Aktueller Song

Titel

Künstler

Aktuelle Sendung

Moebius

00:00 18:00

Aktuelle Sendung

Moebius

00:00 18:00


Fleet Foxes – Shore

Rezensiert von am 28. September 2020

       

Das vierte Studioalbum der US-amerikanischen Indie-Folk-Band Fleet Foxes hätte zu keinem passenderen Zeitpunkt veröffentlicht werden können. “Shore” spiegelt 54 Minuten lang in wunderschön runder Harmonien-und-Gitarren-Fleet-Foxes-Manier den Übergang der sorgenlosen, leichten Sommerzeit zum melancholischen, nachdenklichen Herbst und nimmt uns dabei mit auf eine Reise entlang der amerikanischen Westküste. 

Schon der Opener “Wading in Waist-High Water” malt die Szenerie eines ruhigen, kalten Tages am Strand, von grauen Wellen, die Treibholz anspülen und von Wind, der Haare zerzausen lässt. Im Anblick der kommenden, kühleren Jahreszeit erinnert man sich zurück an den unbeschwerten Sommer und spürt plötzlich die Wärme der Sonne auf der Haut: “Sunblind”, “Can I Believe You” und “Jara” erzählen, getragen von feinen Synthies, Harmonien und akustischen Gitarrenklängen die Geschichte eines Roadtrips entlang der Küste. Voll schwebender Unbeschwertheit blickt man nun auf das Glitzern des Meeres, hört Möwen kichern und hat plötzlich ein Lächeln auf den Lippen. Scheint sich “Jara” musikalisch jedoch vollkommen der sommerlichen Leichtigkeit anzupassen, handelt der Song textlich von der Verarbeitung des Todes einer geliebten Person und bildet so den Übergang zum eher wehmütigen Teil des Albums.

Im Gegensatz zu manch früheren Fleet Foxes Werken (Shoutout Helplessness Blues) verliert sich Sänger, Produzent und Songwriter Robin Pecknold allerdings keineswegs in Elegie, immer wieder tauchen die Motive der Sonne und der Wärme auf. “A Long Way Past The Past” führt zum ersten Mal auf “Shore” Bläser ein, “For A Week Or Two” bildet den ruhigsten Song des Albums und erinnert durch unsere geliebten, chor-ähnlichen Harmonien an “White Winter Hymnal”. Auch hier wird das Motiv der Schwerelosigkeit trotz sanfter Melancholie wieder aufgegriffen, zusammen mit den gesungenen Euphonium fühlt man sich wie unter Wasser, getragen von strahlendem Blau und der Gelassenheit der Tiefsee. Die folgenden Songs schwanken immer wieder zwischen leuchtender Energie und aufkommender Niedergeschlagenheit, doch jedes Mal wird man von aufblitzenden Sonnenstrahlen, zwitschernden Vögeln und anrollenden Wellen aus der Nostalgie gerissen und ins Hier-und-Jetzt zurück befördert.

In “Quiet Air/Goia” kommt das Klavier als Element hinzu, das Lied spiegelt in einer zweiteiligen Geschichte die panische Angst vor dem Tod, endet aber unglaublich friedvoll. Die scheinbar aufkeimende Verzweiflung wird in “Going-to-the-Sun Road” durch warme Hoffnung ersetzt und trifft in “Cradling Mother/ Cradling Woman” auf vollkommene Akzeptanz und Zufriedenheit mit der eigenen Situation. Den Abschluss dieses Spaziergangs entlang des Pazifiks bildet mit “Shore” der Übergang vom Tag zur Nacht: Klavier und Bläser werden wieder aufgegriffen, Synthesizer und Trommelwirbel kommen dazu. Der Song baut sich auf zum dramatischen Untergang der Sonne und findet seine friedsame Vollendung in der aufkommenden Dunkelheit und im Schein des “quarter moon”s (zum Zeitpunkt der Albumveröffentlichung am 22.09.2020 war der Mond zu einem Viertel sichtbar). 

“Shore” zeigt besonders die Entwicklung Pecknolds als Songwriter und als Person: Immer wieder geplagt von psychischen Problemen, scheint er im Laufe der Jahre gelernt zu haben, besser mit seinen Ängsten umgehen zu können und vor allem, die eigene Schwermütigkeit zu akzeptieren. Auch musikalisch zeigt sich Pecknold mutiger als zuvor: die Songs sind vielschichtig und aufwendig arrangiert, “Cradling Mother/Cradling Woman” baut auf einem Sample Brian Wilsons auf, “Jara” enthält ein Feature von Meara O’Reilly.

Insgesamt stellt Fleet Foxes viertes Album erneut den Kampf zwischen Licht und Dunkelheit dar, zum ersten Mal treffen nun aber Verzweiflung und Melancholie auf eine vollkommen ausgeglichene, versöhnende Gewissheit, dass sich alles zum Guten wenden wird. Eine mitreißende, runde Platte, die so manchem Sommermenschen die Angst vor der dunklen Jahreszeit nimmt.


Label: Anti Records
Veröffentlicht am: 22.09.2020
Interpret: Fleet Foxes
Name: Shore
Online: Zur Seite des Interpreten.


Weiterlesen

Vorheriger Beitrag

Cults – Host


Thumbnail