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Marinero – Hella Love

Rezensiert von am 24. Mai 2021

       

Stellt euch vor eure Studienzeit in Münster neigt sich dem Ende. Die letzen LP sind gesammelt, die Abschlussarbeit geschrieben und es steht fest, es geht für euch jetzt ins Berufsleben. Der Job den ihr jetzt anfangt zwingt euch allerdings dazu Münster zu verlassen. Kein Trinken mit Freunden in der Jüdefelder, kein Feiern am Haverkamp, keine langen Spaziergänge um den Aasee, kein sommerliches entspannen mit Freunden am Kanal usw… Wehmütig blickt ihr auf die schöne Zeit zurück und rekapituliert noch einmal all die schönen Erinnerungen, die ihr mit dieser Stadt verbindet und verabschiedet euch langsam von einem Ort, der jahrelang eure Heimat war. Unter diesem Eindruck schreibt ihr dann ein Album. Genau so hat sich der Entstehungsprozess des Albums “Hella Love” von Marinero angefühlt, mal abgesehen davon, dass Marinero natürlich nicht aus Münster kommt, sondern aus San Francisco.

Foto: Upadhyay

Jess Sylvester, wie Marinero mit bürgerlichem Namen heißt, steht davor San Francisco zu verlassen und nach Los Angeles zu ziehen. Für ihn ist die Bay Area dabei sogar nicht nur ein Studienort gewesen, sondern der Ort an dem sich seine Eltern kennenlernten, an dem er geboren und aufgewachsen ist. Natürlich fällt der Abschied da schwer. Und so ist “Hella Love” eine einzige vor Nostalgie triefende Liebeserklärung an seine Heimat.

Schon ein Blick auf den Titel des Albums “Hella Love” verrät dies. So ist “hella” ein Slangterm, der in den Straßen San Franciscos entstanden ist und so viel wie “wirklich” oder “sehr” bedeutet. Und schaut man dann auch noch auf das Cover des Albums ist am unteren Rand unschwer die Golden-Gate-Bridge zu erkennen. Diese Motive rund um San Francisco ziehen sich als roter Faden vor allem auch in den Songtexten durch das gesamte Album. Das Schöne dabei ist, dass es Marinero schafft seine nostalgischen Heimatgefühle auch musikalisch authentisch in ein stilistisch breites Gewand einzuhüllen, welches vor allem von lateinamerikanischer Musik geprägt ist. Dieser musikalische Einfluss ist aber auch nicht groß verwunderlich, schließlich hat Marinero eine mexikanische Mutter.

Gleich im textlosen Intro Fanfare kann man eine Heimorgel hören, die von einem Jazzbeat begleitet wird und in der dann Trompeten ihre Fanfaren anstimmen und einen ersten Hauch von Südamerika in die Musik bringen. Es folgt mit Through The Fog ein klassischer Bossa Nova. San Francisco ist dabei für seinen berüchtigten Nebel bekannt, der in diesem Fall als Metapher für eine harte undurchsichtige Zeit steht, die Marinero hatte. Gleichzeitig ist der Song ein Dank an seine Freunde und Familie die ihn durch diese harten undurchsichtigen Zeiten durchgeführt haben. Das Interlude Minuet for the Mission leitet dann in den Song Nuestra Victoria über. Hier warten schon etwas funkigere Klänge. Das Thema des Songs ist doch eher ungewöhnlich. So geht es in diesem Track um eine Bäckerei namens La Victoria, die im Viertel stand in dem der Künstler aufgewachsen ist, das allerdings Opfer der Gentrifizierung geworden ist. Hier zeigen sich auch nochmal die Wurzeln des Künstlers, denn am Ende des Liedes wechselt Marinero die Sprache und singt auf spanisch.

Dieser spanische Gesang zieht sich weiter bis in den Song Luz del Faro, zu deutsch Leuchtturmlicht, was als Metapher des Heimkommens gesehen werden kann und wohl auch seinen Vater ein wenig huldigt, der Seemann gewesen ist. Erinnert der Song am Anfang musikalisch noch an die mexikanische Mariachi-Musik so bekommt er in seinem Verlauf Wendung die dann wieder eher an Guijara a la Buená Vista Social Club erinnert, bis sich diese beiden Stile am Ende wieder elegant vermischen. Outerlands stellt mit Textzeilen wie “You make it so hard to leave” wieder dar, wie schwer es Marinero fällt seine Heimat zu verlassen. In Beyond the Rainbow Tunnel nimmt uns Marinero mit auf einen Ausflug in die Nationalparks nördlich von San Francisco wo sich unter anderem der besungene Berg Mt. Tam befindet. Musikalisch stellt dieser Song allerdings nichts Besonderes dar.

Anders sieht es da schon wieder mit dem Track Hella Love aus. Dieser startet mit dem Sample einer lokalen Radiostation und geht dann in eine entspannte Indienummer übrig, die dieses Mal ohne großen lateinamerikanischen Einfluss auskommt. Erzählt wird in diesem Song die Geschichte wie seine Eltern damals unabhängig voneinander in die Bay Area gekommen sind. Maritime klingt wie ein kleiner Abschied von der heimischen See und geht stilistisch eher in Richtung Mambo. Im vorletzten Track Isle of Alcatraz rekapituliert Marinero noch einmal die Geschichte der berühmten Gefängnisinsel auch wieder eher im Stile des kubanischen Jazzs. Zuletzt wartet auf die HörerInnen nochmal ein Highlight der Platte. Der Song Frisco Ball erinnert zunächst stark an Lambada von Kaoma, begeistert dann aber mit ein wenig funkigeren Klängen und schwankt musikalisch anschließend zwischen Electronica und Mariachi und ist eine Hymne der Zusammenkunft in der Bay Area.

“All brothers and sisters unite in the city by the Bay” 

Marinero in “Frisco Ball”

Insgesamt gelingt Marinero mit Hella Love ein gefühlvoll authentisches Album, das Nostalgie pur vermittelt und dabei tolle Einblicke in die Welt der lateinamerikanischen Musik bietet.  

rezensiert von Moritz Meyer.


Label: Hardly Art
Veröffentlicht am: 21.05.2021
Interpret: Marinero
Name: Hella Love
Online: Zur Seite des Interpreten.


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