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Über Coldplay, das Emsland und eigene Fan-Momente: RAZZ im Interview

Geschrieben von am 15. Juli 2023

Wir haben Niklas Keiser, den Sänger der Band RAZZ, kurz nach seinem Auftritt auf dem Hurricane-Festival getroffen. Er erzählt uns von dem musikalischen Werdegang von RAZZ weg aus dem Emsland hin nach Berlin, den liebsten Festival-Erlebnissen und eigenen Fan-Momenten bei anderen Künstler*innen.

Radio Q: Schön Euch hier auf dem Hurricane zu sehen. Ihr wart ja auch schon öfters hier, oder?

Niklas: Ich glaube, schon zwei Mal. Heute müsste es das dritte Mal Hurricane sein.

Radio Q: Also fast wie Heimspiel? Ist man dann noch aufgeregt?

Niklas: Es geht tatsächlich. Also wir waren jetzt nicht sonderlich aufgeregt. Wir waren eher fertig von der Reise vom Southside direkt hierher, weil wir das Pech hatten, dass wir gestern auf dem Southside gespielt haben und heute dann direkt auf dem Hurricane. Also weniger aufgeregt, sondern eher so, dass man sich erst wieder in die Aufregungsphase reinbringen und dann so am Start sein muss.

Radio Q: Man wird immer direkt für beide gebucht?

Niklas: Genau. Man spielt eigentlich in der Regel auf beiden Festivals. Und entweder hat man Glück und man spielt Freitag und Sonntag oder man hat Pech und man spielt so auf zwei aufeinanderfolgenden Tagen: Freitag und Samstag oder Samstag und Sonntag. Wir haben letzteres erwischt und waren dann so:  “Okay, it’s a hell of a ride.”

Radio Q: Ja, lange Fahrt. Aber dann wollen wir nicht noch mehr Zeit totschlagen und auch direkt loslegen. Ich habe natürlich etwas recherchiert und mir auch durchgelesen, was andere Medienvertreter*innen über euch geschrieben haben. Und da habe ich auch ‘was ganz Interessantes gefunden: Laut Freie Presse seid ihr die deutschen Coldplay. Was sagt ihr zu dem Vorwurf?

Niklas: (lacht) Vorwurf? Also direkt negativ formuliert? Ich bin Team Coldplay. Ich finde es irgendwie fancy, weil Coldplay von allen gehasst wird. Deswegen finde ich es ganz gut, wenn ich einfach sage, ich finde die gut. Zugegeben, die neuen Sachen sind nicht meins und ich checke es auch nicht ganz. Aber ich finde die alten Alben einfach schon super fett. Also von daher, wenn das Richtung alte Alben geht, vollkommen fein, nehme ich gerne als Lob an.

Radio Q: Ja, es ist sehr zwiegespalten. Alleine bei “Viva la Vida” scheiden sich die Geister, ob es das erste schlechte oder das letzte gute Lied ist. 

Niklas: Stimmt. Aber “Viva la vida” als Song ist einfach schon ein Banger, finde ich.

Radio Q: Also, wir nehmen’s als Kompliment. Jetzt sind wir ja hier auf einem Festival – lieber Festivals oder eigene Konzerte?

Niklas: Ich habe voll häufig gesagt, dass immer beides Vorteile hat. Aber jetzt gerade, wenn ich ehrlich bin, finde ich Festivals momentan besser. Also cooler einfach. Weil ich mag es gerade Leute, die vielleicht nur vorbeilaufen, einfach mitzunehmen und zu sagen: “Hey hallo, wir spielen hier, vielleicht bleibt ihr stehen”. Und dann sieht man später, dass sie doch noch in den Wellenbrecher reinlaufen. Und ich genieße gerade so sehr den Sommer, dass ich mir denke, ich will nicht in einem Club stehen und irgendwie da bei 500 Grad schwitzen, sondern lieber auf der Bühne im Sommer spielen. Von daher bin ich jetzt gerade zumindest eher Team Festival.

Radio Q: Was war bisher das beste Festivalerlebnis? 

Niklas: Oh, tricky auf jeden Fall. Ich glaube, was mich sehr mitgenommen hat, war damals wirklich Rock am Ring. Es war, als diese Bombendrohung war, 2018 muss das gewesen sein. Denn zumindest in Deutschland gibt es gefühlt keine größeren Festivals. Also die Anzahl der Zuschauenden ist beim Rock am Ring schon echt krass und das war so ein kleiner “Meilenstein”, weil wir auch wirklich überrascht waren, wie viele Leute da waren. Und sonst, was mir jetzt gerade spontan einfällt, ist, dass wir damals auf dem ersten Lollapalooza in Deutschland gespielt haben. Und das war auch schon ewig her, 2014. Aber das war auch so ein Moment, der mir im Kopf geblieben ist, einfach weil wir nicht damit gerechnet hätten, dass wirklich Leute vor der Bühne stehen. Und dann waren wirklich super viele Leute da. Wir waren so: „Hilfe! Cool? Geil? Ich weiß nicht!” 

Radio Q: Und seid ihr dann primär zum Spielen hier oder schaut ihr euch dann auch viele andere Acts an? Und gibt es da wen, wo ihr sagt, den will ich auf jeden Fall sehen?

Niklas: Ja, voll. Auf jeden Fall. Ich habe gar nicht genau den Timetable jetzt im Kopf, aber ich weiß, dass ich mir heute Nina Chuba ganz klassisch angucken wollte. Ich glaube, Mayan verpasse ich jetzt leider gerade. Loyle Carner habe ich letztens in Berlin noch auf einer Show gesehen – finde ich super, super nice. Also wir sind auch immer danach noch mal kurz über das Festivalgelände geschlendert und haben so ein bisschen rumgeguckt. Ich finde es auch cool, einfach noch mal ein bisschen die Atmosphäre mitzunehmen.

Radio Q: Also ist es nicht unbedingt so, dass man nur hinter der Bühne rumhängt?

Niklas: Ne, zumindest zum Essen auf jeden Fall, weil es ganz gut ist (lacht) und es hier auch so Freigetränke gibt, was auch sehr gut ist. Aber um ein bisschen den Vibe mitzunehmen, finde ich es schon fast essentiell, zumindest einmal über das Festivalgelände zu latschen.

Radio Q: Ich frage, weil ich zur Vorbereitung auch ein anderes Interview gelesen habe. Und da habt ihr gesagt, wenn ihr mit irgendwem mal zusammenarbeiten könntet, wäre es Alli Neumann. Und sie ist ja auch auf dem Hurricane – hat sich da ‘was ergeben?

Niklas: Spielt sie heute?

Radio Q: Gestern hat sie gespielt.

Niklas: Ah, das ist das Problem. Wir haben sie verpasst. Wir spielen wahrscheinlich genau unterschiedlich. Sonst hätte ich sie ja ganz, ganz unangenehm fragen können: “Hast du Lust zusammen Musik zu machen?” (lacht).

Radio Q: “Können wir Freunde sein?”

Niklas: (lacht) “Können wir Freunde sein? Darf ich dir eine Freundschaftsanfrage schicken?”

Radio Q: (lacht) Das ist dann natürlich sehr schade. Aber gibt es denn sonst noch wen, mit dem du dann zusammenarbeiten wollen würdest, wo man das fragen könnte?

Nikas: Oh, das ist schwierig. Also ich finde viele Acts, die heute am Sonntag auf dem Hurricane spielen, auch super nice. Also wenn du darauf hinaus willst: Ich bin ein großer “The 1975”-Fan, aber da wäre ich, glaube ich, zu schüchtern, Matty Healy anzusprechen und ihn zu fragen so: “Ha- Ha- Hast du ….?” Tschüss! (lacht) Ganz unangenehm.

Radio Q: Verständlich! Aber auch in Bezug auf andere Künstler*innen und Vorbilder – Habt ihr in den über 10 Jahren Bandgeschichte schon richtige Lebenstipps fürs Musikbusiness von anderen Musiker*innen bekommen?

Niklas: Ich glaube was super häufig kommt, ist dieses ganze Social Media Thema. Das soll man einfach nicht zu ernst zu nehmen. Wenn irgendein Post vielleicht mal nicht die gewöhnliche Like-Rate bekommt, dann ist es schon fein. Also da strugglen voll viele mit. Und abgesehen davon ist es eher so, dass man hinter der Bühne etwas mitbekommt. Ich bin zum Beispiel so ein kleiner Technik-Nerd und nehme ganz viel so hinter der Bühne an Technikkram mit und liebe es auch da so hinter der Bühne langzulaufen und zu sehen: “Oh, der hat da aber ein geiles Set-up”. Aber ja, das wären so ein paar Tipps. Und gerade wenn man so größere Bühnen spielt, wie beispielsweise Hurricane, ist es auch viel, sich andere Künstler und Künstlerinnen anzuschauen und dann zu checken: “Okay, das funktioniert voll gut auf größeren Bühnen” – Weil man das meistens unterschätzt, dass es doch noch mal eine andere Wirkung hat als in einem Club, wo die Leute dann doch vielleicht nur fünf Meter von dir entfernt sind und nicht zwischen so einem Graben dann zehn Meter, zwanzig Meter, bis die nächsten Menschen kommen.

Radio Q: Ja, eben bei eurem Konzert war für die frühe Uhrzeit auch schon viel los vor der großen Bühne. Ich habe auch in der Menge zwei Emsland-Flaggen wehen sehen. Ihr kommt ja aus Twist im Emsland, richtig?

Niklas: Ja, also drei von uns kommen aus Schöningsdorf, also in der Nähe von Twist und Lukas, unser Bassist, aus Wesuwe.

Radio Q: Okay, ich muss mich nämlich outen, ich komme auch aus dem Emsland. Wie würdest du sagen, ist da so das musikalische Großwerden? Viel geht ja nicht unbedingt.

Niklas: Ich finde, im Emsland ist es etwas weniger kulturell. Es gibt wenige Möglichkeiten, auch für Bands aufzutreten. Beziehungsweise gibt es so ein paar, die auch ganz gut sind. Aber wir haben so ein bisschen die Erfahrung gemacht, dass das nicht so extrem angenommen wird wie in anderen Städten, wie vielleicht auch in Großstädten. Ja, wenn man jetzt so ganz plump einfach sagt – Hamburg oder Berlin ist natürlich immer krass. Aber das nächste war für uns immer so ein bisschen Osnabrück, wo viele Freunde zum Studieren hingezogen sind. Münster auch immer ähnlich, wo es irgendwie funktioniert hat. Weil die im Emsland dann nicht so drauf abfahren (lacht).

Radio Q: Das wäre jetzt eigentlich tatsächlich auch meine nächste Frage gewesen. Denn es gibt ja schon einen kleinen Lokalpatriotismus, was das Emsland angeht. Also auch hier auf dem Campingplatz – wenn irgendein Camp eine Flagge vom Landkreis aufgestellt hat, ist es komischerweise immer das Emsland. 

Niklas: (lacht) Ja!

Radio Q: Aber wenn es nun nicht das Emsland ist, wo ist denn dann die größte Fanbase? 

Niklas:  Ich glaube tatsächlich, die größten Shows spielen wir mittlerweile in Berlin. Ich weiß nicht, ob das bei vielen Artists so ist, aber bei uns auf jeden Fall.

Radio Q: Wo und wann würdet ihr sagen, kam dann der Durchbruch?

Niklas: Ich glaube, das ist eher nicht ein Punkt gewesen, sondern so eine stetige Steigerung einfach. Also das erste, an das ich mich erinnere, war das Konzert 2014 oder so, als wir einmal in Berlin gespielt haben. Das war damals der Komet Club und es waren so 400 Leute und dann haben wir gemerkt, okay, das ist ausverkauft und dann haben wir direkt so eine zweite Show gespielt. Und dafür, dass es unser erstes Album war, war das so ein bisschen so: “Okay, shit, das ist jetzt schon abgefahren, da mit 800 Leuten zu spielen.” Daran würde ich mich so erinnern. Aber es war eher so ein stetiges “Ah, okay” und dann kommt ‘was Neues dazu, dann kommt mal das Festival und so weiter.

Auf Deutsch wird dieses Projekt RAZZ nie stattfinden.

Niklas Keiser

Radio Q: Mit dem letzten Album seid ihr auch so ein bisschen einen anderen Weg eingeschlagen. Wollt ihr da in Zukunft auch ein bisschen rumexperimentieren oder vielleicht mal auf Deutsch singen oder etwas anderes ganz Wildes ausprobieren?

Niklas: Also ich glaube, auf Deutsch wird dieses Projekt RAZZ nie stattfinden. Also das zweite Album ist auch anders gewesen als das erste und ich finde es anders immer so ein bisschen schwierig. Man könnte ja auch immer wieder das Album wiederholen oder schauen, was gut funktioniert hat. Aber ich habe irgendwie nur so für mich herausgefunden, dass mich das zumindest auch nicht glücklich macht, wenn ich das irgendwie nur für die Leute mache. Wichtiger ist es, dass ich es als künstlerischen Output nutze und mir denke: “Das möchte ich gerade machen und hoffentlich mögen es die Leute” und es klappt ja manchmal ganz gut so (lacht). Aber ja, genau das ist es. Ein bisschen mehr für uns und für mich zu schreiben und zu schauen, was fühlt man, wo hat man gerade Bock drauf und das dann eher so auszurichten. 

Radio Q: Und woher nimmt man Inspiration? Also welche Künstler*innen hörst du privat und woher holst du dir Input?

Niklas: Ich versuche, wenn ich schreibe, relativ wenig andere Musik zu hören, weil das immer so krass beeinflusst. Aber natürlich hat jeder seine Influences. Man kann ja einfach nicht das Rad neu erfinden, es wäre Quatsch das zu behaupten. Aber es ist momentan sehr viel elektronischer Kram und auch so ein bisschen R&B-mäßiger. Also Loyle Carner feiere ich zum Beispiel mega. The 1975 auch mega gut. 

Radio Q: Du hattest ja gerade schon Social Media und Algorithmus angesprochen. Ich habe gesehen, dass ihr vor ein paar Tagen die Red & Blue Live Version auf Spotify gepackt habt. Die dauert ja auch über fünf Minuten und bei Spotify gibt es ja eigentlich auch die vermeintlich ideale Songdauer von zwei Minuten, sodass der Song öfter gestreamt wird.  Beeinflusst euch sowas? Also dass ihr wirklich mal überlegt und zögert einen fünf- oder sechsminütigen Song zu veröffentlichen?

Niklas: Es ist natürlich im Hinterkopf. Es wäre gelogen, wenn wir nicht wüssten, dass zwei Minuten, zwei Minuten dreißig auf Spotify am besten funktionieren. Aber ich glaube, dass es irgendwie nicht der Kunst dient, wenn man sich danach richtet. Von daher versuchen wir schon irgendwie das auszublenden. Wenn der Song jetzt halt als Live Version fünf Minuten dauer: So it is.

Radio Q: War es dann nochmal schwieriger in Corona? Da liefen doch dann wahrscheinlich auch die meisten Einnahmen über Streaming, oder?

Niklas: Ich kann es dir gar nicht genau aufschlüsseln, aber ich glaube, es ist schon eher das Live Geschäft. Also bei Streaming gibt es eine gute Doku, “Dirly Little Secret” in der ARD-Mediathek, die auch so ein bisschen aufdröseln. Spotify, wie das da funktioniert und so weiter. Also super interessant. Und pro Stream kriegt auch jeder Künstler Künstler dann so knapp 0,003 €, also 0,3 Cent. Und die größeren Künstler*innen verdienen einfach mehr, weil es einfach so ist, wenn du viele Hörer*innen hast, dann verdienst du einfach mehr.

Radio Q: In den USA nimmt das mit dem Streaming ohnehin andere Ausmaße an. Aber auch hinsichtlich der Charts wird ja viel über Merch-Verkäufe gemacht. 

Niklas: Das ist in Deutschland auch so. Also der Grund, warum die meisten Fan-Boxen so super viel abgefahrenen Kram beinhalten, liegt daran, dass die Charts an Umsatz und nicht an Verkaufszahlen bemessen werden. Das heißt, wenn du ganz viele teure Boxen verkaufst, – so wie ganz viele Rapper, was ja völlig legitim ist – dann geht es nach Umsatz und du hast einfach mehr Umsatz gemacht. Du könntest also 100 CDs verkaufen oder 100 Bundles. Und dadurch, dass die Bundles halt bis 50 € gewertet werden und auch so teuer sein dürfen, machst du halt einfach mehr Umsatz, obwohl du die gleiche Menge an CDs verkaufst. Ja, das ist eine ganz abgefahrene Sache.

Radio Q: Das wusste ich nicht, wirklich abgefahren. Jetzt nähern wir uns aber langsam dem Ende des Interviews, deshalb: Was wäre musikalisch gesehen euer Wunsch für die Zukunft? Also was möchtet ihr vielleicht noch erreichen oder wo wollt ihr unbedingt mal spielen?

Niklas: Also wir schreiben gerade Songs. Albummäßig haben wir noch kein Konzept gefunden, was die Songs zusammenbindet. Von daher haben wir gerade ein paar einzelne Songs, also “Bad Sheets”, die wir heute auch in der ersten Rolle gespielt haben, kommt nächsten Monat wahrscheinlich raus. Und ja, mittlerweile gar nicht so abgefahrene Ziele oder das muss sein. Ich freue mich natürlich irgendwie Hurricane-Headline zu sein oder whatever, wäre natürlich cool. Aber ich bin einfach happy, das machen zu können und auch Songs zu releasen und Leute hören das und das funktioniert irgendwie. Das macht mich total glücklich und das empfinde ich irgendwie gerade so als meinen Erfolg – das weiterhin machen zu können.

Radio Q: Schön. Okay, dann nun die letzte Frage bzw. eher ein kleines Spiel zum Abschluss. Ich weiß nicht, ob du das kennst: “Fuck, marry, kill”, aber in der Festival-Edition.

Niklas:  Let’s go! 

Radio Q: “Fuck, marry, kill – Rock am Ring, Hurricane oder Deichbrand? 

Niklas: Ich glaube, also “marry” wäre auf jeden Fall so Hurricane oder Deichbrand, weil ich damit einfach ganz viel verbinde. Und “marry” für langfristig nehme ich Hurricane. Dann “fuck” würde ich Deichbrand nehmen und “kill” wäre dann leider einfach Rock am Ring.

Radio Q: Fair. Dann vielen lieben Dank für das Interview!

Niklas: Danke Euch!

Dieses Interview führte Franziska Specker.