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Unknown Mortal Orchestra – V

Rezensiert von am 20. März 2023

       

“The Funk Shall be within you!” sprach Gott als er Ruban Nielson schuf. Munkelt man. Als der Neuseeländer in der Einsamkeit seiner neuen Wahlheimat Portland Anfang der 2010er seine Musik auf Kasetten aufnahm, hatte er sich gerade entschieden Illustrator zu werden. Was Handfestes zu machen. Nach der Arbeit bastelte Nielson an seinem eigenwilligen Mix aus Lofi-Breakbeats, funky Basslines und bluesy Gitarrenriffs, lud das Ganze als “Unknown Mortal Orchestra” auf Bandcamp hoch und dachte sich nichts dabei.

Kurz darauf ging das Rätselraten in den Medien los: “Wer ist der mysteriöse Unknown Mortal Orchestra?” Ein Jahr später war die Illustrator Karriere gegen einen Plattenvertrag eingetauscht. Es folgte eine Welttournee, die Depressionen danach, ein phänomenal erfolgreiches 2. Album (gemessen an Spotify-Plays), eine polyamore (interkontinentale) Dreiecksbeziehung und logisch, die perfekte Inspiration für das 3. Album “Multi-Love”.

“Sex & food” sowie “IC-01 Hanoi” entstanden schließlich quer um den Globus. Für “V” machte sich der neuseeländisch-hawaiianische Nielson seit 2019 samt seiner Familie nach Palm Springs in Kalifornien auf. Einerseits die wohlsam wärmende US-amerikanische Westküste genießend, sah er sich hier andererseits konfrontiert mit seinem eigenen Burnout und gesundheitlichen Problemen seiner Familie auf Hawaii. In den folgenden Monaten entstand mit “V” die erste Doppel-LP des Unknown Mortal Orchestra.

Wer Fan seiner bisherigen Platten und dem Sound Nielsons ist, wird auch an “V” seine Freude haben. Nielson, der zu Beginn seiner Karriere es sich mal zum Ziel gemacht hatte “Musik zu machen die das Gefühl wiedergibt die Plattensammlung seines Vaters zu durchstöbern” trifft dieses Gefühl auch 12 Jahre später perfekt. “V” beginnt mit zurückhaltender Instrumentierung. Die Atmosphäre schwingt irgendwo zwischen melancholisch und sonnig. Aber lange dauert es nicht bis sich die Lofi Beats, der funkige Bass und der brüchige Gesang von Nielson um einen schmiegen. Man kann die kalifornische Strandatmosphäre genauso spüren, wie die unterschwellige Bedrohtheit wenn er singt: “Hold on tight‚ cause it’s violent after dark in the garden.”

Palm Springs fühlte sich spooky und creepy an, unter dem Dunst von Palmen und wunderschönen Farben. Es ist, wo Twin Peaks passierte, daran erinnerte es mich. Die Art wie Lynch Amerika sieht, fand ich hilfreich.

über Nielsons Heimat während der Aufnahmen

Das Thema “Familie” zieht sich dabei ebenso durch die Songs von “V” – wenig überraschend wenn man bedenkt das sowohl sein Bruder als auch sein Vater auf dem Album zu hören sind. “Layla” zitiert zum Beispiel den in Hawaii beliebten Reggae, Nielsons 2. Heimatland, aber auch die Geschichten von Armut & Sehnsucht nach Eskapismus die Nielson von seiner Familie mitbekam.

Credit: Juan Ortiz Arenas

Das Unknown Mortal Orchestra vom Kontrast und akribischer Perfektionierung von 60er-Funk/Psychedelic/Soul-Sounds und moderner Percussion/Arrangements lebt, ist nichts Neues. Überrasschend ist vielleicht, dass sich doppelte Böden auch immer wieder in den Texten wiederfinden:

“The Weekend” beschreibt lyrisch einerseits eine Liebesbeziehung, andererseits das Wochenende als feste kulturelle Institution die wir als selbstverständlich hinnehmen und streift gleichzeitig das angespannte politische Klima in den USA und sozialistische Positionen vom Ex-Präsidentschaftskandidaten Bernie Sanders. “This Life” groovt mit seiner ausgefeilten Gitarrenline und beschreibt die gegensätzliche Atmosphäre von Palm Springs am Tag und zu Nacht – wie auch die Diskrepanz zwischen Oberflächlichkeit und paradisiescher Sorglosigkeit. “Meschuggah” stellt dagegen die ungewöhnliche These auf, dass Liebe wie Zucker ist – nicht wegen der Süße sondern dem Energieschub für den man jemanden ausnutzen kann. Und ja, es ist ein Wink an Nielson Lieblings Metal-Band. “I killed Captain Cook” ist keine Liebeserklärung an Peter Pan, sondern beschreibt die Ermordung James Cook’s aus der Perspektive vom Hawaiianischen Häuptling Kalaimanokaho’owaha im 18. Jahrhundert – etwas, wovon Nielsons Haiiwanische Mutter wohl fast mit Stolz erzählte.

Ich wollte, das das Album irgendwie cheesy klingt. Ich war beeinflusst von Bands wie Toto, die diese außergewöhnlichen Rocksongs schreiben, wo manchmal niemand weiß, worum es geht. Songs wie ‘Eye of the Tiger’ oder ‘Don’t stop believin’. Wirklich starke Songs, aber sie haben nichts von Folk. Also hatte ich das in meinem Kopf während des Schreibens. Aber am Ende wurde es viel reflektierter. Also schien es passender das Album ruhiger werden zu lassen.

Mit seinen 14 Songs ist “V” ein wirklicher Trip – einer der einen mühelos an in die sonnige Westküste Amerikas mitnimmt, auf die Hängematte wirft und gleichzeitig eine latente Unruhe erzeugt. Eigentlich reiht es sich damit so ziemlich in das bisherige Schaffen von Ruban Nielson aka Unknown Mortal Orchestra ein. Man kann sich mit den fantasievollen, funky, souligen und immer schräg-mystischen Soundfragmenten und Ohrwürmern leicht in Tagträume begeben und die heiße Strandluft förmlich schmecken. Allen voran lässt sich aber feststellen: Auch wenn Ein-Mann-Orchester Nielson das Rad nicht neu erfindet, enttäuschen kann er nicht.


Label: Jagjaguwar
Veröffentlicht am: 17.03.2023
Interpret: Unknown Mortal Orchestra
Name: V
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