist auch wirklich notwendig, wenn man nicht allzu viel verpassen will. Für die verhältnissmäßig kuschelige Größe bietet das Pop-Kultur eben auch eine ziemliche Masse an Künstler*innen-Performances. So zum Beispiel das interaktive Tanz-Kunstfilm-Musik-Auftritts Gesamtkunstwerk von Portrait XO und Neil Mendoza – ein futuristischer Trip mit philosophischem Tiefgang zum Thema KI und Technik, zu der man theoretisch noch tanzen konnte. Ebenfalls viel vertreten waren Lesungen zu vielen aktuell wichtigen Themen, wie der Rolle Afrikanischer Künstler*innen in der Musikbranche oder dem Thema Skandal und Moral in der Popkultur (Stichwort Rammstein). Ein persönliches Highlight war dann noch die Lesung zu Sven Regners und Andreas Doraus Buch, das “Leider Geil”-Urheber Gereon Klug mit spitzbübischem Sarkasmus vorlas. Neben einer sehr durchwachsenen DJ Karriere, ging es auch noch um die großartig schrägen Videos von Gesamtkunstwerk Dorau und darum, warum Refrains das einzig gute an einem Song sind.

Radios mit orangenem Farbzug waren by the way zahlreich vertreten: Deutschlandfunk mit eigenem Eisstand (for free) und Radio eins die dann das vielleicht größte Highlight am Freitag aufnahmen:

Lavendeltreppen & ein verpasster Tag

Zweites großes Highlight des Festivals war für mich der Auftritt der fantastischen Düsseldorf Düsterboys. Im Poncho (der eine) spielten sich Peter Rubel & Pedro Goncalves locker die Bälle zu, mal beim überragend harmonierenden Gesang, beim folkigen Fingerpicking oder zwischen den Songs, wahlweise mit Ansagen wie: “Das war Peter mit Nenn mich Musik in D-Dur. Und nun das nächste Lied im gleichen Akkord” “Ja haben wir uns so ausgedacht, könnte ein guter Übergang sein, pass auf. es geht es jetzt hier so weiter.” oder einem Kasettenrekorder der kurz andere Düsterboys Tracks anspielt die man “ausversehen” immer wieder anmacht – ein bisschen fühlte ich mich wie bei einem Helge Schneider Auftritt. Zwar gabs nicht DEN Kaffee Song schlechthin (“Kaffee aus der Küche”), aber dafür viel sehr viel gute Songs aus dem aktuellen Album, wie zum Beispiel den hier:

Wir hatten trotz des verpassten zweiten Tages (mit Fuffifufzig! 🙁 ) eine wirklich gute Zeit und können das Pop Kultur wirklich nur empfehlen, falls man die Gelegenheit hat, easy in Berlin unterzukommen. Leider haben wir die Diskussionsrunden wegen der vielen spannenden Konzerte verpasst, das würde ich beim nächsten Mal auf jeden Fall nachholen. Alles in Allem kann man aber echt sagen: Die Wundertüte Pop-Kultur ist mindestens so bunt wie die Pilzbevölkerung in deutschen Wäldern – oder so. Außerdem: Wo sonst kann man mal einen richtig guten Döner während eines Festivals genießen?


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