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Stella Donnelly – Flood

Rezensiert von am 29. August 2022

       

The banded stilt (Cladorhynchus leucocephalus) is a nomadic wader of the stilt and avocet family (Recurvirostrida) native to Australia.

https://uk.inaturalist.org/taxa/4916-Cladorhynchus-leucocephalus

“Banded stilt”, dieser Vogel trägt auf Deutsch den wunderschönen Namen “Schlammstelzer” und gleich eine ganze Kolonie der sehr typischen australischen Art ziert das Cover von Flood, dem zweiten Album der australischen Indie-Musikerin Stella Donnelly.
Dass die Wahl dabei auf gefiederte Tiere fiel, verwundert nicht: Während des Albenprozesses verbrachte Donnelly einige Zeit im Regenwald des australischen Bellingen, gelegen unweit der südöstlichen Küste zwischen Sydney und Brisbane. Dort entdeckte die 30-jährige ihre Liebe zur Ornithologie, die sie nach eigener Aussage auch als Perspektivwechsel im Alltag nutzte:

I was able to lose that feeling of anyone’s reaction to me. I forgot who I was as a musician, which was a humbling experience of just being; being my small self.

Stella Donnelly (Factory 92)

Ungleich dieses vollkommen Losgelöstseins von jeglichen menschlichen Reaktionen beschäftigt sich Flood allerdings durchweg mit diversen Ausschnitten unterschiedlichster Beziehungen. Donnelly schafft es dabei durch ihr durchdachtes Songwriting, ein weites Spektrum von Emotionen so unglaublich treffend zu porträtieren, dass das Hören schon fast zum persönlichen Erleben wird. Getragen werden diese emotionalen Lyrics von Donnellys charakteristischen hellen Stimme und einem sehr warmen Klangbett, dessen Spektrum ebenfalls von der verletzlichen Ballade bis zum tanzbaren Indiehit reicht.

So zeigen schon die ersten Schlagzeugtakte der ersten Singleauskopplung und des Openers Lungs, dass sich Stella Donnelly auf ihrer zweiten Platte durchaus in ein ihr unbekanntes Territorium traut. Zu dem sehr vorwärtsstrebenden, poppigen Beat kommt eine bebende Bassline, kommt Donnellys schwebende Stimme, die sich immer wieder selbst überholt und aufbaut. War die frühere Musik der Australierin noch geprägt vom intimen Bedroom DIY-Sound, klingt Lungs nach großer Konzertbühne. Im Hintergrund klingen außerdem sanfte Klaviertöne, gespielt von der Donnelly selbst. Obwohl sie zuvor nach eigener Aussage noch keineswegs geübt im Klavier war, wollte sie sich für Flood mit diesem neuen Instrument selbst herausfordern. Und das funktioniert perfekt – eingängige, kurze Pianothemen tauchen im Verlauf der Platte immer wieder auf, mal klingen sie verdeckt im Hintergrund, mal brillieren sie an der Oberfläche, immer wechseln sie sich aber mit Donnellys Stimme oder ebenso eingängigen gedeckten Bläserthemen ab.
Lyrisch behandelt Lungs die Zwangsräumung ihrer Eltern; Aus der Sicht eines Kindes verarbeitet Donnelly hier auf zynische Weise den Hass auf Männer in “Suits”, die sich an ihrer Macht über andere Menschen ergötzen. Politische und trotzig-ironisierende Texte sind dabei nichts Neues für die Musikerin, die sich offen politisch und sozial engagiert. In ihrer Debütsingle aus 2017 Boys Will be Boys beispielsweise verarbeitet sie soziokulturelle Misogynie und die Erfahrungen einer Freundin mit sexuellem Missbrauch.

This Week ist im Vergleich zu Lungs ein extrem introspektiver und ruhiger Track – wirklich charakteristisch ist hier der gedämpfte Einsatz von Hörnern, der den Song sehr warm und verletzlich wirken lässt. Textlich beschreibt Donnelly das Gefühl des Erwachsenwerdens, insbesondere in Phasen, in denen sie sich mental gut fühlt und es deshalb schafft, Familienmitglieder anzurufen und sich nach deren Wohlergehen zu erkundigen.

Bild: Olivia Senior

Insgesamt merkt man Stella Donnelly auf Flood wirklich ihr persönliches Wachstum an. Sowohl ihre erste EP Trush Metal als auch das Debütalbum Beware of the Dogs lebten von einer jugendlichen Lyrik, die sehr explizit und geradeheraus gesellschaftliche Problematiken oder auch persönliche Themen anprangerten. Dazu kam ein wirklich intimer Bedroomklang, der mit wenigen musikalischen Elementen auskam. Diese Intimität durch Donnellys gekonntes Songwriting geht auch auf Flood nicht verloren, dennoch wirken die Lyrics gefestigter und durchdachter. Zudem zeugen der prominente Einsatz von Piano und Horn und komplexere Songstrukturen von einem Songwriting, das über sich hinaus wachsen möchte und durchaus für die große Bühne statt das kleine Schlafzimmer gedacht ist.


Label: Secretly Canadian
Veröffentlicht am: 26.08.2022
Interpret: Stella Donnelly
Name: Flood
Online: Zur Seite des Interpreten.


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