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DOTA – Wir rufen dich, Galaktika

Rezensiert von am 30. Mai 2021

       

Es war einmal eine Kleingeldprinzessin, die sammelte ihre durch Musik auf der Straße ergatterten Taler ein und zog los, um die Welt ein bisschen besser zu machen. Ursprünglich mit Stadtpiraten unterwegs, die jetzt mit ihr zu einer festen Band verschmolzen sind, steht die Prinzessin dem Leben 2021 ratlos gegenüber. Auf ihrem neuen Album kann Dota Kehr keine Antworten auf die Probleme unserer Zeit finden und entführt uns daher lieber in die Utopie eines Sommers, in dem die Fragen ab und an mal an die Gartentür klopfen. Aber nur ganz leicht.

Mit ihrer Band DOTA ist Dorothea Kehr seit 2017 unterwegs, und besonders mit den letzten drei Alben längst über den Status Geheimtipp hinweg. Ihr letztes Album, “Kaleko”, hielt sich vergangenes Jahr ganze acht Wochen in den Charts. Für meinen Geschmack hatte die Band darauf zu viel zu sagen versucht, auf ihrem neuen Album treffen sie jetzt aber genau das richtige Mittelmaß zwischen politisch engagierter Kritik und sommerlicher Partystimmung. 

Dieses Album beginnt ganz zögerlich mit ein paar langsam anlaufenden Akkorden auf der Gitarre und der Frage, ob man hier eigentlich richtig ist. Ein locker-leichter Bass und entspannte Drums im Opener von “Wir rufen dich, Galaktika” schaffen dann aber doch ein gutes Selbstbewusstsein für die eigene Mission. In der DOTA zunächst mal so tun, als ob alles geht. Sie steigen mit der Beschreibung der modernen Realität so unprätentiös in dieses Album ein, dass es überhaupt nicht crinchy ist. Oder überholt. Sondern einfach nur süß und ehrlich. Mit Bademeister*in folgt ein unfassbar witziges Manifest an einen Beruf, der schon von den Ärzten 1984 ausführlich besungen wurde. Geht es da eher in Richtung Belästigung von kleinen Mädchen, entpuppt sich DOTAs Song ab der zweiten Strophe als feministischer Kommentar mit Augenzwinkern auf die Gender-Diskussion. Die Bademeister*in kann genau so viel am Beckenrand managen wie ihr Kollege, reimt sich aber leider nicht so gut. Trotzdem kriegt sie dann nochmal einen eigenen Refrain. 

Sie kann Herzdruckmassage machen, sie zeigt dir die Kiste mit den Fundsachen. Sie rettet vielleicht dein Leben, vielleicht hat jemand deinen Schlüssel bei ihr abgegeben.”

Dota Kehr in “Bademeister*in”

Besser als nichts ist dann das erste Liebeslied des Albums, eine zweifelnde Frage an die eigene Wahrnehmung. Warum fühlt das Gegenüber nicht so wie man selbst, liest man einfach zu viel in Alltagssituationen und zufällige Blicke hinein? Textlich auf super hohem Niveau baut DOTA hier Brücken und Schachtelsätze, die die Verwirrung im Kopf perfekt machen. Und kurz mal was über die reine Musikebene auf diesem Album: Meine Güte, wie technisch sauber und immer genau im richtigen Maß im Hintergrund, der Sängerin nicht die Schau stellend, aber trotzdem abwechslungsreich und interessant gestaltet. Die Gitarrenlinien erzählen in sich kleine Geschichten und der verspielte Bass dekoriert gemeinsam mit den farbenfrohen Synthesizern die Songs und die mühelosen Übergänge dazwischen.

Ich bin leider schuld beginnt mit so einer solistischen Rhythmusgruppe, dann folgen zögerliche Entschuldigungen, dass leider nicht alles richtig gemacht wurde im Alltag von der kleinen Frau. Für mich ist die Message hier ein bisschen zu plakativ gestaltet, aber das ist schon ok. Danach geht das titelgebende Wir rufen dich, Galaktika dann richtig nach vorne. Zu einem tanzbarer Rhythmus und astronomen Synthi-Wellen wird eine lila Fee aus der Galaxie angerufen, die alles wieder gut machen soll auf der Erde. 


Sommer für Sommer gehen wir am Waldrand spazieren und pflücken wilde Brombeeren, so ist dieser Song ein nostalgischer Blick in bessere (?), analoge Zeit. Da kommen bei mir Erinnerungen an warme und anarchische Wilde-Hühner Sommer mit 12, 13 hoch, in denen die einzige Frage war, ob dieses Baumhaus hoch genug ist und die Probleme des Erwachsenenlebens nicht existiert haben. Mit der Vorabsingle Ich hasse es folgt direkt darauf eine Kampfansage an personalisierte Werbung und den ganzen Müll, der einem digital in jeder Sekunde vorgeschlagen wird. Eben war im Sommer die Insta-Welt noch so weit weg und jetzt prasselt dieser kleine Wutausbruch auf mich herab. Aber durch die klug gebastelten Texte und vor allem die Musik wirkt das wirklich nicht platt. Funken Schlagen ist wieder ein Liebeslied über die erste Momente einer Liebe, die erste Berührungen ohne Ziel oder Richtung. Da das ja ein bisschen emotional überfordern kann, ist Fotosynthese vielleicht eine ganz gute Alternative, sich einfach nur auf die Produktion der eigenen Lebensgrundlage zur fokussieren und darin das Glück zu finden.

Auf das der Planet genese, lernt alle mit mir Fotosynthese!”

Dota Kehr in “Fotosynthese”

Wenn es am schönsten ist, soll man Bleiben. Ein Appell am Ende des Albums, wieder eine schnellere Nummer über das bittersüße Ende einer Beziehung im Sommerausklang, der uns etwas ratlos zurücklässt. DOTA haben mit “Wir rufen dich, Galaktika” ein Album zum träumen und schweben in einer frühsommerlichen Stimmung gemacht, ein Album, dass der Seele gut tut und ein bisschen Druck von allen gesellschaftlichen Erwartungen an uns nimmt. Das die Tragweite der ausgedrückten Gedanken hinter der scheinbar sorglosen Musik erst später, beim zweiten oder dritten Mal durchhören, offenbart, wie ein guter Roman an einem Sommernachmittag.


Label: Kleingeldprinzessin Records
Veröffentlicht am: 28.05.2021
Interpret: DOTA
Name: Wir Rufen ich, Galaktika
Online: Zur Seite des Interpreten.


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