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Baby Boys – Threesome

Rezensiert von am 17. März 2021

       

It was this sort of hacking of everyone’s ideas and just destroying everyone’s past patterns, in order to create this new energy”(Hinz). So ziemlich das passiert, wenn sich drei Multiinstrumentalisten aus zwei verschiedenen Bands zusammenschließen, um gemeinsam zu etwas neuem zu finden. Nebenbei werden natürlich auch in den Ursprungsgruppen Hippo Campus und The Happy Children fleißig weiter Alben veröffentlicht und zusätzlich Soloprojekte realisiert. Aber das ist Caleb Hinz, Jake Luppen und Nathan Stocker eben nicht genug kreativer Output und 2019 die Geburtsstunde für ihr gemeinsames Projekt Baby Boys

Experimenteller Elektropop (The Happy Children) trifft bei den drei Musikern aus Minneapolis auf Indierock (Hippo Campus) und wird gefüttert von der Liebe zur Verzerrung und Verfremdung von Stimmen, die Jake Luppen in seinem Soloprojekt Lupin bereits ins Maximale ausgereizt hat. Das Debütalbum von Baby Boys setzt die Vocals nicht so sehr in den Fokus, vielmehr ist „Threesome“ das Festhalten von anarchischen Improvisationen im Studio, die textlich mit einer Mischung aus IPhone-Memos und spontanen Einfällen ausgestaltet werden. Eben auch eine Loslösung von der Ernsthaftigkeit und Heiligkeit von Studioaufnahmen, “It’s always been in response to, and in aversion to, overthinking shit, specifically in the studio“, die auf diesem Debüt in zehn Tracks komprimiert wurde, innerhalb derer alles passieren kann. Als Produzent ist langjähriger BJ Burton (Bon Iver, Charlie XCX) mit dabei, um all den Input der „Boys“ irgendwie zu verbinden: unberechenbare Klangcluster, minimalistische Cloud-Recordings, dazwischen ein bisschen LoFi-Rock und den dreistimmigen Gesang, der einen leichten Boygroup Vibe versprüht.   

Der Opener Common Place schmeißt mich direkt rein in diesen Dreier, eine funkige Basslinie legt sich entspannt unter elektronische Soundsnipsel und den dreistimmigen Gesang der „Boys“. Diese musikalische Welt ist anders als alles, was ich sonst von diesen Musikern gehört habe. Irgendwie ein entspannter, sorgloser Sound, der aber an jeder Ecke mit akustischen Spielerein und Überraschungen aufwartet. In diesem ersten Track ist schon besonders dieses spontane, stückhafte Aufbauen der Lyrics zu hören, dass durch eine „nonlineare“ Arbeitsweise entstanden sein soll: die drei Sänger teilten sich bei den Aufnahmen ein einzelnes Mirko. Derjenige, der als erster eine Zeile im Kopf hatte legte los, die anderen stiegen mit ein. Maggot Water braucht ein paar Anläufe, es scheint als würde das Hin- und Herschalten zwischen verschiedenen Radiosendern simuliert werden, bis dann endlich der richtige Song gefunden wird. Ein bis fast an die Grenze des Nervigen verzerrter Gesang legt sich wieder über dieses Soundgemisch, das nach ca. zwei Minuten in einem durcheinander gewirbelten Chorus endet. Über Gone, ein wunderbares Beispiel wie Alt-Pop mit schnellen Riffs und der richtigen Mischung Autotune immer noch richtig gemacht werden kann, geht es über zum etwas rockigerem Bum Ving Gatti. Falsett Gesang von Luppen legt sich auf einmal über Sprechgesang-Passagen und die Geschwindigkeit wird ordentlich angezogen. Und obwohl hier so viel Bekanntes aufeinanderprallt und digital verzerrt wird, passt das zusammen und macht vor allem einfach nur gute Laune. 

Die drei Musiker aus Minneapolis haben hier ein sehr kurzweiliges Debüt hingelegt, was perfekt den so schwer zu treffenden Punkt zwischen abstraktem Pop, aufgedrehtem Gesang, elektronischen Elementen und Überbleibseln von Indie trifft. Und in seiner Spontanität und Offenheit mal eben alles mitnimmt was sonst noch so dazwischen liegt. Cannonball leitet mit einer Mischung aus Indie-Pop, Slacker-Attitüde und dem dreistimmigen Gesang von Hinz, Luppen und Stocker eine entspannte Episode auf „Threesome“ ein. Mit seinen sanften Bläsern, dem langsamen, angehauchten Lyrics und den leise tickenden Synthesizern ist dann das stille Backgammon mein Highlight auf diesem Album. Dieser Song baut sich so unaufgeregt und kleinteilig über drei Minuten in eine kleine, instrumentale Impro-Session am Ende auf, zu der ich dann Zissou-mäßig anfange auf der Stelle zu tanzen.

Der folgende Song Flower verliert mich in einer für dieses Album nicht passenden Eintönigkeit dann leider ein bisschen. Das stärker mit Noise-Elementen versehende Desperado weckt daraus zum Glück gut auf, nimmt mit wieder einem Feuerwerk an übereinander liegenden Rhythmen Fahrt auf und geht nahtlos in die Energie von Duke and the Cash über. Einfach alles an diesem Song macht Spaß, weil es so viel zu entdecken gibt. Auf den Refrain folgt auf einmal ein kleiner Xylophon-Break, immer wieder werden kleine Geräusche rhythmisch eingefügt und wieder weggenommen und am Ende gipfelt das Ganze dann in einer überdrehten Symbiose aus Noise und Funk. Der Closer Shorty, mit Fokus auf akustischer Gitarre und einigen Solo-Bläsern, schließt dieses Album mit der witzigsten spontanen Line des Albums „You’re forty, I’m a shorty“. Was auch immer uns Baby Boys damit mitteilen wollen, es gipfelt in Dreampop, der in den akustischen Start einer Rakete übergeht, über den kryptische Botschaften geflüstert werden. Dieser weirde Abschluss fasst die vergangene halbe Stunde mit diesem großartigen Debüt vielleicht ganz gut zusammen.  


Label: Transgressive Recordings
Veröffentlicht am: 12.03.2021
Interpret: Baby Boys
Name: Threesome


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