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Weyes Blood – And in the Darkness, Hearts aglow

Rezensiert von am 21. November 2022

       

Natalie Mering singt, als wäre sie aus der Zeit gefallen. Wie passt eine Frau in das Jahr 2022, in dem wir mit Autotune, Four to the Floor Beats, Jazz oder Afrobeat-Revivals und ASMR-Flüster-Gesang doch eigentlich die traditionelle “Singer-Songwriterin” überwunden haben müssten? Die Frau hat ja nicht mal ein! krasses Feature oder eine Clubnummer!  Und was soll diese Geschichte mit den Mythen? Sind Mythen nicht einfach alberne Märchen die uns erzählt wurden, um uns das Geld aus der Tasche zu ziehen und uns von der Suche nach der Wahrheit (dem  wissenschaftlichen Fortschritt) abzulenken?  

https://youtube.com/watch?v=3g7BSnavHH8%

  • Name: Natalie Mering
  • wohnhaft: in L.A.  
  • Geburtstag: 11. Juni 1988
  • Musikstil: “The Kinks meet WW2 oder Bob Seger meets Enya” (Zitat Natalie Mering)  
  • musikalische Früherziehung: im Gospelchor gesungen, spielt seit sie 8 ist Gitarre 
  • mag: mythen, alejandro jodorowsky, joseph campbell, Pathos 
  • mag nicht: New York, radiotaugliche Lieder
  • Lebensmotto: “Geteilte Mythen sind Teil unserer Psychologie und Überlebens”  

Mering, oder besser: Weyes Blood wie sie sich nennt, setzt dem seit mehr als 10 Jahren jedenfalls einiges entgegen. In ihren Texten schwingt immer auch ein bisschen die Bedeutung des ganzen Universums mit, während andere lieber über Füße singen. Sie hat die Kirche, oder sagen wir Gott ein stückweit zurück in die Folk-Musik der Neuzeit gebracht, und dass, obwohl sie als Teenager bereits dem dogmatischen Glauben abschwor. Bereits damals fing sie an sich Wise Blood zu nennen und nach ein paar Intermezzi in Avantgarde- und Noise Rock Bands wurde sie ruckzuck zum Geheimtipp für Fans smarter Folkmusik.   

Springen wir ins Jahr 2022: Mering ist mittlerweile 34, stand mit Lana del Rey auf der Bühne, hat die Häuserschluchten ihrer New Yorker Wohnung gegen den Strand L.A.s getauscht und vor zwei Jahren mit “Titanic Rising” ein landesweit gefeiertes Album herausgebracht. She made it.  “And in the Darkness, Hearts aglow” hatte als Nachfolger dementsprechend nicht die kleinsten Fußstapfen zu füllen. 

“And in the Darkness..” ist sicherlich kein kommerzielles Zugeständnis und auch (ironischerweise) kein Radio-Album. Die Songs sind fast ausnahmslos länger als 5 Minuten, das Tempo gemächlich, die Hooks voller Haken und noch immer geht es sakral zu Gange. All dass in einer Zeit in der die Aufmerksamkeitsspanne des geneigten Spotify Hörers doch nach 10 Sekunden fast schon überstrapaziert ist. Und genau das ist großartig. 

Weyes Blood Album Nr. 5  will in Ruhe gehört werden. Am besten noch bei Kerzenlicht oder (tagesaktuell) bei rieselndem Schnee. Dann entfaltet das Album nämlich seine ganze Magie. Mering hat es perfektioniert, ihren Stil durch die 10 Tracks hinweg (+ einiger Interludes) in virtuoser Eleganz durchzuziehen ohne die Spannung zu verlieren. Dabei klingen die Lieder nicht mal besonders unterschiedlich.  

https://youtube.com/watch?v=MNDlMe4nuWw

Ob das wunderschöne “It’s not just me, it’s everybody” mit seinem Gänsehaut-Outro, der Ambient-Zauber eines “God turn me into a flower” (das Subterranean für die Folk-Jünger*innen)  oder die verspielte Elektronik-Leinwand von “Twin Flame” – über all den tollen, sich wandelnden Texturen gibt es trotz allem nur einen Hauptakteur: Mering’s markante Stimme. Irgendwo zwischen Kate Bush, Harry Nilsson und Gospel-Gesang trägt sie einen mit einer nie zu weinerlichen Verletzlichkeit von Song zu Song.  

Children of the empire wanna change, cause we’re long gone, in that eternal flame, trying to break away, frome the mess we made, oh we dont have time anymore to be afraid, anymore… 

Lyrisch bewegt sich Weyes Blood auf “And in the Darkness..” zwischen Reflexionen zur soziokulturellen Lage der USA, verlorener Liebe und vielleicht am Zentralstem: dem Älterwerden. Das Mering die 30 längst geknackt hat scheint mit einigen persönlichen Veränderungen einherzugehen, die oft mit nostalgischem Blick beschrieben werden, manchmal wird sie gar pessimistisch. Umso spannender ist es, dass sich das in der Musik fast gar nicht widerspiegelt. Das Album strotzt nur so vor Hoffnung, Optimismus und Wärme. Vielleicht ist es der Gospel-Einschlag, das Gefühl man sitzt in einer Kirche und lauscht der Priesterin mit der beruhigenden Stimme, wie sie einem klar macht: alles wird gut! 


Label: Sub Pop Records
Veröffentlicht am: 18.11.2022
Interpret: Weyes Blood
Name: And in the Darkness, Hearts aglow
Online: Zur Seite des Interpreten.


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