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Beirut – “Artifacts”

Rezensiert von am 1. Februar 2022

       

Nachdem das Anfang 2019 erschienene Album Gallipoli bereits zum Album der Woche von Radio Q gekürt wurde, hat es die Band Beirut erneut geschafft. Das neue Album trägt den Titel Artifacts und der trifft es ziemlich gut. Denn es ist eine von Zach Condon und seiner verschieden besetzten Band bunte Sammlung verschiedener Artefakte: EPs, Unveröffentlichtes und frühe Arbeiten; also vom Anfang bis heute. Chronologisch geht es dabei aber nicht zu. Das Album ist in vier Teile gegliedert, die beim Hören ineinander fließen und bei den Streamingdiensten gar nicht sichtbar sind. Ein Blick in diese Struktur lohnt sich dennoch, denn es gibt Einiges zu entdecken und zu hören. Ganze 26 Songs füllen den anderthalbstündigen Ohrenschmaus – und Condon hätte gerne mehr Tracks hinzugefügt, wenn denn mehr auf eine CD passen würden. 

Foto: Lina Gaisser

Los geht es mit einer Sammlung von Liedern der Lon Gisland EP plus die Tracks Transatlantique und O Leãozinho, ein Coversong von dem von Condon hochverehrten Musiker Caetano Veloso, gesungen auf Portugiesisch, wie im Original, nur eben im unverkennbaren Beirut-Stil. Wer nun hofft, die deutsch betitelten Lieder Irrlichter und Die Treue zum Ursprung seien auf Deutsch gesungen, wird “enttäuscht”. Beide Lieder sind rein instrumental und ihre deutschen Namen haben sie vermutlich der Tatsache zu verdanken, dass Zach Condon mittlerweile in Berlin wohnt.

Der nächste Block umfasst Lieder, die vorher auf kein Album gepasst haben. Bei den sogenannten Misfits dominieren Synthesizer. Hier stoßen wir auf die erste Singleauskopplung, den Track Fyodor Dormant, die das Album schon im vergangenen Jahr ankündigte. Synthiebeat und Trompete und schon ist das Fanherz verliebt.

Das Beirut Mastermind hat für Artifacts außerdem tief in der Vergangenheit gewühlt und Stücke gefunden, die nicht nur seine Entwicklung verdeutlichen, sondern ihn auch noch heute bewegen. Bei den sechs Tracks unter der Überschrift Early Works handelt es sich tatsächlich um Songs aus seinen frühen Teenagerjahren. Mittlerweile ist Zach Condon Mitte Dreißig, hat die Welt bereist und viele Einflüsse aufgesaugt. Trotzdem entdeckt man auch schon in Liedern wie Sicily, Now I’m Gone, Napoleon on the Bellerophon, Interior Of A Dutch House, Fountains and Tramways und Hot Air Balloon sämtliche Charakteristika seiner heutigen Musik. Und dass, obwohl er damals noch komplett auf sich allein gestellt war. Er musizierte mit seiner Trompete, der Akkustikgitarre seines Vaters, einer Drum Machine und einem Synthesizer. Wir “vermissen” also das Klavier und den Klangteppich, den nur eine größere Band erzeugen kann – etwas minimalistischer, aber irgendwie passend zum jahresbeginn und dem Blick in Condons Vergangenheit.

Zu guter Letzt “belohnt” uns Artifacts mit sieben B-Seiten, die hier ihren verdienten Platz bekommen. Fisher Island Sound und So Slowly, ebenfalls Singleauskopplungen der Platte, erinnern schon eher an aktuellere Alben, mit ihrem trabenden Rhythmus und den gezupften Ukulelensaiten. 

Mit diesem Album wollte Beirut auch zeitweise verworfenen Songs die Chance geben, das Tageslicht zu sehen. Diese Idee ist löblich, denn nie brauchten wir die Reisemusik von Beirut mehr als jetzt –  und wenn nur für eine Reise im Ohr: von Brasilien bis Sizilien, über den Atlantik bis nach Long Island und durch das kroatische Hinterland (Zagora). Atmosphärisch klingt diese Reise langsam aus. Aber die gute Nachricht ist: Sie kann jederzeit wieder angetreten werden!

In diesem Sinne finden wir auf Artifacts vielleicht keine wirklichen Neuerungen oder große Überraschungen, dafür aber allerlei Verschiedenes. Und natürlich das, was wir an Beirut so lieben: die sanfte Stimme von Zach Condon, Harmonien, getragene Beats, Mandolinen, Ukulelen und Trompete satt. Beirut liefert erneut eine Soundtrack für eine Reise – diesmal sehr Pandemie-freundlich – eine Zeitreise.

Rezensiert von Leonie Lange.


Label: Pompeii Records
Veröffentlicht am: 28.01.2022
Interpret: Beirut
Name: Artifacts
Online: Zur Seite des Interpreten.


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