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Sleaford Mods – UK Grim

Rezensiert von am 14. März 2023

       

“You’re nobody in public life until you have been soundly insulted by Sleaford Mods.” schrieb mal die britische Zeitung Independent. Und beleidigt wurden sie alle. Ob Blur, Boris Johnson, Russell Brand oder gar die vermeintlichen Post-Punk-Brüder von den Idles. Wenn Jason Williamson (und Andrew Fearn) loslegen, wird geflucht und gerantet, bis selbst Klaus Kinski wie ein verschmuster Bernhardiner wirkt.

I got crisis stamina, full marathon, four poo breaks

Die Mods musikalisch zu beschreiben ist nicht ganz einfach, aber zum Glück hat da schon jemand (sie selber) die perfekte Beschreibung gefunden: “electronic munt minimalist punk-hop rants for the working class and under from Nottingham.”

Die Working Class von Nottingham hat’s gefeiert. Und irgendwann auch der Rest der Insel. Dass Williamson so etwas wie das Sprachrohr für eine Bevölkerungsschicht geworden ist, dürfte er einerseits nie so richtig gewollt haben, andererseits ist gerade das wahrscheinlich der Grund, warum die Mods so populär sind: Man kauft ihnen den Zorn einfach ab.

Vielleicht bin ich stolz auf die schrecklichen grauen Straßen, auf das beschissene Wetter und die mitunter dumme Popkultur.

Es ist nur so, dass das Englische, auf das wir stolz sind, absolut nichts mit dem Englischen zu tun hat, welches die Behörden zu fördern versuchen.

Jason Williamson

Wo Iggy Pop wie ein echter Anarchist in den 70ern das Stage Diving erfand, indem er ohne Vorwarnung ins Publikum sprang, tauschen die Mods 50 Jahre später ihre Instrumente gegen ein DJ-Pult und das cholerische Organ von Williamson. Vergleiche von Williamson mit dem Betrunkenen Pöbler, der nachts um drei in der Kneipe wegen sozialer Ungerechtigkeiten herum schreit, gab es schon viele, nur ist es in diesem Fall ein Typ, der das Ganze immer wieder in tiefgründige Poesie packt. Und dann wieder die weiße Screamo Band von nebenan beleidigt. Oder eben Torys. Torys gehen immer.

You’re all getting mugged by the aristocracy, 

You’re all getting mugged by the right wing beast…

It’s been here forever, it makes the clever, danger shuffle behind doors.

Ganz anders Fearn: Die Mods leben von ihrem Minimalismus. Einfache, mal mehr mal weniger wuchtige Beats treffen auf genauso einfache Lines. Beatbastler Fearn muss also nichts weiter tun, als ruhig am Pult zu stehen, Bier zu trinken, zu seinen Beat zu nicken und die Williams-Show mit zu genießen. Auch auf UK Grim sind die Beats wieder simpel wie eh und je – es gibt eigentlich kaum große Überraschungen. Der Hip-Hop-Dub-Punk-Mix, auf dem Williamson dann Rappen/Poetry-Slammen darf, baut genauso viel Stimmung auf wie nötig, um den “Sänger” mit dem harten Nottinghamer Akzent in Fahrt bringen zu können. Was nicht darüber hinwegtäuschen sollte, dass die Mods live absolut killen.

Auch der Groove von “On the Ground”, “Right Wing Beast” oder “UK Grim” macht echt Spaß, aber am Ende des Tages bleibt man bei den Mods dann meist bei den Texten hängen.

you’re in a shouty band, you’re not original, man, you’re like the edgy version of something shit. You do playlists for Fred Perry, you boring cunt, and you shave your hair just above your ear, oh yeah not another white bloke agro band

“D.I.Why” greift toxische Maskulinität gewohnt liebevoll auf, bei “UK Grim” wird dagegen die andauernde Krisen-Lawine die Großbritannien umgibt mit Augenzwinkern angegangen in dem das lyrische Ich dazwischen kurz Toiletten-Pausen einlegt. Bevor man sich im Krisen-Marathon wieder in die Scheiße hineinreitet.

“So Trendy” ist die Hymne gegen Oberflächlichkeit und “On the Ground” könnte das zum Größenwahn neigende Mindset von einigen Reichen der Gesellschaft beschreiben – bleibt aber gleichzeitig doppeldeutig, indem es genauso gut als mahnende Worte an die Working Class herhalten kann.

This ain’t a game for everybody… But you can’t hide, I’ve seen your face now.. and you can’t lie… on the ground

Das Gastauftritte von Freunden der Band schon immer gut funktioniert haben beweist “Force 10 from Navarone” mit Dry Cleaning’s Florence Shaw und “So Trendy” mit Jane Addiction’s Perry Farrell. Sowohl Shaw als auch Farrell passen nicht nur super in den Mods-Kosmos, sie sorgen bei der gewollten Monotonie des Albums für sehr willkommene Abwechslung.

Ich dachte nicht, dass es so aggressiv ist, bis meine Frau sich umdrehte und sagte: ‘Dieses Album ist wirklich verdammt wütend’. Die sozialen Medien sind nicht hilfreich… es gibt wieder eine Menge phantasievoller Schläge auf Menschen. Ich habe einmal in einer Oasis-Kritik gelesen: ‚Sie haben die Kunst der Subtilität gelernt‘, und ich denke, das haben wir auch, in gewisser Weise.”

Jason Williamson über die Musik von UK Grim

“UK Grim” ist mittlerweile Album Nr. 12 der Mods. Andere Bands hätten da längst ihre Wut gegen gesellschaftliche Zustände mal für Selbstfindungs-Trips oder den ein oder anderen Pop-Hit getauscht. Die Mods bleiben einfach die Mods. Und irgendwie ist das ziemlich beruhigend, dass so zwei Typen unbeirrt Torys und “erfolgreiche” Linke eloquent beleidigen (und weiterhin das System anprangern!), egal wie viele YouTube-Klicks und Festival-Slots sie damit erobern. Außerdem mag selbst Iggy Pops Papagei die Mods – und der mag echt nicht jeden.


Label: Rough Trade / Beggars / Indigo
Veröffentlicht am: 10.03.2023
Interpret: Sleaford Mods
Name: UK Grim
Online: Zur Seite des Interpreten.


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