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“Jetzt müssen wir nur noch herausfinden, wie man davon auch leben kann.” – Interview mit Omni Selassi

Geschrieben von am 29. August 2023

Sie mischen Drone, Krautrock und Punk, manchmal stehen sich auch nur die zwei Schlagzeuge in einem Drumm-Strudel gegenüber, während sich die dritte im Bund am Mischpult austobt. Rea Dubach, in Bern ausgebildete Jazzsängerin, brachte ihren Kommilitonen Lukas Rutzen aus Leipzig und Mirko Schwab aus Bern zu einer Band zusammen, aber wie genau das so kam finden die drei nicht so spannend. Im September 2022 veröffentlichte das Trio sein Debütalbum “Dance or Dye”, seitdem sind sie eigentlich nur am Auftreten und das merkt man. Auf dem Haldern Pop bringen Omni Selassi am Freitagmorgen um 12 Uhr den Veranstaltungsraum vom örtliche Jugendzentrum zum Beben. Während das noch müde wirkende Publikum etwas überrumpelt wirkt von dem was da auf sie zu ballert, lassen die drei Musiker*innen soundmäßig alles los und übereinander. Ich treffe Rea, Lukas und Mirko nach ihrem Auftritt mit einem Eiskaffee in der Hand IM Eiscafé auf der anderen Straßenseite. 

Radio Q: Moin, wie gehts, wie ist eure Stimmung so? Wie fandet ihr den Ort da oben zum Auftreten? 

Mirko: Ja, es kam uns ein bisschen bekannt vor, weil wir kürzlich in einem Jugend-Mehrzweckraum gespielt haben. Das war auch ganz geil. Das könnte was werden. Es könnte was Dauerhaftes werden.(lacht) 

Radio Q: Ich hatte bei eurem Auftritt das Gefühl, dass ein Großteil von allem, was ihr gemacht habt, eigentlich relativ frei improvisiert war. War das so ? Also ist das die Art, wie ihr auftretet, dass ihr live eigentlich hauptsächlich frei was macht?

Lukas: Also es freut mich, dass du den Eindruck hattest, dass es so rübergekommen ist. Allerdings ist es überhaupt nicht der Fall. Ich weiß nicht, ob das irgendwas aussagt, über irgendeine Qualität oder so. Also es ist schon auf jeden Fall auf irgendeine Art und Weise immer so der Grind der Improvisation dabei. Wir versuchen uns natürlich auch immer ein bisschen zu befreien, von den Songs in Anführungszeichen und von dem ganzen Plan. Aber es gibt schon einen super krassen Plan! (lacht)

Radio Q: Ich hab in das Album von euch reingehört und auch gelesen, dass ihr teilweise aus dem Jazzstudium kommt. Wie kommt man von so einem klassischen Jazzstudium dahin dann in diese Musikrichtung zu gehen? 

Rea: Ich glaube, dass ist die einzige Konklusion davon für uns.  

Lukas: Also für die paar aus der Band, die das studiert haben, es haben nicht alle Jazz studiert. 

Rea: Und ich denke, das ist wie ein sich das auch wieder abschütteln und unbedingt loslassen und alles noch mal von vorne denken und offen bleiben. Und nicht zu viel denken, das hat man genug gemacht im Studium. Jazz-Traditionen, das ist ja schon lange her.

Lukas: Man muss aber auch sagen, dass unser Jazzstudium mittlerweile schon lang genug her ist. Keiner kann mehr Jazz spielen (lacht). 

Rea: Irgendwie haben wir uns da so reingesneakt.

Radio Q: Ich find das total spannend. Ich hab ein paar Freunde, die in Köln Jazz studiert haben und die jetzt aber auch nach dem Studium überhaupt nicht in die Jazz-Richtung gegangen sind, sondern auch in Richtung  Neue Musik, Experimental, Noise – ich hab mich gefragt, ist das ein Trend wenn man Jazz studiert, dass man danach das Gefühl hat, irgendwie kommt man hier nicht weiter?

Rea: Wie gesagt, es ist für mich die logische Konklusion und vielleicht ist es auch einfach mein Naturell, aber sobald ich zu lange in einem Korsett sein muss, will ich da halt wieder raus und dann setze ich alles in Bewegung, damit ich da wieder rauskomme. Und zum anderen zumindest in der Schweiz kannst du Jazz studieren oder Klassik. Ja, und in ganz abwegigen Schulen „Pop“, was auch immer das heißt. Und dann hat man halt Jazz studiert, weil man dann nicht Klassik studiert hat. Heißt aber noch lange nicht, dass man das wirklich machen will in diesem Idiom. Man beginnt halt irgendwo und dann geht man weiter und stolpert über neue Dinge. Im besten Fall erfindet sich neu, erfindet neue Sachen oder hat Bock auf anderes.

Radio Q: Hat euch da die Musikszene in Bern beeinflusst? Oder seid ihr vielleicht in eine ganz gegensätzliche Richtung gegangen zu dem, was da vor Ort passiert?

Mirko: Es hat uns eigentlich eher geprägt, dass wir dann rumgekommen sind. Und auf Tour dann ganz viele nette Leute kennengelernt haben, die auch zum Spielen kommen. Das ist eher das Ding – der Austausch mit diesen vielen anderen Bands, die man trifft, die auch irgendwelche Sachen machen die cool sind. Viele davon sind in Belgien gerade. Stakattak zum Beispiel, würde ich mir mal anhören.

Radio Q: Die letzten 15 Minuten von eurem Set haben sich für mich sehr Trance-mäßig angehört, dieser letzte lange Track wo ihr immer wieder mit dem Bass reingegangen seid. Und ich hatte irgendwann das Gefühl, ich bin in einer Séance oder so. Irgendwie schwang da für mich was Spirituelles mit in dieser Musik. Habt ihr dahin irgendwelche Anknüpfungspunkte oder ist für euch Musik spirituell?

Lukas: Ich denke, es hat auch was mit dem Ort zu tun. Es heißt ja der Verein „Heimlich berühmt“- katholischer Jugendclub Haldern. Und natürlich sind da diese Vibes irgendwie da.

Mirko: Du bist doch Katholik.

Lukas: Ich bin natürlich auch Katholik. 

Mirko: Das merkt man in der Musik, den rheinländischen Katholizismus (lacht). Ich wäre gerne Katholik, bin aber protestantisch aufgewachsen.

Lukas: Das ist diese Reibungsfläche zwischen uns ne? (lacht)

Rea: Ich bin aus der Kirche ausgetreten, als ich elf war. Ich denke, ich bin wohl ein recht spiritueller Mensch, aber ich lebe es eher über die Natur und Beobachtungen. Für mich ist Musik auf jeden Fall etwas Spirituelles. Aber ich mag diese Begrifflichkeiten nicht so. Es kann sehr schnell in Esoterik abdriften und ich finde, Worte in diesem Sektor machen oftmals Dinge ein bisschen platt. Aber ich kann relaten zu dem was du sagst. Im Sinne von, ich glaube fest daran, wenn Menschen zusammenkommen im Raum und irgendwie gerne zusammen sind, das es einen Austausch gibt, nur durch das körperliche. Übrigens auch für Publikum und Künstler. Dass dann halt eigentlich was Spirituelles passiert, wenn man das so nennen will. Ob es dann in eine Hall-Soße oder ein Drone, etwas ganz Greifbares geht. Oder ob es Punk ist. Für mich ist, wenn du so willst, Spiritualität das Zusammenkommen und das Austauschen, was man ist und das nicht-verstecken.

Mirko: Ist auch manchmal ganz geil, wenn alle besoffen sind. Spirituell, da stelle ich mir etwas vor wie eine Darbietung, die ganz still und andächtig genossen wird. Mich ergreift oft mehr, wenn einfach alle ein bisschen umfallen im Publikum und sich die Sache vermischt. Und das ist dann vielleicht spirituell. 

Lukas: Heute waren noch nicht so viele Leute besoffen. 

Radio Q: Da gibt ja diese Bands, die in die experimentelle Richtung gehen und sagen, wir haben voll die Agenda dahinter und dann auch Punkbands, die sich politisieren oder so, das ist aber bei euch ja nicht der Fall, oder? Das ihr damit irgendein Statement abgeben wollt? 

Lukas: Nein. Das lehnen wir ab. (lacht) 

Radio Q: Ich habe auch gelesen, dass ihr jetzt alle eure vorherigen Jobs aufgegeben habt… würdet ihr sagen das war notwendig?

Mirko: Ich denke, für Lukas was persönlich sehr notwendig, dass er diesen Job gekündigt hat. Und für uns… ich glaube, es ist schon geil, dass wirklich vor allem Musik machen und dass alles, was irgendwie noch Lohnarbeit bedeutet, flexibel ist, so dass man eigentlich immer, wenn man Bock hat, auch spielen gehen kann. Das ist, denke ich, schon wichtig für das was wir machen wollen. Aber ich mag das Thema nicht so, weil ich gerade kein Geld habe und deshalb würde ich das gerne verdrängen (lacht). 

Rea: Wir spielen zwar viel, aber verdienen nichts… ja ich glaube, ich bin da recht ideologisch unterwegs. Also ich habe mich vor Jahren entschieden, Musik zu machen. Und  wenn das dann der Preis ist…ich glaube fest daran, dass wenn man etwas wirklich macht und nichts anderes machen will, dann kommt es gut, so oder so! Aber das heißt nicht, dass es vielleicht der einfachste Weg ist. Aber für mich gebe es keinen anderen Weg. Wir könnten nicht so viel unterwegs sein, wenn jetzt alle noch einen Job hätten. Und das ist ein geiler Preis. Jetzt müssen wir nur noch herausfinden, wie man davon auch leben kann.

„Ah das ist aber ein schönes Gedudel – ah, da dudel ich jetzt dieses!” Und dann dudelt es.

Lukas Rutzen

Radio Q: Wenn ihr Songs schreibt für eine neue Platte, wie geht ihr da vor? 

Lukas: So bis zum Ende? Vielleicht gibt es das ja nie, das fertige Endprodukt. Das verändert sich ja auch die ganze Zeit und wir verändern es auch ganz bewusst, weil wir das Stadium von den Stücken auch immer wieder ändern wollen, damit es für uns interessant bleibt. Aber das Initial-Ding ist eigentlich immer, dass wir einfach irgendwie so vor uns hin dudeln zusammen und dann sagt irgendeiner „Ah das ist aber ein schönes Gedudel – ah, da dudel ich jetzt dieses” Und dann dudelt es.

Mirko: Das zeichnet sich ja auch ab, wir haben gar nicht so viele Songs. Wenn da was rauskommt, besteht die Gefahr, dass es eigentlich was altes ist was wir irgendwie gewandelt haben.

Lukas: Manchmal kommt dann der Punkt – “Aha, das können wir jetzt so noch aufnehmen.” Es hat sich genug weit von der ersten Version entwickelt. Ja, ja, das geht manchmal auf.  Aber das ist eigentlich alles nur ein Song. Alles dasselbe. Genau.

Rea: Alles gemeinsam ein Song. Dann irgendwann festgehalten.

Lukas: Der Songwriting Prozess, den wir nicht so oft haben, ist schon irgendwie harte Arbeit für mich. Das ist schon sehr nervig.

Rea: Man kriegt sich dann auch am meisten in die Haare. Irgendwo eingeschlossen zwei Wochen in ner Hütte

Lukas: Bald ist es wieder so weit.

Rea: Juhu (lacht).

Kraftort Münster

Radio Q: Also ist was Neues geplant?

Rea: Es muss was neues passieren, also dieses Set, das spür ich jetzt nicht mehr. Das spielen wir jetzt seit zwei Touren. Seit Mai. 

Mirko: Aber die Songs spielen wir schon seit letztem Herbst so…

Rea: Nee, aber nicht so, das hat sich ja nochmal verändert. Alles klar, wir spielen es seit drei Wochen (lacht)

Mirko: Das sind vielleicht schon 30 Konzerte oder so. Wir müssen mal schreiben, irgendwo wo uns niemand sieht. Oben im Norden. Münster?

Radio Q: Münster ist zu spießig für so was.

Lukas: Sehnsuchtsort Münster. Kraftort Münster. Das ist doch ne Fahrradstadt oder?

Radio Q: Ja, aber eine zu reiche Fahrradstadt.

Lukas: Ach so mit E-Bikes, da sind sie wieder so auf der E-Bike Welle. So E-Cargo Bikes fahren da nur noch rum. Das ist gefährlich für Fußgänger mittlerweile.

Radio Q: Was schaut ihr euch hier heute noch an?

Mirko: Weiß nicht, was schlägst du vor?

Radio Q: Heute Nacht ist Glauque auf der Mainstage, die gehen in Richtung clipping, aber auf französisch. 

Mirko: Ah geil!

Lukas: Mir wurde auch was empfohlen, Gurriers! Danke dir, für das Interview!

Radio Q: Ich danke euch für eure Zeit, war sehr schön!