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Samba Touré – Binga

Rezensiert von am 14. April 2021

       

Ein bluesiger, sandiger Sound, der sich, ganz entspannt und natürlich, wie ein Band über die endlose Landschaft zieht und über den Horizont ergießt. Darüber Lyrics auf Malisch, die die immer noch unsteten politischen Verhältnisse in diesem Land aufwerfen und den Rückstand des Gesundheits- und Schulsystems, an dem einfach nicht gearbeitet wird. Das neue Album vom malischen Künstler Samba Touré schafft eine musikalische Balance zwischen einer greifbaren Dringlichkeit und transzendentalem Versinken in der Musik.

Der Musiker ist nach Ali Farka Touré einer der bekanntesten Vertreter*innen des Wüstenblues, einer Musikrichtung aus der nord- und westafrikanischen Sahara. In dieser fusionieren Blues und Rockelemente mit der traditionellen Musik aus Mali und wurden besonders ein Ausdruck der nomadischen Kultur der Tuareg. “Binga”, das vierte Album von Samba Touré, ist gleichzeitig der Name einer Region südlich der Sahara Wüste, in der der malische Musiker aufgewachsen ist und wo dieses Album auch aufgenommen wurde. Im 15. und 16. Jahrhundert herrschten dort die Songhoy über das größte Reich in Afrika mit der Stadt des Goldes, Timbuktu, als Hauptstadt. “Es ist meine Kultur und mein Erbe. Das ist meine Region und es fühlte sich richtig an, dieses Album danach zu benennen”, sagt Samba Touré über sein neues Album. Der Fokus sollte daher auch ganz auf der kulturellen Kraft dieser Region liegen, und so sind im Gegensatz zu seinen früheren Alben alle Songs in Songhoy gesungen. 

 “Es ist meine Kultur und mein Erbe.”

Die Instrumentierung auf “Binga” wurde im Vergleich zu den vorherigen Alben etwas reduziert. Unter anderem weil der Bassist von Touré in die USA gezogen ist, aber der Dialog aus Ngoni, der malischen Spießlaute, Gitarre, Kalebasse (eine Trommel aus Flaschenkürbis) und weiteren Percussion – Instrumenten ist so fließend und organisch, dass ich den Bass gar nicht vermisse. Den Groove bilden die kreisenden Riffs der Gitarre und der Rhythmus der Kalebasse, die in einen Dialog mit dem Gesang von Samba Touré und hier und da auch mal mit einer Mundharmonika tritt. Dabei fließen die Songs alle wie in einer Jamsessions ineinander. Alle begleiten sich irgendwie gegenseitig und kein Instrument steht im Vordergrund. Das liegt, wie der Musiker selbst sagt, auch in der Natur dieser Musik, in welcher Soli eine viel untergeordnete Rolle spielen, als in der westlichen Musik. Stattdessen entwickelt dieses Album auf wunderbar sanfte Art einen hypnotischen Sog in andere Sphären.

Foto: Karim Diarra

Der Opener Tamala, angelehnt an Songs des traditionellen Songhoy Repertoires, zieht einen direkt mit seinem bluesigen Rhythmus in diese unendliche Wüstenlandschaft hinein. In diesem Song feiert Samba Touré, genau wie mit dem späteren Terey Kongo, das Leben und die Menschen in der Hochzeit des malischen Empires. In Atahar schlägt der Musiker dann die politische Töne an, die man schon von seinen vorherigen Alben gewohnt ist. Über eine leichte Gitarrenlinie, die so gar nicht zu dem ernsten Thema des Songs passt, singt Touré über das malische Bildungssystem, dass seit seiner eigenen Kindheit keine wirklichen Verbesserungen erfahren hat und besonders durch Schließungen in der COVID19 Pandemie noch schlechter funktioniert als sonst. Und obwohl ich selbst die Sprache von Samba Touré nicht spreche, verstehe ich durch die dröhnenden Bassdrums irgendwie die Dringlichkeit dieses Songs.

Mit Sambalama folgt dann wieder ein etwas positivere Appell, auf bessere Zeiten zu schauen, einer der bewegteren Songs auf diesem Album. Ngoni-Spieler Djimé Sissoko lässt sein Instrument singen und die Combo verschmilzt zu einem freudigen Tanz. Das anschließende Instrumental, aufgenommen ganz am Ende der Albenaufnahmen als Ergebnis einer Jamsession, kehrt dann zurück zum klassischen Wüstenblues. Nach Kola Cissé wird dieses Album, dass teilweise auch als einziger großer Klangfluss funktioniert, in Fondo zu sanfteren Tönen geführt. Zusammen mit Mundharmonika wird ein Thema angesprochen, dass sich auf allen Alben von Touré finden lässt: die Gedanken der Jugendlichen in Binga an eine Auswanderung in andere Länder, um vielleicht zu einem besseren Leben zu finden. Die Traurigkeit, den Heimatort mit all den herrschenden Problemen zu verlassen und nicht zu wissen ob es sich irgendwann ändern wird, zieht sich durch den Gesang von Touré in Sambamila. Zunächst fast solistisch auftretend, setzen irgendwann die Herzschläge der Trommeln ein und verhallen in der Wüstennacht. 

Die Heimat von Samba Touré und die Kultur dieser Region wird auf “Binga” gefeiert. Aber dabei aber auch die Zustände in Mali angeprangert und offen ausgesprochen. Musikalisch an manchen Stellen vielleicht etwas zu zurückhaltend, bewegt mich dieses Album trotzdem auf eine elementare Art mit seinen hypnotischen und doch klaren Blues aus der Sahara.


Label: Glitterbeat Records
Veröffentlicht am: 09.04.2021
Interpret: Samba Touré
Name: Binga
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