Interview mit ClickClickDecker
Geschrieben von Jan-David Wiegmann an 19. März 2019
Der Name ClickClickDecker geistert seit nun fast 18 Jahren in der deutschen Indie Landschaft herum. Angefangen als Soloprojekt von Kevin Hamann, ist das Projekt immer weiter zur Band angewachsen. Mit “Am Arsch der kleinen Aufmerksamkeiten” veröffentlichten ClickClickDecker im November 2018 wohl das intimste deutschsprachige Album des Jahres. Radio Q Musikreporter Jan-David Wiegmann traf sich mit Sänger und Gitarrist Kevin und Gitarrist Olli im Vorfeld ihres Konzertes in der Druckluft in Oberhausen um mit ihnen über kryptische Songtitel, Genre-Experimente und das Kultlabel Audiolith zu reden.
So die Hälfte der Tour ist überstanden! Oft beginnt dann ja die Phase wo langsam die Stimmung kippt und kleine Streitigkeiten beginnen. Seid ihr denn noch fit und gut drauf?
Kevin: Ne eigentlich ist das eher schade, dass es so schnell wieder rum geht… Wir eher traurig darüber, dass wir uns bald nicht mehr sehen!
Olli: Ich glaube gestritten haben wir uns noch nie auf Tour. Aber unsere Tour geht ja jetzt auch nicht so übertrieben lang.
Kevin hat ClickClickDecker ja alleine gestartet und mit der Zeit sind Olli und Clemens noch dazu gestoßen. Dadurch gibts jetzt auch einen größeren Bandsound. Kevin, fühlst du dich durch die Erweiterung eher kreativ eingeschränkt, oder tut es gut mit anderen kreativen Köpfen zusammenzuarbeiten?
Kevin: Also, wenn wir unterwegs sind, freue ich mich immer, dass ich nicht alleine bin und im Studio ist das echt immer schön! Klar, wir ergänzen uns, jeder tut etwas dazu und dann kann man das natürlich abfeiern!
Meine erste Live-Erfahrung mit ClickClickDecker war euer akustisches Live-Album “Du ich wir beide zu den fliegenden Bauten”. Seit dem Release sind inzwischen wieder 8 Jahre ins Land gezogen und zwei weitere Alben kamen raus. Hättet ihr nicht Bock mal wieder ein Live Album auch mit den neuen Songs zu veröffentlichen?
Olli: Das weiß ich gar nicht genau. Das mit dem letzten Livealbum war auch gar nicht lange geplant. Das war mehr ein glücklicher Umstand, dass unser Auftritt auf dem Reeperbahn Festival mitgeschnitten wurde vom NDR. Für uns beide war das auch ein ganz besonderes Konzert und dementsprechend waren wir glücklich, dass der auch festgehalten worden ist. Klar, jetzt haben wir neues Material, das Projekt ist gewachsen, aber ein Live Album ist gerade nicht geplant.
Das Reeperbahnfestival findet ja in Hamburg statt – der Stadt in der Kevin wohnt und der ihr auch viele Songs gewidmet habt wie vom aktuellen Album den Song “Palmaille”. Worin liegt für euch der besondere Charme Hamburgs?
Kevin: Klar, wenn man wie ich aus Hamburg kommt, dann schreibt man auch eher über diese Stadt Songs. Sonst hieße “Palmaille” vielleicht “Kastanienallee” oder “Prenzlberg”. Ich finde Hamburg einfach übersichtlich – eine Großstadt, die sich anfühlt wie ein kleines Dorf. Das mag ich sehr daran! Das würde ich an anderen Orten wie Berlin vermissen, wo ich nach der Arbeit noch ewig lang fahren müsste um wieder zuhause zu sein oder an gewisse Orte zu kommen.
Olli: Ich bin vor 6 Jahren von Hamburg nach Berlin gezogen. Natürlich hat Berlin auch schöne Seiten, aber ich würde mich Kevins Punkten da voll anschließen!
Hamburg finde ich auch einfach gemütlich…
Kevin: Aber Münster finde ich auch eine schöne Stadt! Zwar nicht ganz so groß aber da bin ich immer wieder gerne.
Wo wir schon beim Thema Städten sind: Ihr habt auf eurem neuen Album einen Song namens “Bielefeld”. Der Song hat mit der Ostwestfalen-Metropole dann aber doch gar nichts zu tun. Wie kams zu dem Titel?
Kevin: Paderborn wurde abgelehnt…
Okay, aber eure Songs haben ja generell oft kryptische Namen. Beispielsweise “Pt 82 Oder Das Paarungsverhalten Der Ct Serie” oder auf dem aktuellen Album “Zwei Klettergerüst”. Kevin, wie kommst du auf solche Titel?
Kevin: Na irgendwann muss ich mich halt für Titel entscheiden. Dann schaue ich mir den Rücken des Albums an und dann füge ich Buchstaben so zusammen wie es mir gefällt. Bei der letzten Platte habe ich mich hingesetzt und dann viel mir auf, dass hier oder da ein bisschen mehr Abstand zwischen die Worte muss oder noch ein Wort mehr eingefügt werden sollte. Die Songtitel haben also eher eine optische Bedeutung für mich. Das ist leider ein wenig unspektakulär…(lacht)
ClickClickDecker war ja auch eines der ersten Projekte beim Hamburger Label Audiolith. Audiolith hat inzwischen einen richtigen Kultstatus erreicht, auch dank dem Hype um Bands wie Frittenbude, Feine Sahne Fischfilet und euch. Hättet ihr damals gedacht, dass dieses Audiolith Ding mal so groß wird?
Kevin: Nö! Das hätte echt keiner von uns gedacht. Das ist einfach ne Truppe, die schon immer ihr Herzblut in ihre Sache gesteckt hat! Damals haben wir zum Teil Touren vor fast leeren Häusern gespielt und sind mit einem großen Minusgeschäft am Ende nach Hause gegangen. Wir haben uns aber nicht kleinkriegen lassen. Dann ist das immer mehr gewachsen und ist inzwischen ein riesen Betrieb mit Angestellten, Azubis – das ist megamäßig was Lars [Lewerenz, Gründer von Audiolith] da aufgebaut hat!
Vor allem ein Label, dass klare Kante zeigt! Habt ihr euch auch über Audiolith kennengelernt?
Olli: Nein, kennengelernt haben wir uns 2005 auf Tour der Hamburger Band Fink, die es inzwischen nicht mehr gibt, aber da habe ich mitgespielt. Kevin hat im Vorprogramm gespielt und so haben wir uns kennengelernt. Damals hat Kevin noch nicht mit Band gespielt, aber ich habe ihm direkt angeboten, dass ich ihn unterstützen würde, wenn er mal wen braucht. Ein Jahr später kam dann der Zeitpunkt. Und darüber habe ich dann auch Lars kennengelernt. Der hat früher auch noch mit in der Band gespielt.
Und so wird man dann anscheinend Teil der Audiolith Familie. Kevin, du hast auch bei dem Elektroprojekt Bratze und in der Deutschpunk Band Ludger gespielt. Das sind ja ganz andere Sachen im Vergleich zum Indie von ClickClickDecker. Was macht euch beiden am meisten Spaß daran ein neues Genre zu spielen und welche Musikrichtungen würdet ihr mal gerne ausprobieren?
Kevin: Stilmäßig möchte ich mich generell nicht festlegen, deswegen spiele ich in so vielen unterschiedlichen Projekten. Ich meine ich habe sogar schonmal einen Reggae gespielt. Das würde ich zwar nicht hauptsächlich machen wollen, aber ich habe da wenig Berührungsängste. Was ich mal ausprobieren will, weiß ich gerade gar nicht.
Olli: Also mir gehts ähnlich. Früher habe ich auch mit verschiedenen Bands zwei, drei andere Stile gespielt. Das hat mir auch alles Spaß gemacht. Jetzt aktuell fehlt mir dafür die Zeit, auch weil ich inzwischen eine kleine Familie hab und auch eine Ausbildung abgeschlossen habe. Umso mehr freue ich mich immer wieder mit ClickClickDecker zu spielen! Ich hätte schon Bock noch ein paar Musikrichtungen auszuprobieren, vor allem sowas wie Bluegrass oder Jazz, aber da wirds dann technisch bei mir schwierig…
Gut, Jazz ist jetzt auch noch mal komplett was anderes! Aber kommen wir wieder zurück auf euer aktuelles Album. Darauf sind sehr viele intime Songs zu finden, zum Beispiel das von Depressionen handelnde “Schreckmensch”. Kevin, hast du manchmal das Gefühl, dass ein Song zu intim ist und du Bauchschmerzen bekommen würdest ihn zu veröffentlichen?
Kevin: Klar, Bauchschmerzen, Kopfschmerzen und Ohrenschmerzen können schon vorkommen und dann muss man entscheiden, was man mit den jeweiligen Songs macht. Gedanken darüber, welche Songs ich jetzt veröffentliche, habe ich mir allerdings nie. Gut, bei Ludger haben wir mal überlegt, ob wir einen Song veröffentlichen sollen. Aber eher weil einige Bandmitglieder Angst vor dem Feedback hatten, dass sie später noch im Berufsleben begleiten könnte…
Gibts bei euch denn irgendwelche Songs, die ihr nicht mehr spielen könnt, weil der Text aus einer anderen Phase eures Lebens stammt oder weil ihr ihn schon viel zu oft gehört habt?
Kevin: Ja schon, die Songs spielen wir dann aber einfach nicht mehr live. Wir mussten uns gerade auch Setlisten schreiben und da merkt man das dann immer. Aber das mit den Phasen kann man verneinen. Ich versuche so offen zu schreiben, dass man sich in unsere Songs unabhängig von Alter oder Phase reinfühlen kann. Oft entdecke ich bei Songs wenn ich sie nach Jahren wieder spiele eine ganz neue Seite.
Olli: Ich finde das auch erstaunlich. Ich habe nämlich auch schon in anderen Bands gespielt wo das so war. Da sagt die Person die singt dann irgendwann, dass sie einen Song aus bestimmten Gründen nicht mehr singen kann. Deswegen ist das ganz spannend, dass das bei uns bisher nicht der Fall war. Aber mit jedem neuen Album müssen wir vor Auftritten trotzdem entscheiden was wir spielen wollen. Wir können schließlich keine 4 Stunden spielen, auch wenn es so viel Material inzwischen gibt…
Wie entscheidet ihr euch denn dann für eine Setlist?
Kevin: Das ist nicht immer ganz einfach. wir haben uns jetzt erstmal vorgenommen möglichst viel von der neuen Platte auszuprobieren. Außerdem haben wir die Gäste gefragt, worauf sie Bock haben. Jetzt nach 4 Tourtagen sind wir echt zufrieden mit der Setlist.
(Drummer Clemens kommt von der Bühne um die Jungs zurück zum Soundcheck zu holen und gesellt sich für die Abschlussfrage nochmal zu uns)
Okay zuletzt möchte ich noch einmal von euch wissen, was ihr so im Tourbus für Musik hört. Da bin ich immer wieder gespannt drauf.
Kevin: Ich habe mich heute mal wieder durch die Heiterkeit Diskografie gehört.
Clemens: Ich habe heute eine Playlist aus Phoebe Bridgers, Adrianne Lenker und anderem Zeug aus der Richtung gehört. Irgendwann hatte ich da keinen Bock mehr drauf und habe SSIO angemacht. Sehr zum Leidwesen von Olli.
Olli: Ach quatsch, das ging zeitlich noch voll, nur nach einer halben Stunde Hip-Hop wirds mir dann zu viel… Ein Song, den ich aktuell viel höre ist “The Barrel” von Aldous Harding.
Foto: Jan-David Wiegmann