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Ezra Collective – Where I’m Meant To Be

Rezensiert von am 6. November 2022

       

Der erste Song vom neuen Ezra Collective Album, den der Youtube-Algorithmus für mich ausspuckt, ist die eher entspannte Nummer Smile. Im Musikvideo sieht man eigentlich nur, wie die fünf Musiker in ihrem in gelben und roten Farben eingerichteten Tonstudio/Wohnzimmer sitzen und diesen Song quasi mühelos aus der Luft fischen. Ezra Collective kann man eigentlich primär als eine Liveband bezeichen, die nur zwischendurch auf Stippvisite im Studio ist, um da schnell mal was aufzunehmen. 



Durch die Pandemie hat sich ihre Arbeitsweise fundamental geändert. Auch ihre Musik? “Where I’m Meant to Be” klingt allein vom Titel im Gegensatz zu ihrem Debüt “You Can’t Steal My Joy”(2019) schon mal gesettletter, heimeliger, bodenständiger – oder einfacher selbstbewusster und erwachsener? Aber auf der anderen Seite, muss man wissen, wo man hingehört? Eines ist für Bandleader Femi auf jeden Fall klar … 

… “Ezra is about being Black Londoners. We always try to be very UK, and a lot of that is to do with falling in love with grime.”(Femi Koleoso) 

Seit 2016 gestaltet die Band Ezra Collective um die Brüder TJ und Femi Koleoso die aktuelle UK-Jazz Szene aktiv mit, in der schwarze Genres – Jazz, besagter Grime und Afrobeat (bei der Band Fokus auf Sambia) immer mehr ineinander fließen. Mit 14 Tracks, die in über einer Stunde Nu-Jazz vom Feinsten präsentieren, feiert “Where I’m Meant To Be” diese Fusion und das Leben in einem pulsierenden Sound. Opener Life Goes On beginnt mit einem Stimmengewirr, langsam bahnt sich ein Saxophon-Staccato seinen Weg da durch und dann legt die sambische Rapperin Sampa The Great los, in einem Genre-Mix aus Jazz und Hip Hop. 

Victory Dance führt diese Energie weiter, aber jetzt auf einmal in Südamerika und im Samba. Rein instrumental, auf den Punkt, kompakt und dabei trotzdem mindestens drei Klangsprachen miteinander – moderner Jazz am Peak…

…“An aggressive Afro-Cuban-salsa-jazz-afrobeat smash-up!  Playing that live is gonna be…it’s gonna go off!” (Femi Koleoso über “Victory Dance”) 

Am Anfang von No Confusion (ft.  Kojey Radical) belauschen wir ein Telefongespräch zwischen Femi und Tony Allen, nigerianischer Drummer und in der Band von Fela Kuti aktiv, der einmal ganz klar alle Verwirrung beseitigt: “Wir machen hier nur Jazz, aber nicht wie die Amerikanern, sondern ‘my way”’ – es geht um die Identität als Afrobeat-Musiker, um Gewissheit der eigenen Herkunft und Selbstbewusstsein des eigenen Könnens. Und Ezra Collective sind sich ihrer Eingespieltheit aus luftig leicht anmutenden Live-Performances mehr als bewusst. 

So geben TJ (Bass) und Femi Koleoso (Schlagzeug), Ife Ogunjobi (Trompete), James Mollison (Saxophon) und Joe Armon-Jones (Keys) uns in den fünf folgenden instrumentalen Songs erstmal eine Masterclass in Call-and-Response (Welcome To My World). Bieten Solo-Instrumenten eine Bühne wie in Togetherness dem Saxophon, das sich übrigens wunderbar mit einem Dub-Beat versteht. Stellen in Live Strong das Klavier in der Tradition des Cool Jazz in den Fokus (das Instrument ist für mich ganz klar der heimliche Star dieses Albums!) und lassen rhythmisches Klatschen und Lachen als Kontrast dieser glatten Oberfläche mit einstimmen. Bis Saxophon und Regenstab nach fünf Minuten jammen die Bühne übernehmen und sich wie Sonnenstrahlen über diesen Sound ergießen. 

Bisschen in Kontrast dazu geht Belonging in Richtung Atonalität und spielt mit elektronischen Verzerrungen. Das ganze klingt so fast ein bisschen bedrohlich und nach Vertonung eines inneren Struggle. Irgendwie wird es dann ganz schön Deep am Ende des Albums, Never the Same Again entwickelt sich aus Zusammenspiel von Klavier und Glockenspiel in eine fast klassisch anmutende Melodie. Die wird immer weiter wiederholt, bis zu einem musikalischen Bruch und “Absturz” aus verträumten Wolken in eine doppelt so schnelle, rauschhafte Samba-Realität. 

Zugleich ekstatisch und gelassen ist “Where I’m Meant To Be” ein kontrastreiches Album, mit Gemeinschaft und Lebensfreude als roter Faden. Und auch ein Aufruf zum Durchatmen, zurücklehnen, Kopfhörer aufsetzen und diese Meister einfach machen lassen.  Ezra Collective zeigt selbstbewusst, was wir eigentlich schon lange wissen: sie gehören genau da hin wo sie sind und geben hoffentlich noch für viele Jahre den Ton im UK-Jazz an. 


Label: Partisan Records
Veröffentlicht am: 04.11.2022
Interpret: Ezra Collective
Name: Where I'm Meant To Be
Online: Zur Seite des Interpreten.


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