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Gaspard Augé – Escapades

Rezensiert von am 27. Juni 2021

       

»Ich war schon immer davon besessen, überlebensgroße Musik zu machen. Vor allem, weil es mehr Spaß macht«.

Gaspard Augé

Martialisch, opulent, eine maximale Ausschöpfung aller instrumentalen Möglichkeiten, die ihrem Titel “Escapades” alle Ehren macht. Das Debüt-Soloalbum von Gaspard Augé ist da. Der eine Teil des französischen Elektro-Duos Justice, dass ab 2003 Rave und Rockmusik zu einer Symbiose verschmolz und so einen neuen Sound der Clubs definierte (“D.A.N.C.E”),  sucht nun seine eigene musikalische Identität. Nach 15 Jahren Zusammenarbeit mit Xavier de Rosnay wirkt dieser Schritt fast schon ein bisschen absurd. Nicht sicher, ob da noch mehr hinter steckt, aber oh ja, das tut es, weder gebremst von konventionellen Geschmacksurteilen noch klanglicher Zurückhaltung.

Foto: Beats International Promotion.

“Escapades” ist im wahrsten Sinne der Musik eine Flucht aus der Wirklichkeit und Realität. Mal musikalisch in anarchische, heidnische Rituale, mal in Western, die aber auf einer Space Odyssee stattfinden könnten. So alle epischen Idee zusammen in einem Traum eben und das alles rein instrumental und auf einem extrem hohen melodischen Niveau. Der Schriftzug des Albums erinnert stark an ein Guardians of the Galaxy oder Star Wars – Design, die Musikvideos wurden gedreht in wüstenähnlichen Tatooine-Landschaften oder Burgen, die wie aus dem Playmobil Katalog entsprungen scheinen und durch die ein Ritter auf einem Segway fährt. Ein spielerisches Zusammenwerfen an Einflüssen und Traumelementen, zu einem kolossalen Discosound, der auf “Escapades” eher in die 80er katapultiert als zu den Anfängen von Justice. 

Nach dem bei Welcome das Sound-Ufo, die übergroße-Stimmgabel, auf der Erde landet, packt Force majeure ein Feuerwerk aus klimatischen Trommelwirbeln und Snythezizer-Linien aus, die sich über einen fröhlich-stampfenden Beat legen. Als würden kleine Roboter gegeneinander antreten, ein Boxmatch im Weltall – wenn das mal kein monumentaler Einstieg in ein Album ist. Gaspard Augé legt innerhalb dieser ersten paar Minuten schon klar seine eigene Sprache fest. Über das etwas blasse Rocambole, geht es zu Europa, dass langsam auf dem, Achtung, Cembalo (wer benutzt dieses Instrument noch?), anfängt. Die ersten paar Akkorde erinnern danach ein bisschen an die ersten Takte von Supertramps Breakfast in America. Augés Sounds bewegen sich aber auf “Escapades” eher abseits der zeitgenössischen Musik, sie erinnern mehr an klassische, teilweise opernhafte Kompositionen ala Giorgio Moroder oder Ennio Morricone. Diese Abkehr von den aktuellen musikalischen Trends ist gewollt:

“Ich hatte ein bisschen genug von der Besessenheit, die die Leute haben, wenn es darum geht, Hits zu machen.”

Gaspard Augé

Auch die Fixierung auf den Gesang, auf dessen Tragkraft sich manche Popmusiker*innen zu verlassen scheinen, wollte Gaspard Augé nicht zulassen. Und besonders progressive Songs wie Pentacle entfalten ihre leicht “böse” Stimmung auch viel gewaltiger ohne Lyrics. Mit Hey! gehts dann wieder ein bisschen Richtung Italo-Disco, der Beat von I feel love von Donna Summer trifft auf geisterhafte Chöre und Streicher. Solche Nummern kratzen an dem Prädikat der Lächerlichkeit. Aber nur fast und diese Gradwanderung versteht Augé geschickt zu vollziehen. Nach den wieder etwas farbloseren Songs Captain und Lacrimosa folgt mit Belladone auf der zweiten Hälfte des Albums eine Dancefloor-Hymne im Justices Style (zu der dann der Ritter mit dem Segway unterwegs ist, klar), die sich nahtlos einreiht in den spacigen, von 80ies Synthesizern getriebenen Maximalismus von “Escapades”.  Über Casablanca, einer Krieg der Sterne – Sommerhymne, wo der Einsatz von Flöten und Harfen und ein schnelles Triolenmotiv an den Anfang von”Baba O’Riley” (The Who) erinnern, findet das Album mit Rêverie zu einem etwas dissonanten Ende aus diesem verrückten Traum.

Mit jedem einzelne Song auf “Escapades” entführt Gaspard Augé einen in eine andere Realitätsflucht. Auf der einen Seite spielt die Club-tauglichkeit des Elektros, viel stärker aber europäische klassische Musik, die neu interpretiert und in Augés Heimatgenre integriert wird. Das Ergebnis ist eine surreale, kinematographische Elektro-Oper, die im Weltraum stattzufinden scheint, und da gibt es eben auch Ritter*innen und Duelle wie im wilden Westen.


Label: Ed Banger Records
Veröffentlicht am: 25.06.2021
Interpret: Gaspard Augé
Name: Escapades
Online: Zur Seite des Interpreten.