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Die Backstreet Boys der Metalszene – Blind Channel im Interview

Geschrieben von am 19. Mai 2023

Am 22. Mai 2021 haben Blind Channel beim Eurovision Song Contest die Bühne gerockt, am 25. April 2023 die Bühne der Sputnikhalle bei uns in Münster. Wieso sie sich als “Backstreet Boys der Metalszene” bezeichnen und wieso Socken auf Tour das ihrer Meinung nach wertvollste Gut sind, haben die beiden Sänger Joel Hokka und Niko Vilhelm Moilanen unserer Radio Q-Musikredakteurin Sontje Mölders erzählt.

Q: Euer neuestes Album heißt Lifestyles of the Sick and Dangerous. Wenn man die ersten Buchstaben von „Sick and Dangerous“ nimmt, ergibt das das englische Wort „sad“. War das Absicht?

N: Tatsächlich war es das eigentlich nicht. Ursprünglich war der Albumstitel Mal eine Anspielung auf den Song Lifestyles of the Rich and the Famous von Good Charlotte und es war auch nur der Arbeitstitel, wegen einer Zeile in unserem Song Dark Side. Den hatten wir von den Songs fürs Album nämlich zuerst geschrieben. Im Endeffekt haben wir das Album dann auch so genannt und fanden es eigentlich ganz cool, dass es dann „sad“ ergab. Wir haben uns das auch während eines Interviews tätowieren lassen. Zur allgemeinen Stimmung vom Album hat das nämlich auch einfach richtig gut gepasst.

Q: Jetzt hast du Dark Side schon angesprochen. Damit wart ihr ja auch beim Eurovision Song Contest 2021 für Finnland am Start. Wie ist es jetzt als Special Guest von Electric Callboy zu touren?

J: Naja, es ist einfach ein anderes Land. Deutschland ist viel größer! In Finnland haben wir nur etwa 5 Millionen Einwohner, da ist es viel leichter beim ESC reinzukommen. Außerdem gibt es bei euch ja auch noch diese Geschichte, dass der Teilnahmesong radiofreundlich sein muss. Aber die Jungs von Electric Callboy brauchten das auch gar nicht mehr. Sie sind eine der größten Metalbands in Europa wenn man Großbritannien und alte bewährte Bands wie Rammstein mal außen vor lässt.

N: Wir sind eigentlich auch eher eine traditionelle Rockband. Wir bringen Alben raus und gehen auf Tour, sich beim ESC so sehr auf einen Song zu fokussieren war also ganz witzig, aber wir möchten uns davon auch ganz gerne weiterentwickeln.

Q: Ihr nennt euch selbst auch die „Backstreet Boys der Metal Szene“. Wie seid ihr da drauf gekommen?

J: Das war in erster Linie ein Witz. Als unser erstes Album rauskam hatten wir bei Auftritten alle komplett weiße Sachen an und ein Kritiker hat damals geschrieben wir sähen aus wie die Backstreet Boys. Es sollte eigentlich gemein sein, aber wir haben das dann einfach für uns angenommen und gesagt: „Jo! Das machen wir, wir werden die Backstreet Boys der Szene!“ Also versuchen wir die Backstreet Boys und Metal zu vereinen. Das ist jetzt quasi unser neuer Slogan.

N: Wir wollen damit provozieren, insbesondere das Publikum. Es war ursprünglich ein fieser Kommentar, aber wir ziehen ja tatsächlich Inspiration von den Truppen aus den frühen 2000ern, also sind wir da jetzt einfach stolz drauf.

Wir wollen damit provozieren, insbesondere das Publikum.

Niko
Foto: Natalia Pastakeda

Q: Ihr habt schon auf wirklich großen Bühnen gespielt, wie zum Beispiel auf Wacken. Heute seid ihr jetzt in der Sputnikhalle in Münster, also einem eher kleineren Laden. Was gefällt euch besser, kleine oder große Bühnen?

J: Man braucht ganz sicher beides. Unsere Headlinetour unter der Woche in kleineren deutschen Städten, die kann man nicht wirklich mit Shows in großen Arenen vergleichen. Jetzt gerade ist das alles eher ein Füller zwischen den Tourterminen mit Electric Callboy und da wir nächsten Frühling schon in den großen deutschen Städten sind, konnten wir das jetzt nicht machen. Diese kleineren Shows sind klasse und einige der Termine waren fast ausverkauft. Deutschland liebt uns und wir lieben Deutschland. 

N: Wir finden die besten Bands machen, dass sich kleine Shows anfühlen wie in einer Arena und Shows in Arenen wie in kleinen Clubs. So machen das die besten Bands und das ist auch unser Ziel. Bisher läuft das eigentlich ganz gut.

Wir finden die besten Bands machen, dass sich kleine Shows anfühlen wie in einer Arena und Shows in Arenen wie in kleinen Clubs

Niko

Q: In eurem Song Thank You For The Pain singt ihr, dass ihr eure Redefreiheit verloren hättet. Was ist es denn was ihr wirklich sagen wollt und wieso könnt ihr das nicht?

N: Wenn man eine kleine Band in der Musikindustrie ist, dann wollen einem ganz viele Leute in Machtpositionen sagen, was man zu tun hat. Jeder meint es besser zu wissen und das stimmt nicht immer. Das haben wir mittlerweile gelernt. Keiner weiß, was besser für die eigene Band ist als man selbst. Weil das aber niemand akzeptieren will und Leute versuchen einen zu verändern oder zu zensieren, haben wir diese Zeile geschrieben. Wir weigern uns, das mitzumachen, wenn jemand unsere Redefreiheit einschränken will.

J: Wir geben da keinen Fick mehr drauf und sagen so ziemlich alles, was wir wollen.

Jeder meint es besser zu wissen und das stimmt nicht immer.

Niko

Q: Über euren Song We Are No Saints habt ihr durch den Vorab-Release schon ziemlich viel gesprochen und allein der Songtitel ist ja sehr aussagekräftig. Mich interessiert daher viel eher der Track National Heroes, der auf dem Album als Interlude vor dem Song kommt. Darin gibt es unter anderem Zeilen wie „You‘re Everybody‘s Property“, sozusagen ihr wärt das Eigentum der Allgemeinheit. Wie habt ihr entschieden, dass We Are No Saints diese Art Vorspiel brauchte oder bekommen sollte?

J: Das war damals zur Zeit von Dark Side und dem ESC. Da gab es jede Menge Druck auf uns, vor allem weil wir viele Teenager-Fans dazu bekommen haben, deren Eltern sich dachten: „Was geht denn hier ab? Diese Typen saufen, fluchen die ganze Zeit, sind in ihren Dokus fast schon gewalttätig und sind allgemein einfach absolut durchgedreht. Wir haben nichts wirklich Schlimmes gemacht, aber wir waren eben etwas idiotisch was das angeht. Dementsprechend fanden sie, wir sind nicht die richtigen Helden, um unser Land zu repräsentieren und auch keine guten Helden für die Kinder. Wir sind aber nicht deren Helden, das werden wir auch nie sein. Wir werden nie die Helden sein, von denen die Leute wollten, dass wir sie sind.

N: Die Zeilen aus National Heroes haben wir nicht einmal geschrieben, das sind alles Dinge, die wir im Internet über uns lesen konnten. Wir wollten das alles gar nicht sein und provozieren eben gern, also wollten wir das in einen Song verpacken.

Wir werden nie die Helden sein, von denen die Leute wollten, dass wir sie sind.

Joel

Q: Bei Radio Q haben wir immer die Kategorie der Platte für die Insel. Wenn ihr nur ein Album mit auf eine einsame Insel mitnehmen könntet, welches wäre das?

J: Für die ganze Band wäre das Hybrid Theory von Linkin Park. Das ist der Grund, wieso wir jetzt hier sitzen. Oder Meteora.

N: Ja, Hybrid Theory oder Meteora, aber ich würde auch den Soundtrack von Titanic mitnehmen, dann könnte ich auf das Meer gucken und My Heart Will Go On hören. Aber das gilt nur für mich, nicht für die ganze Band.

Auf Tour sind Socken wie pures Gold.

Niko

Q: Was ist bei Blind Channel das Ding mit Socken? Gefühlt redet ihr in Interviews super oft über Socken.

J: Wenn du auf Tour bist, hast du halt einfach keine Zeit, um Wäsche zu machen. Das ist unmöglich. Nach einer Show braucht man dann einfach neue Socken, da steht man halt echt in seiner eigenen Suppe. Deswegen ist es auch einfach immer das allerbeste Geschenk, wenn Fans einem Socken mitbringen. Immerhin braucht man ständig neue und ich zum Beispiel habe jetzt auch nur noch 5 Paar dabei und wir sind noch für drei Wochen auf Tour. Ich hab’ auch keine Zeit, um neue zu kaufen, also bin ich echt am Arsch.

N: Okay, 5 sind auch echt extrem. Ich habe noch ungefähr 15, man muss ja vorbereitet sein. Aber es stimmt schon, Socken sind auf Tour echt das beste Geschenk. Die können wir einfach wirklich dringend brauchen. Es gibt tatsächliche Gespräche im Bus, bei denen Leute für 20 Kröten versuchen, jemand anderem ein Paar Socken abzukaufen, oder sie tauschen Bier ein oder so. Alles sehr primitiv.

J: Bier ist tatsächlich viel weniger wichtig! Davon kriegt man immer irgendwo was, da ist der Vorrat auf Tour unbegrenzt.

N: Aber Socken, die sind immer echt begrenzt. Auf Tour sind Socken wie pures Gold.

Deswegen ist es auch einfach immer das allerbeste Geschenk, wenn Fans einem Socken mitbringen.

Joel