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Ein Interview mit Σtella an der Nordsee

Geschrieben von am 14. August 2023

Auf dem Watt en Schlick Fest in Dangast dürfte Radio Q Redakteurin Frieda Krukenkamp die griechische Musikerin Σtella interviewen. Es ging um ihr aktuelles Album “Up and Away”, Schüchternheit und warum sie Spotify kein Geld gibt.

Radio Q: Ich sitze hier auf dem Watt en Schlick Festival. Es ist Sonntag, es ist ein bisschen regnerisch und windig, aber ich bin nicht allein. Willst du dich zuerst vorstellen?

Stella: Ja! Hey, ich bin Stella. Ich bin eine Musikerin aus Athen, Griechenland. Wir sind das erste Mal bei Watt en Schlick und es ist ein tolles Festival. Wir hatten eine tolle Zeit und ich bin wirklich sehr froh, hier zu sein.

Radio Q: Das Wichtigste zuerst. Wie war dein Konzert heute?

Stella: Ich habe das Konzert wirklich sehr genossen. Am Anfang hat es geregnet, kurz bevor wir gespielt haben, aber als wir auf die Bühne kamen, verzogen sich die Wolken und die Sonne kam heraus. Ich denke, wir hatten großes Glück. Das Publikum war sehr warmherzig, die Stimmung war wirklich cool und wir hatten das Meer vor uns!

Radio Q: Ich hatte das Gefühl, dass der Vibe deiner Musik perfekt zu diesem Festival passt. Wo würdest du lieber einen Strandtag verbringen: hier an der Nordsee oder in Griechenland?

Stella: Das ist eine schwierige Frage. Ich denke, es gibt hier andere Dinge zu entdecken und zu schätzen, und andere Dinge in Griechenland. Griechenland ist sehr berühmt für seine schönen Strände und das tolle Wetter, aber ich denke, man findet in jedem Land schöne Dinge. Für diese bestimmte Frage würde ich Griechenland vorziehen. Aber ich habe den Tag hier trotzdem genossen und das Festival und alles! Ich glaube nicht, dass wir in Griechenland solche Festivals haben. Es ist echt ein Privileg, hier zu sein.

Radio Q: Du tourst ja viel durch Deutschland: Lass uns also mal über Klischees sprechen. Die haben bekanntlich immer einen wahren Kern. Welches Klischee über Deutschland ist für dich wahr?

Stella: Ich glaube, ein Klischee über Deutsche ist, dass sie sehr organisiert sind, und in den meisten Fällen stimmt das auch. Und das ist etwas, das ich persönlich mag. Ich mag es, organisiert zu sein, und ich mag es, einem Verfahren zu folgen. Und vor allem bei Musik und allem anderen muss man sehr sorgfältig sein und darf nicht zu spät kommen.  In bestimmten Situationen mag ich auch eine gewisse Anarchie. Aber es gibt für alles seinen Platz.

Radio Q: Du bist eine griechische Sängerin und Songwriterin und bei deinem letzten Album konnte man das besonders raushören: wegen der griechischen Instrumente Bouzouki und dem Kanon. Dein jetziges Album klingt damit anders als die anderen. Willst du tiefer in den griechischen Sound eintauchen oder war das nur ein Projekt für dieses Album?

Stella: Nun, ich denke, ich bin definitiv von der griechischen Kultur und der griechischen Musik und der Bouzouki beeinflusst. Besonders dieses Album war sehr besonders darin, was wir mit Tom (Tom Calvert, Redinho), dem Produzenten, gemacht haben. Aber ich denke, auch in meinen früheren Alben gab es kleine Ideen, mit dieser Kultur in Kontakt zu kommen. Dort habe ich einige der Gitarren so gespielt, als ob sie wie eine Bouzouki klingen würden, aber es war nicht wirklich eine. Meine Musik ist definitiv von griechischer Musik beeinflusst. Dieses Album ist aber sehr besonders und das liegt daran, dass Tom, der Produzent, ein Album machen wollte, das wie eine alte Platte klingt, die jemand in einem 60er Jahre Plattenladen in Athen gekauft hat. Ich bin mir nicht sicher, ob ich genau so weitermachen werde. Ich denke, es war für genau dieses Projekt bestimmt.

Radio Q: Das Album heißt Up and Away und wurde letztes Jahr im Juni veröffentlicht und ist dein viertes Album. Der Weg bis zum Release ist, denke ich, oft ein Auf und Ab der Gefühle. Welcher Song auf dem Album war so etwas wie ein Sorgenkind, das schwer zu produzieren war oder dich mehr darüber nachdenken ließ?

Stella: Ich glaube, bei diesem Album hat sich alles so ziemlich von selbst geschrieben. Es war wirklich einfach zu produzieren. Ich hatte das Gefühl, dass alles in einem Guss entstand.  Von Anfang an bis wir die letzten Songs fertig hatten. Ich glaube, es ist eines der einfachsten Alben, das ich je gemacht habe. Vielleicht kann ich es mit einem ersten Date vergleichen, bei dem man sich nicht anstrengen muss und alles ganz leicht und natürlich funktioniert. 

Radio Q: Ich habe ein Interview mit dir gelesen, in dem du gesagt hast, dass du sehr schüchtern warst. Du hast dich jetzt gebessert, meintest du. Hast du denn Tipps für schüchterne Menschen, die ihre Schüchternheit überwinden wollen?

Stella: Das ist eine Reise! Als Kind hatte ich wirklich eine Leidenschaft für Musik. Ich spürte sie in mir, und sie wuchs. Und eine Sache, die mich von diesem Gedanken abhielt, war, dass ich das nicht tun kann. Ich kann nicht auf die Bühne gehen. Ich kann nicht vor Leuten singen. In der Schule konnte ich kaum ein Gedicht vortragen. Ich hatte wirklich ein großes Problem mit meinem Selbstwertgefühl. Ich glaube, das war etwas, womit ich viele, viele Jahre lang gekämpft habe, denn ich habe erst mit etwa 30 Jahren angefangen, vor Leuten aufzutreten. Ich glaube, das Einzige, was ich dazu sagen kann, ist, dass man sich jeder Art von Angst, die man hat, direkt stellen sollte. Lauft zu ihr, wenn ihr könnt! Das ist der einzige Weg, wie du sie überwinden kannst. Seh ihr direkt in die Augen und mach den Schritt, den Sprung und konfrontiere deine Angst! Sonst wirst du nur mit dem Gedanken zurückbleiben.

Radio Q: Hast du das Gefühl, dass diese Reise zu Ende ist und du nicht mehr schüchtern bist? Oder ist es immer noch eine Reise?

Stella: Nein, wenn ich zu Beginn auf einer Bühne stehe, bin ich immer noch schüchtern. Viele andere Künstler haben so eine spezielle Bühneneinstellung, aber ich bin immer noch schüchtern. Ich arbeite immer noch daran und stelle mich meiner Schüchternheit und versuche, mit dem Publikum in Kontakt zu treten. Und je mehr ich Kontakt aufbaue, desto mehr verschwindet sie. Und das gilt für die ganze Show. Es wird besser.

Jeder Art von Angst, die man hat, sollte man sich direkt stellen. Lauf zu ihr, wenn du kannst! Das ist der einzige Weg, wie du sie überwinden kannst. Seh ihr direkt in die Augen, mach den Sprung und konfrontiere deine Angst!

Σtella

Radio Q: Lass uns über den Videoclip der Single Up and Away sprechen: Darin wird die wahre Geschichte zweier griechischer Musiker erzählt, die vor Nazis flüchten. Auch in anderen Songs wie Titanic erzählst du eine Geschichte. Woher nimmst du deine Inspiration für dieses Songwriting?

Stella: Nun, ich denke, es ist einfach so, dass ich über Dinge lese oder von Dingen höre, und wenn etwas meine Aufmerksamkeit bekommt, dann habe ich das Gefühl, dass ich etwas darüber schreiben kann. Ich meine, die Titanic ist eine der populärsten Geschichten der Welt und gerade im Moment sehr präsent, vor allem durch das, was passiert ist. Aber eines Tages dachte ich einfach über die Menschen nach. Die Namen, die ich in der Strophe erwähnt habe, sind Namen von Menschen, die überlebt haben, denn auf der Titanic gab es verschiedene Decks, und je nachdem, wie reich man war, war man höher. Und wenn man arm war, war man unten. Die Leute, die überlebten, waren im Grunde reich, und viele, die starben, waren arm. Ich habe darüber nachgedacht wie die Klasse Menschen trennen kann und sie in eine bestimmte Position bringt. Das gefällt mir nicht. Also dachte ich, ich sollte etwas darüber schreiben. 

Und bei Up and Away war es eine Geschichte aus der Zeit, als in Griechenland Krieg herrschte und die Leute in Kellern und Verstecken sangen. Ich habe darüber gelesen und fand das wirklich beeindruckend. Diese beiden Musiker verließen die Taverne, sie spielten und als sie auf dem Weg zu ihren Häusern waren, trafen sie auf deutsche Truppen, die anfingen, auf sie zu schießen, und sie begannen zu rennen und retteten sich, indem sie auf das Pferd in Athen sprangen. Ja, genau. Ich dachte, das sei eine sehr inspirierende Geschichte.

Radio Q: Hier sind wir also auf dem Watt en Schlick Fest in Dangast. Es ist ein kleines und sehr einzigartiges Festival. Wenn du ein Festival entwerfen könntest, wie würde es aussehen?

Stella: Ich glaube, ich mag vor allem Festivals, die sich in der Größenordnung des Watt en Schlick Fests bewegen. Ich bin kein Fan von großen Festivals, weil ich denke, dass man etwas verliert, wenn zu viele Leute da sind. Und ich denke, dass kleine Festivals es wärmer und gemütlicher machen. Wenn ich ein Festival entwerfen würde, dann wären es vielleicht maximal drei Bühnen. Und ich würde lieber alles sehr schön dekorieren und den Leuten, die kommen, ein wirklich gutes Erlebnis bieten, als etwas, das außer Kontrolle ist. Aber ich liebe dieses Festival und denke, dass es eines der besten Festivals ist, auf dem ich je war und gespielt habe! 

Radio Q: Radio Q ist das Campusradio aus Münster. Dort gibt es viele, viele Studierende. Ich habe gelesen, dass du in Athen Kunst studiert hast. Wenn du in der Zeit zurückgehen könntest, welche Weisheit würdest du deinem jüngeren Ich in deiner Studienzeit sagen?

Stella: Wenn ich in der Zeit zurückgehen würde, würde ich mir wohl keine Ratschläge geben. Und das liegt nicht daran, dass ich alles richtig gemacht habe. Aber ich denke, besonders wenn man jung ist, muss man sehr vorsichtig sein, von wem man Ratschläge bekommt. Jedes Mal, wenn man einen Ratschlag von jemandem erhält, muss man sich fragen, wer diese Person ist, die einem diesen Ratschlag gibt, und warum man diesen Ratschlag erhält. Und ich denke, Ratschläge sind eine heikle Sache, denn ich denke, jeder Mensch hat seinen eigenen Weg im Leben, seine eigene Reise. Und manchmal denke ich, dass ich Zeit verschwendet habe. Aber dann habe ich erkannt, dass keine Zeit verschwendet wird. Und selbst wenn du zwei Jahre lang Videospiele spielst, ist das in Ordnung. Vielleicht hast du das gebraucht. Und wir müssen nicht super streng mit uns selbst sein. Wir müssen jede Minute so genießen, wie sie ist.

Radio Q: Das ist eigentlich ein guter Ratschlag.

Stella: Oh, Scheiße.

Wenn ich in der Zeit zurückgehen würde, würde ich mir wohl keine Ratschläge geben. Und das liegt nicht daran, dass ich alles richtig gemacht habe. Aber ich denke, besonders wenn man jung ist, muss man sehr vorsichtig sein, von wem man Ratschläge bekommt.

Σtella

Radio Q: Ich interessiere mich für deine Lieblingsmusik. Was hörst du gerade, wenn du auf Tour bist? Wie sieht dein Spotify aus?

Stella: Ich bezahle Spotify nicht wirklich, weil es mich nicht wirklich bezahlt. Das ist heutzutage ein kleines Problem mit der Musik. Ich weigere mich, für solche Plattformen zu bezahlen. Aber ich höre Musik. Ich kaufe Platten. Ich stehe mehr auf Musik von früher als von heute. Ich meine, ich höre mir auch Sachen an, die heutzutage veröffentlicht werden. Vielleicht ist es wie eine Art Zeitreise , denn ich höre mir Sachen aus verschiedenen Jahrzehnten an und versuche, Sachen zu finden, die älter sind. Ich höre mir eine Menge Sachen aus verschiedenen Bereichen an.

Ich bezahle Spotify nicht wirklich, weil es mich nicht wirklich bezahlt.

Σtella

Radio Q: Ich habe noch eine letzte Frage: In unserer Musikabteilung bei Radio Q haben wir eine Kategorie, die “Platte für die Insel” heißt. Wenn du auf einer einsamen Insel wärst und du nur ein einziges Album hören könntest: Welches wäre es für dich?

Stella: Eine sehr schwierige Frage. Ich könnte stundenlang darüber nachdenken. Es gibt dieses Album von Gerry Rafferty. Ich glaube, es ist das Album aus den 70ern und heißt “City to City”.

Radio Q: Danke für das Interview!

Stella: Ich danke euch!

Das Interview führt Frieda Krukenkamp, Juli 2023