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Der Plan – Save Your Software

Rezensiert von am 19. April 2021

       

Wenn die Zukunft zur Gegenwart wird oder so ähnlich… im Zeitalter der Retromania liegt der verklärte Blick auf dem Vergangenen und dem Versuch, Musik aus anderen Jahrzehnten im Jetzt zu reproduzieren. Gerade der Sound der 80er ist ja in den letzten Jahren wieder super en vogue – manchmal gelingt Künstler*innen diese Zeitreise und sie schaffen, dass Alte mit Neuem anzureichern und nicht nur zu reproduzieren. Und in ganz seltenen Fällen konzipiert eine Band einfach im letzten Jahrhundert schon Musik für die Gegenwart und bringen die dann 30 Jahre später in einem Album heraus.

Aber wie kam es dazu? Alles beginnt als 1979 in Düsseldorf die Band Weltaufstandsplan, wenig später unbenannt in Der Plan, gegründet wird. Die Musiker Moritz Reichelt, Kurt Dahlke und Frank Fenstermacher traten mit ihrem elektronisch-futuristischen Sound schnell in die Fußstapfen von Kraftwerk und auch der amerikanischen Supergroup The Residents. Besonders als Dahlke zur Formation stieß, begann Der Plan immer mehr seine musikalischen Grenzen auszuloten und teilweise “unhörbare” Songs zu gestalten – immer mit der Idee, mehr als nur eine Band zu sein, und ein Kunstkonzept zu erschaffen. Mit dem 1980 veröffentlichten “Da vorne steht ‘ne Ampel”, was sie selbst als elektronischen Schlager betitelten, wurde einer der ersten Hits der Neuen Deutschen Welle geboren. 

“Die Idee uns durch Roboter zu ersetzen war natürlich irgendwie typisch 80er Jahre- Weltuntergangsstimmung, Tanz auf dem Vulkan und so weiter.”

Der Plan

1989 sollte das Jahr für eine der aufwendigsten Konzept-Tourneen von Der Plan werden, bei der die Band in drei verschiedenen musikalischen Gruppen auftreten wollte: mit den “Hombres Nihilisticos”, ein melancholischer Mix aus Tango und Salsa-Musik der von drei alten Männern mit großen Hüten performt würde. Der hippie-esken Travestie Künstler*in “Catholic Kitsch”, die psychedelischen Rock spielt. Und mit “Les Fanuks” – ein konzeptueller und musikalischer Versuch von Der Plan, sich als Mensch-Maschinen unsterblich zu machen. Dazu sollten Roboter gebaut werden, die auf der Bühne selbst spielen konnten. Aber nach zahlreichen erfolglosen Proben und schließlich am Ende der finanziellen Möglichkeiten konnte das Projekt live nicht umgesetzt werden. 

“Save Your Software” ist das verlorene Album von 1989, auf dem die Musik der “Fanuks”, die damals für die Zukunft geschrieben wurden in der wir jetzt leben, veröffentlicht wird. Als die Band letztes Jahr in dem Archiv des Ata Tak-Labels stöberte, kamen sechs der Roboter Songs zu Tage, die nach dem Scheitern der Tournee in Vergessenheit gerieten. Außerdem noch ein paar Skizzen, aus denen Der Plan drei neue Songs aufbaute und einspielte. Besonders die Robotisierung der Stimmen auf diesen Tapes ist ein Zeichen dafür wie wegweisend diese Band damals schon war. Durch eine Software mit der vor 30 Jahren erstmals mittels Texteingabe Roboterstimmen erzeugt werden konnten, erschaffte die Band einen zeitlosen Elektro-Pop Sound, der in selbst 2021 immer noch experimentell und aufregend ist. 

“Save your Software” ist ein zweigeteiltes Album: Die ersten sechs “originalen” Fanuk-Tracks stehen zu Beginn. Nach einem sehr mechanischen und chaotischen Opener Copy Copy Machine, folgen mit Cyperspace, das eher elektro-popig gestaltet ist und dem konstatierenden, noisigem Uin Uin Mun Kona Bap Uin die ersten Schritte der Roboter. In LP 3 wird die Geschichte des Prototyp der Fanuks erzählt: er wurde an einen Haushalt in Italien verkauft, musste dann aber leider sehr oft repariert werden. Einfach noch nicht geeignet für die Praxis gaben seine Besitzer LP3 weiter und der kleine Roboter gilt seither als verschollen. Nach dem selbst-erhalterischen Save Your Software (ist dieser Appell nun an den Menschen oder an die Maschine gerichtet?) folgt mitten auf dem Album das großartige Hörfeature Die Geschichte der Fanuks. 

Foto: Label Bureau B

Hier wird von der praktische Umsetzung der Roboter berichtet, für die japanische Firma Fanuc beauftragt wurde. Fanuc vertrat eine ganzheitlich ökologische Firmen-Philosophie, und so sollte besonders auch die Software der Mensch-Maschinen auf philosophischen Grundlagen entstehen. Der Plan leitete von den Ideen des Philosophen N. Senada (es ist nicht klar ob dieser wirklich existiert oder Erfindung von The Residents war) die Theorie der Annäherung von Mensch und Maschine ab. Während der biologische Mensch immer mehr Teil des Maschinellen werde, fühlen sich die Roboter zur Natürlichkeit und Emotionalität der Menschen hingezogen füllen. Die Fanuks als sanfte, nicht berechenbare Wesen zu konzipieren war somit der logische Schluss, um die laufende Technisierung auszugleichen.

“Ich erblickte das Licht der Welt am 23. Mai 1988 um 8 Uhr 15 und sah einen wunderschönen Blumengarten mit Kirschblüten und Wasserrosen.”

Fanuc

Auf dem B-Teil des Albums folgen dann die Song-Skizzen, in denen sich die Roboter mehr ihrer menschlichen und sanften Seite hingegeben. So möchten sie lieben (I Can Love) und fordern in I Want To Sing Like Ella alle menschlichen Dinge tun zu dürfen und die Maschinen von ihrem reinen Nutz-Zweck zu befreien. Am Ende des Albums haben die Maschinen es also geschafft, ihre sanfte Seite zu retten. Vielleicht schafft es Der Plan ja auch mit diesem Blick in die Vergangenheit, vielmehr ein Kunstprojekt als ein Album, den technisierten Menschen mithilfe der Fanuks an seine Software zu erinnern.


Label: Bureau B
Veröffentlicht am: 16.04.2021
Interpret: Der Plan
Name: Save Your Software
Online: Zur Seite des Interpreten.


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