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MOTOMAMI

Rezensiert von am 21. März 2022

       

ROSALÍA – MOTOMAMI

Chica, ¿qué dices?
¡Saoco, papi, saoco!

Sind die Worte, mit denen Rosalías drittes Studioalbum Motomami eröffnet wird. Die charakteristisch jugendliche Stimme mit stark akzentuiertem katalanischem Dialekt Rosalía Vila Tobellas, wie die Musikerin mit bürgerlichem Namen heißt, steht dabei zunächst für sich allein, bevor die Phrasen mit feinen rhythmischen Percussions unterlegt werden. Chica, ¿qué dices? bedeutet dabei in etwa Chica, erzähl, was sagst du?, während Saoco ein puerto-ricanischer Begriff afrikanischen Ursprungs ist, der für Erfolg und guten Geschmack steht. Referenziert wird hier direkt zu Albenbeginn auf Daddy Yankee und Wisin, die als absolute Pioniere des urbanen puerto-ricanischen Reggaetons im Jahr 2004 einen Track namens Saoco veröffentlichten. Und wie es diese Referenz will, so lässt auch der Reggaetonbeat in Rosalías Opener Saoko nicht lange auf sich warten: deutlich basslastiger als auf dem Vorbildtrack machen diese Takte das Genre des Albums sehr schnell und sehr unmissverständlich deutlich.

Was auf Saoko allerdings auch sehr schnell und unmissverständlich klar wird ist: Motomami ist nicht nur klassisch-urbaner Reggaeton – das wäre nach dem absoluten Hype dieses Genres in den 2010er-Jahren vollkommen überholt. Mit hörbar durchdacht produzierten experimentellen Klängen wie synthethisch-metallenen Synthesizersounds oder jazzartigen Breaks hört man diesem Opener definitiv seine zehn beteiligten Produzent*innen an – unter denen sich übrigens auch Wisin selbst befindet.
Die Experimentierfreudigkeit und avantgardistische Vielfalt Rosalías betont sie erneut in der Hook des Songs:

Yo soy muy mía, yo me transformo
Una mariposa, yo me transformo

Zu Deutsch in etwa Ich bin ganz ich selbst, ich wandle mich selbst wie ein Schmetterling weist hier zurecht auf die absolut diverse Bandbreite an Sounds, die uns Motomami bereitet, hin. Stand Rosalía auf ihren ersten beiden Alben El Mal Querer (2018), das als Album des Jahres der Latin Grammy Awards ausgezeichnet wurde, und Los Ángeles (2017) vor allem für die Fusion traditioneller andalusischem Flamenco mit Reggeaton, reicht ihre dritte Platte von Bachata über elektronische Industrialbässe bis hin zu vokal absolut außergewöhnlichen Sopranballaden, die stimmlich an den Klang FKA Twigs‘ erinnern. Währenddessen wird gesamplet, was das Zeug hält: Candy verarbeitet Burials Archangel, das von vorsichtig eingesetzten Bläsern geprägte Delirio de Grandeza samplet Soulja Boy.

Ursprünge

Features mit The Weeknd, Arca, J Balvin, Daddy Yankee oder Billie Eilish, Grammyauszeichnungen und Playzahlen auf Spotify um die 600 Millionen – an Rosalía kommt man aktuell auch nur mit ein wenig Interesse an der aktuellen Popmusik keineswegs vorbei.
Die 29-jährige wuchs auf im spanischen Katalonien und startete ihre Karriere als traditionelle Flamencosängerin – mit 16 begann sie ihre musikalische Ausbildung in traditioneller spanischer Musik an der Taller de Músics, im Anschluss besuchte sie die Escola Superior de Música de Catalunya in Barcelona, die sie mit ihrem Album El Mal Querer abschloss. Aktuell ist sie im Besitz eines Masters in der Interpretation des Flamenco. Nach zahlreichen Projekten in verschiedensten Soundtracks und Castingshows unterschrieb Rosalía 2016 bei Universal Music und zog nach Kalifornien. Zu ihrem weltweitem Erfolg trug anschließend unter anderem der gemeinsame Track Con Altura (2019) mit Daddy Yankee bei, der ihr auch den Spitznamen La Rosalía verschaffte. Nach den ersten beiden Platten 2017 und 2018 sollte Motomami, mit Columbia Records nun auf dem nächsten Major Label erschienen, ursprünglich schon 2020 veröffentlicht werden, durch die Pandemie verschieb sich das Release allerdings um rund 2 Jahre nach hinten.

CUUUUuuuuuute

Am deutlichsten werden Rosalías elektronische Einflüsse auf CUUUUuuuuuute. Der Stil des Track lässt sich am ehesten wahrscheinlich als Deconstructed Industrial mit lateinamerikanischen Elementen beschreiben, auf die die Sängerin mit hochgepitchter Stimme singt und rappt. CUUUUuuuuuute erinnert dabei extrem an die nicht-binäre Produzentin Arca (she/it/they), die ihrerseits als absolute Pionierin der dekonstruierten elektronischen Musik im Bereich des Reggeaton und des Hyper-/Avant-Pop gilt und mit der Rosalía bereits 2020 auf dem Track KLK kollaborierte.

Dass Rosalía avantgardistische Exzellenz liefern kann, wenn sie möchte, ist vollkommen eindeutig. Die schwächeren Tracks auf Motomami allerdings fallen auf musikalischem Niveau leider wirklich aus der Reihe – so machen La Fama oder Chicken Teriyaki zwar trotzdem Spaß, wirken aber hauptsächlich massentauglich und zeugen vom Major Label hinter der Musik. Legen wir die Priorität deshalb lieber auf jene Momente, in denen Rosalía Popularmusik auf absolut talentierte Weise mit unglaublich diversen Einflüssen verbindet und freuen uns mit Motomami auf einen hoffentlich genauso tanzbaren Sommer!


Label: Columbia Records
Veröffentlicht am: 18.03.2022
Interpret: Rosalía
Name: Motomami
Online: Zur Seite des Interpreten.

Coverbild: Columbia Records