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“Da kommt dann schon die Lust hoch.” – Pabst im Interview bei Rock am Ring 2023

Written by on 8. August 2023

“Es sollte mit dem Teufel zugehen, wenn dieses Trio nicht schon bald internationale Beachtung erfährt.” So schreibt die Intro in ihrem Review zum Album Chlorine im Jahr 2016 über die deutsche Indie-Rock Band Pabst. Seitdem sind die drei Berliner Erik Heise, Tore Knipping und Tilman Kettner viel herumgekommen und haben Support-Konzerte vor großen Acts wie Casper, Drangsal und Billy Talent gespielt. Nach ihrem Auftritt bei Rock am Ring hat sich Radio Q-Musikredakteurin Sontje Mölders mit den drei Jungs unter anderem über das Erarbeiten einer Bühnenpräsenz, die Frauenquote auf Festivals und ihre Prozesse beim Songwriting gesprochen. (Credit Titelbild: Roberto Brundo)

Wall of Death beim Pabst-Konzert auf der Orbit Stage bei Rock am Ring (Foto: Sontje Mölders)

Q: Ihr habt ein super Crowdwork abgeliefert und wirklich gut animiert. Habt ihr lange gebraucht, das so aufzubauen oder ging das von vornherein? 

Erik: Nee, das hat schon ein bisschen gedauert. Wir haben uns, als wir mit der Band angefangen haben, bei sowas immer total quer gestellt. Wir dachten, die Leute die keinen Bock haben, haben halt keinen Bock. Und dann haben wir irgendwann gemerkt, man braucht halt irgendwie so einen Moment, wo alle das Gleiche machen. Das ist dann meistens der Eisbrecher. Und wenn man dann ein Festival-Publikum hat, merken wir dann auch, dass die dann halt viel auch schon von allein anleiten. Und es hat auch wirklich lange gedauert, würde ich sagen.

Tilman: Ich würde sagen, wir haben von den Besten gelernt auf der Tour mit Leoniden. Die haben uns das beigebracht damals.

Q: Ihr habt schon gesagt, dass es auf einem Festival von der Stimmung her was anderes ist. Gibt es sonst noch Unterschiede für euch als Band, wenn ihr performt? Im Vergleich zu einem eigenen Konzert?

Erik: Mal abgesehen von der Bühnengröße. Auf Festival-Shows sind halt wahrscheinlich zum größten Teil immer Leute, die einen nicht kennen. Also würde ich jetzt immer noch bei uns denken. Und das ist immer ganz besonders spannend, weil da muss man vielleicht ein bisschen anders interagieren als bei einer eigenen Show, wo man weiß, dass alle die da sind, die Band schon mal gehört haben. Das ist dann eine andere Atmosphäre. Und unsere eigenen Konzerte sind halt noch viel kleiner.

Q: Was macht euch persönlich mehr Spaß?

Tilman: Schwierig. Es macht schon Bock vor einem Publikum zu spielen, was man nicht kennt und die dann rumzukriegen. Da kommt dann schon die Lust hoch. Irgendwie hat beides so seine Eigenheiten. Am Ende ist es doch aber so, dass vor den Leuten zu spielen, die einen irgendwie von Anfang an mögen, schon mehr Charme hat. Das ist schon noch mal geiler, weil man weiß, die Leute haben Bock und dann hat man auch selber Bock. Und wenn die es dann auch direkt so zeigen, dann ist es einfach geil.

Pabst auf der Orbit-Stage bei Rock am Ring 2023 (Foto: Sontje Mölders)

Q: Eure Musik wird ja auch gerne als Stoner-Rock bezeichnet. Wie wichtig sind Drogen bei euch im Songwriting Prozess?

Erik: Ach, überhaupt gar nicht. Also wir können auf Drogen, aber auch betrunken oder so, nichts machen. Also Alkohol ist ja auch eine Droge, dass darf man ja jetzt nicht irgendwie runterspielen, aber das ist ja immerhin extrem normalisiert. Selbst in so einem Zustand würde ich sagen, kriegen wir nicht viel gebacken. Also nein, null. Es muss alles nüchtern geschehen.

Es muss alles nüchtern geschehen.

Erik Heise

Q: Wie läuft das Songwriting dann bei euch ab? 

Erik: Das ist unterschiedlich. Also jetzt vor allen Dingen für das letzte Album, Crushed by the Weight of the World, da war es halt so, dass wir diese Lockdown-Zeit über jeder für sich ganz viel aufgenommen hat. Dann haben wir uns das gegenseitig vorgespielt, ausgewählt und ausprobiert und dann ist eigentlich die Platte wirklich aus Ideen von allen entstanden. Und manchmal ist es dann so, dass eine Person eher die Idee hat, die anderen dann noch sagen: “So ist es perfekt” oder “Ach, da habe ich auch noch was”. Das ist super unterschiedlich.

Q: Ihr habt ja auch durchaus so ein bisschen politische Anspielungen in euren Texten. Wie findet ihr da so die Balance zwischen euren persönlichen Haltungen und dem, was ihr als Band dann auch raushaut? 

Erik: Na ja, da macht man ja vielleicht nicht den allergrößten Unterschied zwischen. Das ist ja schon so, wenn ich jetzt einen Text schreibe, dann ist der vielleicht manchmal so ein bisschen um die Ecke, also dann ist es nicht total direkt, sondern vielleicht aus einer anderen Perspektive erzählt. Aber es ist jetzt nicht so, dass da jetzt ein Text ist, der irgendwie nicht mit meiner Überzeugung übereinstimmt, das gibt es eigentlich nicht.

Q: Politisch zwar eine ganz andere Richtung, aber Pantera ist auch eigentlich angekündigt gewesen im Line-Up und dann aufgrund eines Shitstorms eben doch ausgeladen worden, wegen extrem rechten Handlungen auf der Bühne. Habt ihr Angst, wenn ihr jetzt doch eher linkere Sachen promotet, dass das euch auch passieren kann, wenn es vielleicht einen gesellschaftlichen Umschwung gibt? 

Erik: Wir sind ja jetzt nicht die krassesten Kommunisten oder keine militanten Linksextremen und wenn wir jetzt mit unserer Haltung, die wir da jetzt irgendwie nach außen tragen, schon nicht auf einem Festival gebucht werden, dann hat das alles seine Richtigkeit. Dann wäre es echt einfach nur schlimm. Ich glaube auch so ein Festival wie jetzt Rock am Ring, diese ganzen Mainstream Festivals, wenn die wegen einem Hitlergruß eine Band nicht ausladen, das ist das Einzige, was sie machen müssen. Das merkt man ja auch beim Rest des Bookings. Ich meine Five Finger Death Punch ist auch so ein Beispiel. Die haben jetzt von sich aus aus Krankheitsgründen abgesagt, aber da hätte man ja genauso viele Anhaltspunkte finden können.

Q: Ist es dann als Act schade, wenn man auf so einem Festival eingeladen ist, wenn man mitkriegt: “Okay, also manche Acts werden ausgeladen aber nur weil es in der Öffentlichkeit einen Shitstorm gibt und andere Acts, die ähnliche Dinge machen, eben nicht?” 

Tilman: Ich glaube, es ist schwierig, da den Überblick zu behalten. Ich kann jetzt nicht sagen, wer bei Rock am Ring alles wie politisch behaftet ist. Das wüsste ich gar nicht. Aber ich denke bei einem Booking ist das schon irgendwie eine Aufgabe, sich damit kritisch auseinanderzusetzen und dann zu sagen: “So eine Band buche ich und so eine Band, der wollen wir vielleicht keine Plattform geben.” Aber für uns als Band ist das schwierig. Ich glaube nicht, dass wir da eine Meinung rüberbringen können, die dann einflussreich ist. Also als Band wie wir sie jetzt gerade sind. Also die Toten Hosen haben klar einen Einfluss. Die haben eine ganz andere Position, aber bei uns weiß ich jetzt nicht. 

Erik: Die Toten Hosen haben ja ihr Statement dazu rausgehauen und diplomatischer als das Statement geht es ja nicht mehr. Wenn man dann sagt, so eine Band wie Die Toten Hosen hat da einen Einfluss drauf und die sagen dann: “Nö, wir nehmen keinen Einfluss darauf.” Und damit hat sich das dann. Ich glaube, wenn wir das machen würden, wäre es so ein bisschen lächerlich. Wir sind hier von sowas ein bisschen abhängig. Wenn wir jetzt dauernd irgendwas absagen, weil uns da irgendwie nicht alles zu 100 Prozent passt, dann ist es irgendwann dann auch so, dann spielt hier nur noch Kontra K, das ist dann vielleicht auch nicht das Beste.

Aber ich denke bei einem Booking ist das schon irgendwie eine Aufgabe, sich damit kritisch auseinanderzusetzen und dann zu sagen: “So eine Band buche ich und so eine Band, der wollen wir vielleicht keine Plattform geben.”

Tilman Kettner
Tilman Kettner, Erik Heise und Tore Knipping im Interview mit Radio Q (Foto: Thomas Dahlmanns)

Q: Was aber beim Booking auf jeden Fall auffällt, ist, dass bei Rock am Ring im Backstagebereich vermutlich überwiegend Männer sind. Das würde ich jetzt mal so tippen, wenn man sich die Acts anguckt. Wie steht ihr da so zu, als Männer im Rock?

Erik: Das ist auch immer so eine Sache. Wir sind auch einfach drei Typen, die eine Band gegründet haben. So geht es ja auch richtig vielen. Man kennt dann eher andere Männer, die auch Instrumente spielen oder die Bock haben eine Band zu gründen. Das ist auch nochmal der nächste Schritt, ein Instrument können, einfach Bock haben eine Band zu machen. Ich glaube, das ist, wo dann viele Frauen oder nicht-männliche Personen dann auch echt schnell aussteigen, weil denen das dann von vornherein schon zu stressig ist. Die Erfahrungen habe ich gemacht. Und dann ergibt sich sowas, dann spiegelt sich das in einem Line-Up wieder und da muss man wahrscheinlich mit einer Quote gegensteuern und ein bisschen den Leuten Mut machen. Wir haben gerade mit Blond gequatscht und die meinen, die bekommen gerade total viele Hate-Nachrichten. Man denkt so: “Ach komm, das ist jetzt echt nicht so schlimm, die Zeiten sind vorbei.” Aber anscheinend ist das nicht so. Wir haben bisher keine Hate-Nachrichten bekommen, wenn wir irgendjemandem nicht gefallen haben. Dann ignorieren die Leute einen eher. Das ist schon echt hart. 

Tilman: Ich meine, es ist auch immer schwer wieder zu spiegeln, was da genau jetzt der Durchschnitt ist. Es gibt ja genug Bands, die auch nicht männlich besetzt sind und die bekommen dann halt häufig nicht den Support, den sie eigentlich verdient hätten. Deshalb würde ich dafür einstehen zu sagen, man macht eine Quote, damit man das halt auch wirklich flächendeckend durchbekommt und das halt nicht immer nur so eine “Pimmelparty” ist, wie es Blond ausgedrückt hat. Ich glaube, das wäre für alle angenehmer. Ich finde es auch immer komisch, wenn man im Backstage ist und es sind halt nur Typen da.

Erik: Vor der Bühne sind es ja nicht nur Männer. Aber dieser Mut, eine Band zu gründen, mit der irgendwie zu versuchen Auftritte ranzukriegen, das wird den Bands, die nicht nur männlich besetzt sind, immer noch krass schwer gemacht. Da muss man einfach noch dreimal so viel Energie aufbringen. 

Deshalb würde ich dafür einstehen zu sagen, man macht eine Quote, damit man das halt auch wirklich flächendeckend durchbekommt und das halt nicht immer nur so eine “Pimmelparty” ist, wie es Blond ausgedrückt hat.

Tilman Kettner

Aber dieser Mut, eine Band zu gründen, mit der irgendwie zu versuchen Auftritte ranzukriegen, das wird den Bands, die nicht nur männlich besetzt sind, immer noch krass schwer gemacht.

Erik Heise

Q: Wir haben bei Radio Q die Kategorie “Platte für die Insel”. Wenn ihr auf einer einsamen Insel stranden würdet, welches Album darf nicht fehlen?

Erik: You Fail Me von Converge. Es wird nicht langweilig. Aus irgendeinem komischen, unerfindlichen Grund kann ich mir das immer anhören.

Tilman: Ich sag Badlands von Dirty Beaches.

Tore: Ich sage The Shape of Punk to Come von Refused.