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Yard Act – The Overload

Rezensiert von am 23. Januar 2022

       

“Wenn die Sleaford Mods zu poppig werden” – so treffend hat ein Kollege aus der Musikredaktion von Q Yard Act letztens beschrieben. Oder auch: noch so eine englische Band, die es mit einem Mix aus Post-Punk, noisigen Elemente und virtuos-wütendes Spoken Word-Feuerwerk im ostenglischen Arbeiterklassen-Akzent zum Erfolg bringen. Aber bitte, was ist denn so schlimm daran?

Denn die britische Band Yard Act aus Leeds veröffentlichen mit The Overload ein humorvolles und zynisches Debüt, wo sich nach Lust und Laune lustig gemacht wird ohne eine Spur an Überlegenheit an den Tag zu legen. Das macht James Smith (Gesang), Ryan Needham (Bass), Sam Shjipstone (Gitarre) und Jay Russell (Schlagzeug) ziemlich sympathisch und nah an ihrem Publikum. So “normal” erzählt sich auch der Anfang von Yard Act: Smith und Needham lernen sich in ner Kneipe kennen, ziehen zusammen und beginnen in einer Sleaford-Mods ähnlichen Aufteilung Musik zu produzieren. Needham ist für die damals noch Computer-erzeugten Vibes zuständig, Smith fürs texten. Auf The Overload ist – auch sehr typisch für dieses Post/Electropunk Wunderrezept von der Insel – eine Sammlung an Beobachtungen und Kommentaren der britischen Gesellschaft zu finden. Und Räume der Rebellion gegen diese Realität gesucht, ob nun im örtlichen Pub, am Bürotisch oder im Moshpit.

Regie: James Slater

Der Opener The Overload geht powervoll los, im Musikvideo springt Sänger Smith auf einem Flohmarkt von Stand zu Stand, von Bowlingkugeln zu Katzenfiguren. Mit noisigen Gitarren und einem stärkeren Hang zum Rock unterscheiden sich Yard Act schon hier deutlich von Stil-Verwandten wie den Mods – im punkto Geschwindigkeit beim Sprechgesang kann es Smith aber mit Jason Williamson aufnehmen. In The Overload macht er sich lächerlich über Wohlstandskinder, die meinen sie hätten es schwer gehabt im Leben, aber eigentlich keine Ahnung haben wie es ist, jeden Cent zweimal umdrehen zu müssen. Damit einher geht für Smith die ständige Belastung durch den Druck etwas sinnvolles erschaffen zu müssen.

Dead Horse schreitet danach ein bisschen aufgeräumter voran aber nicht minder textlastig. Leicht slackermäßige Gitarren und ein rhythmisches Schreien (“Yeah!) begleiten ein Statement gegen Rassismus in Großbritannien, der mit dem Brexit zugenommen hat. Die letzte Hoffnung für sein Land nach Smith ist die aktuelle britische Musik, deren Botschaften aber leider von der Politik ignoriert werden.

England, my heart bleeds // Why’d you abandon me?

Yes, I abandoned you too, but we both know // I wasn’t the one lied to

And I’m not scared of people // Who don’t look like me, unlike you

Yard Act – Dead Horse

Von dem verqueren Payday, wo sich ineinander gemorphte Gitarren und Basslinien in den Strophen mit einem rhythmisch-gestampften Sprechgesang (“Take The Money Take The Money”) im Refrain abwechseln, geht es logisch weiter mit Rich. “Almost by accident I become rich” –  die zynische Kritik an Geld und Erfolg, um den es angeblich nur geht im Leben, wird vor allem durch musikalische Dissonanzen ausgedrückt und auf simple Basslinie und ein paar Percussionelemente reduziert. Das lässt den Text stärker wirken, allerdings wirkt der Song etwas verloren. Auch The Incident scheinen Musik etwas durcheinander und unabhängig von Lyrics abzulaufen. Hierin zeigt sich eine Schwäche des Albums – mit der musikalischen Umsetzung scheinen Yard Act ihrer textlichen Brillanz an einigen Stellen noch nicht ganz gewachsen zu sein.

Regie: James Slater

Vorabsingle Land of the Blind macht das schon perfekt. Ein lakonische Singsang (“ba ba ba bow”) und leichte, Morricone-mäßige Gitarrenlinien bilden allein den Refrain. Und geben so der lyrischen Wucht in den Strophen Raum über die Kunst der Illusion und der anscheinend so hervorgerufenen Überzeugungskraft von Verschwörungstheorien zu sinnieren. Tall Poppies, mit fast sechseinhalb Minuten die ausgedehnteste Erzählung auf The Overload, inszeniert das Leben eines Kleinstadtjungen aus einer Mittelstandsfamilie, vom ersten Fußballspiel bis zum Tod. Die warmen Melodien dazwischen bleiben im Kopf kleben und wirken zum Ende fast meditativ. Pour Another weckt danach wieder auf, kurz vor Schluss präsentieren Yard Act den tanzbarsten Track mit Moshpitmaterial.

The Overload wird beendet von einem stark elektronischen-rhythmisierter Closer über die Beliebigkeit der Dinge. “Its all so pointless” singt Smith in einem recht poppigen Schluss für dieses wütende Album, der sich nicht ganz anfühlt. Aber vielleicht ist das gewollt. Denn auch wenn auf den 11 Tracks immer wieder sarkastische Kommentare über die eigene Überflüssigkeit gestreut werden und die Lyrics manchmal verwirrend mehrdeutig werden – beliebig in seinen politsch-antikapitalistischen Botschaften ist The Overload sicher nicht.


Label: Island Records
Veröffentlicht am: 21.01.2022
Interpret: Yard Act
Name: The Overload
Online: Zur Seite des Interpreten.


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