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Nation of Language – A Way Forward

Rezensiert von am 7. November 2021

       

Wenn Bands heute der Retromanie verfallen und dies auch noch erstaunlich gut bei Hörer*innen funktioniert, kann man sich als geneigte Kritiker*in fragen, warum das Ganze? Was gibt das auserwählte, meist vor 20 bis 30 Jahren in der Hochzeit stehende Genre mir heute? Warum wird gerade diese Musik und damit meist auch ein Lebensgefühl noch einmal ins Gedächtnis gerufen, und im besten Fall entstaubt und erneuert? Denn Musik ist ja nicht immer nur Musik, sondern – steile These – eine Reaktion auf die Gesellschaft, das Leben an sich.

Foto: Robin Laananen

Bei ihrem neuen Album “A Way Forward”(in diesem Zusammenhang ein ironischer Titel) kann man sich also fragen, wie und warum es das Brooklyner Trio Nation of Language so mühelos schafft einen Retro-Sound vom New Wave zu erschaffen, der garantiert damals New Order oder Joy Division um nichts nachgestanden hätte. Und warum trifft das offensichtlich ein musikalisch-nostalgisches Bedürfnis nach … nach was? Nation of Language aka Ian Devaney, Aidan Noelle und Michael Sue_poi schwimmen seit ihrem Debütalbum vom letzten Jahr auf jeden Fall recht erfolgreich auf dieser neuen Welle. An ihren Erstling “Introduction, Presence” arbeitete das Trio vier Jahre, weil immer wieder Geld fehlte, um einzelne Songs fertig zu stellen. Schließlich haben Ian und Aidan kurzfristig geheiratet um aus den Spenden von der Hochzeit das Album zu finanzieren und es mitten in der Pandemie an Radiosender und DJs zu schicken. Ganz unerwartet wurde es gespielt, geliebt und auf einmal waren alle hart finanzierbar-produzierten Vinyls nach einer Woche ausverkauft.  

Mit “A Way Forward” folgt dann logischerweise nun eine etwas kompaktere Version der Wiederbelebung dieses Genres als beim Vorgänger. Zwischen einer ganzen Themenparade um Konsumverhalten, Beziehungsdynamiken und der allgegenwärtigen Romantisierung des Lebens in New York City, werden vor allem einzelnen Bands Hommagen verpasst. In Across the Fine Line oder Whatever You Want finden die Energie von New Order mit der Heiterkeit der Talking Heads zusammen, im modernen Gewand kommen diese Assoziationen mit Synthpop und rein elektronisch gebauten Beats zusammen, der akzentuierte Gesang von Devaney tut sein übriges.

Zwischen all dieser Energie und vermeintlicher musikalischer Lebensfreude fallen Songs Wounds of Love und besonders Miranda ein bisschen raus. Der waberner, spacige Sound erinnert eher an frühen Ambient der 70er Jahre a la Cluster & Eno, dem Nation of Language ihre eigene warmen Expression hinzufügen. A Word & A Wave referiert noch stärker auf diese frühe Ära des elektronischen Experimentieren. Ein langsam-aufbauender Sound, der an Laurie Spiegels “The Expanding Universe” (1980) erinnert, verschwimmt in einem Meer aus mehreren Synths und Delays, über sehr persönlich von dem Zusammenfinden der Band erzählen.

Die kalten, mechanischen Synthesizer von Kraftwerk, besonders als Echo von “Die Mensch-Maschine”(1978) und auch dem “Trans-Europa Express”(1977), hört man dann am ehesten in The Grey Commute und This Fractured Mind. Letzterer widmet sich zum fröhlich-poppigen Sound dem ernsteren Thema mentale Gesundheit im Lockdown zu. Einzig Former Self folgt auf diesem Album einem dunkleren Drive, das Piepen eines EKGs mischt sich unter einen Teppich an untergehenden Synthesizern und spanischer Gitarre, wohl der Song auf dem Album an dem man am stärksten die Individualität des Trios entdecken kann.

Nach was suchen Nation Of Language denn nun aber in ihrer Retromanie? Ursprünglich eng mit dem Punk-Rock verknüpft stellte der New Wave Anfang der 80er die etwas neutralere, nicht politisch motivierte Strömung dazu dar. Diese neuen Wellen sind zu jeder Zeit im Prinzip austauschbar, wie eine Mode, die aufkommt und wieder abflacht. Auf so eine Genre in der Gegenwart zurückzukommen, kehrt das Verständnis des Neuen komplett um. Denn New Wave ist jetzt etwas altes, immer noch dem Electro mehr zugewandt als der Punk. “A Way Forward” ist ein nostalgisches Kaleidoskop an Zitaten aus der ursprünglichen New Wave Ära – ein Album, dass zu dieser Zeit bestimmt seinen gefeierten Platz neben all seiner Referenzmenge gefunden hätte. Und in dem Nation Of Language am ehesten einen musikalischen Ausdruck der aktuellen Gesellschaft und ihrer Wahlheimat gefunden haben.


Label: Play It Again Sam
Veröffentlicht am: 05.11.2021
Interpret: Nation of Language
Name: A Way Forward
Online: Zur Seite des Interpreten.


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