“Ich fühle gerade, was du sagst und ich fühle genauso” – Marita im Interview
Written by Sophia Wasilewski on 18. August 2024
Traurige Musik heilt alle Heartbreak-Wunden, oder? Mit minimalistischem Sound und bittersüß-melancholischen Lyrics erobert Marita musikalisch die Großstadt. Wie ihr traurige Musik beim Verarbeiten hilft, was sie an ihrer Heimatstadt vermisst und welche Show ihr am meisten bedeutet, hat Marita Radio Q-Redakteurin Sophia Wasilewski im Interview erzählt.
Sophia: Ich sitze jetzt hier mit Marita beim Double-A-Festival in Aalen. Und Marita, heute ist ja ein ganz aufregender Tag. Heute sind viele neue Menschen da. Wie geht es dir denn heute erstmal so?
Marita: Also erst mal freue ich mich, dass ich in Aalen spielen kann, weil es ist ja meine Heimatstadt, ich komme von hier. Aber ja, es sind schon sehr viele Leute von außerhalb da. Deswegen bin ich auf jeden Fall aufgeregt. Aber ich sehe es immer so: Ich habe nichts zu verlieren und ich glaube, ich kann nicht enttäuschen, sondern ich kann nur Leute von mir überzeugen.
Sophia: Voll schön. Radio Q ist ja ein Campusradio und du hast dich ja gegen die Uni entschieden oder gegen irgendwie eine Berufsausbildung oder so und hast dich erst mal voll der Musik gewidmet. Was war denn da für dich entscheidend oder überzeugend, dass du gesagt hast, „Musik ist mein Ding, das möchte ich machen”?
Marita: Also ich habe schon immer gerne gesungen und als ich dann vor zwei, drei Jahren angefangen habe, das wirklich ernst zu nehmen und auch so Songs zu schreiben, war für mich eigentlich klar. Also mein Berufswunsch ist auf jeden Fall Musik machen. Und ja, durch Kontakte kommt man eigentlich sehr gut voran, indem man mit coolen Leuten zusammenarbeitet. Deswegen habe ich mich auch dagegen entschieden, das irgendwie zu studieren, weil ich auch Musik eher emotional sehe und mache, als sehr verkopft und dass man es studieren muss und so. Also ich bin ein sehr emotionaler Mensch, was Musik angeht, was so rauskommt. Inspiration, Kreativität, so, das kannst du nicht lernen.
Sophia: Ja, total schön, dass du da deiner Leidenschaft so nachgehen konntest. Wenn du dich im Nachhinein vielleicht noch mal entscheiden müsstest oder einen anderen Weg gewählt hättest, hättest du irgendwie eine Idee, was du studiert hättest oder was du alternativ gemacht hättest?
Marita: Ich wollte auch nie an einen Plan B denken, weil ich einfach hoffe, dass es mit der Musik klappt, aber allgemein so kreative Berufe, zum Beispiel, es ist auch wieder was Künstlerisches, aber Schauspiel fand ich schon immer mega interessant oder einfach Schreiben. Also, keine Ahnung, wenn ich mir einen Studiengang aussuchen müsste, wäre es vielleicht irgendwas journalistisches geworden, weil ich das schon auch sehr cool finde. Ich habe auch immer gesagt, ich bin ein großer Fußballfan, dass ich so Fußball- oder Sportjournalismus mega interessant finde und dann so, keine Ahnung, da irgendwie so Spiele kommentiere. Fand ich schon immer sehr cool. Ich glaube, das wäre dann so der Plan B gewesen.
Sophia: Ja, voll interessant. Vor deinem Musik-Karrierestart, warst du ja bei “The Voice of Germany” und bist sogar bis ins Halbfinale gekommen. Wo ist für dich der Unterschied, jetzt eigene Songs performen zu können, anstatt Songs von anderen Künstler*innen?
Marita: Das ist voll schwierig, weil Covers zu singen ist sehr cool. Man kann natürlich auch mit den Songs relaten und Songs singen, die man fühlt, aber es ist schon noch mal was anderes, wenn man eigene Songs performt. Vor allem, ich denke mir jetzt, wenn man jetzt irgendwie einen Whitney Houston-Song gut singt, dann sind Leute so: „Hey, ich kenne den Song, guter Song”, aber wenn man einen Song von sich performt kommt, den die Leute wahrscheinlich noch nicht kennen, dann ist da irgendwie ein bisschen mehr Druck da, weil ich denke: Okay, ich muss jetzt nicht nur irgendwie gut singen, sondern ich will auch, dass meine Musikrichtung den Leuten gefällt. Also ich möchte die Leute schon von meiner Musik überzeugen. Das ist schon noch mal auch ein größeres Kompliment, wenn dann Leute kommen: „Hey, der hat voll was in mir ausgelöst, der Song”, wie wenn jetzt jemand sagt: „Hey, du hast das Whitney Houston-Lied voll schön gesungen.” Das ist was anderes, was ganz anderes.
Sophia: Ja, und ein großes Ding ist da ja, glaube ich, auch die Sprache. Du hast ja vorher sehr viel auf Englisch gesungen und deine eigenen Songs sind ja jetzt alle auf Deutsch. Würdest du sagen, du fühlst dich mit Deutsch wohler oder wie kannst du denn deine Feelings, deine Ideen anders vermitteln?
Marita: Ich finde nach wie vor Englisch eine mega schöne Sprache zum Singen, weil sie einfach sehr viel flüssiger ist als Deutsch. Deswegen habe ich auch, was so Covers angeht, wenn ich Covers gemacht habe, habe ich sehr gerne Englisch gesungen. Außerdem findet man da im Internet auch viel besser so Akkorde für das Klavier oder für die Gitarre. Das heißt, man konnte einfach sich viel besser zu englischen Songs begleiten, weil es einfach mehr gibt, irgendwelche Karaoke-Versionen oder so auf YouTube habe ich auch immer benutzt, wenn ich so für mich gesungen habe. Aber was das eigene Songs, so selber Schreiben angeht, Deutsch ist halt meine Muttersprache und mir ist sehr schnell aufgefallen, als ich mal auch, ja, keine Ahnung, vor vielen Jahren aus Witz oder so als Laune heraus mal so englische Texte versucht habe zu schreiben. Es ist mir jetzt sehr schnell aufgefallen, dass ich nicht das Vokabular habe, um jetzt einen krassen, bewegenden Song zu schreiben, der nicht mit irgendwelchen cooleren Worten ist. Und ich glaube auch, dadurch, dass Deutsch meine Muttersprache ist, ist das auch einfach am ehrlichsten. Also ich kann einfach komplett meine Gedanken rausschreiben und ich denke auch in Deutsch und nicht auf Englisch (lacht).
Sophia: Ja, ich glaube, das kommt auch daher, dass deine Songs auch sehr emotional sind und alle sich mit sehr emotionalen Themen beschäftigen, vor allem ganz viel mit dem Thema Heartbreak, also verlassen, aber auch verlassen werden. Du nimmst sozusagen sagen deinen Zuhörern so ein bisschen die rosarote Brille ab, würde ich sagen. Nutzt du deine Musik oder das Songwriting da auch ein Stück als Verarbeitung?
Marita: Zu 100%. Also ich würde sogar sagen, dass es ausschließlich Selbsttherapie oft ist, also dass ich auch meistens über die Dinge schreibe, die mich am meisten verletzt haben. Also mir fällt zum Beispiel ultra schwer, schöne Momente und schöne Beziehungen einzufangen und in Worte zu fassen, ohne dass es irgendwie cheesy klingt. Also ich verarbeite eigentlich alles. Jeder Song, den ich habe, ist irgendwie ein Stück Tagebuch schreiben und Sachen verarbeiten.
Sophia: Genießt du das dann auch ein bisschen, dich in der Trauer zu vertiefen, mit trauriger Musik? Also inwiefern denkst du, dass traurige Musik vielleicht auch nicht nur dazu beiträgt, dass man sich vielleicht in die Trauer reinsteigert, sondern auch ein Stück weit helfen kann?
Marita: Ich finde schon, dass man manchmal traurige Songs hört, um so sich irgendwo reinzusteigern. Aber ich glaube auch, dass es helfen kann zu wissen, dass man nicht alleine ist damit. Dass dann jemand im Publikum steht und weint bei einem Song von mir, dann ist es, glaube ich, eher so: „Hey, ich fühle das gerade, was du sagst und ich fühle genauso.” Es ist eher so ein Miteinander, wenn man dann sieht, dass der Song einen bewegt oder, dass jemand den fühlt. Und ich glaube, es kann auch heilen. Ja, auf jeden Fall.
Sophia: Und ein großes Thema in deiner Musik ist ja auch deine Herkunft, beziehungsweise, dass du jetzt in Berlin wohnst. Berlin ist ja die Stadt der unbegrenzten Möglichkeiten, die Stadt, die nie schläft in Deutschland. Und damit beschäftigst du dich auch in deinem letzten Song, den du veröffentlicht hast, “allein in berlin”, wo du sagst, dass du dich in der Großstadt verloren fühlst und vielleicht in deiner Heimat, die ja eher klein ist, dass du da auch Dinge vermisst. Was verbindest du denn heute mit dem Kleinstadtleben, was dir Berlin nicht geben kann?
Marita: Ich saß beispielsweise heute Morgen auf meinem Balkon, also in dem Haus, wo ich aufgewachsen bin, und habe gefühlt das erste Mal die Aussicht so richtig genossen und richtig zu schätzen gewusst, weil in Berlin gibt es ja gar keine so Berge, Hügel und man sieht nicht wirklich über die Stadt. Und da bin ich schon ein bisschen emotional geworden und war so: Krass, ich habe das irgendwie, als ich da war oder als ich hier gewohnt habe – und darum geht es ja auch in „alleine in berlin” –, dass ich, als ich in der Kleinestadt gewohnt habe, das gar nicht so geschätzt habe oder schätzen konnte, weil ich immer so war, ah, ne, ich will raus hier, ist mir zu klein, ich will in die weite Welt raus irgendwie. Aber was ich damit verbinde, ist: Ich bin unfassbar froh, hier aufgewachsen zu sein, dass ich so meine Gegend hatte, ich konnte überall mit dem Fahrrad hinfahren oder mit dem Bus hinfahren. Man hatte so sein Lieblingscafé oder seine Lieblingsbar und da fühlt man sich dann schon auch so … Es ist einfach zu Hause und in Berlin habe ich es zum Glück auch jetzt mittlerweile geschafft, mir einen Freundeskreis aufzubauen. Also ich bin nicht mehr so allein wie in dem Song. Der wurde halt auch schon … Ja, dass ich den geschrieben habe, das ist jetzt schon über ein halbes Jahr her. Aber ja, man hat jetzt irgendwie zwei Zuhause und das kann auch eigentlich schön sein.
Sophia: Ja, ich glaube, in der Großstadt dauert es vielleicht einfach ein bisschen länger, sich zurechtzufinden, gerade wenn man mit so einem großen, schnelllebigen Umfeld nicht aufgewachsen ist. Aber ich glaube, wenn man sich dann mal gefunden hat, kann das durchaus auch schön sein. Deswegen jetzt die Frage: Was zieht dich denn trotzdem in die Großstadt oder was hat dich in die Großstadt gezogen?
Marita: Die Möglichkeiten. Also was die Musik angeht, habe ich hier nicht so viele Möglichkeiten gesehen als in Berlin. Und natürlich, man kann jeden Abend in Berlin feiern gehen, aber das Krasse ist auch, man kann jeden Abend auch auf irgendein Konzert gehen oder auf ein Event, ein musikalisches Event, wo man dann wieder neue Leute kennenlernt. Und das liebe ich daran, dass man immer sein Umfeld weiter ausbauen kann. Und in der Kleinstadt hatte ich eher das Gefühl, dass es ein paar Leute gibt, die Musik machen, aber es gibt nicht mehr außerhalb dieser Bubble. Und natürlich hat Berlin auch ihre Bubble, dem kann man nicht widersprechen. Aber ich habe da, was Musik angeht, einfach mehr Chancen gesehen. Man ist auch ein bisschen anonymer, gerade was TikTok, Social Media angeht. Das ist zum Beispiel ein Ding, ich habe mich in Aalen nie getraut, irgendwie so ein Video zu posten, weil ich dachte, wenn ich jetzt nachher durch die Stadt laufe, dann denken die Leute: „Gott, die hat doch gerade dieses komische, cringe Video hochgeladen auf Insta oder TikTok.” Und da bin ich halt einfach viel anonymer jetzt und kann da viel freier sein. Das ist sehr schön daran.
Sophia: Ja, total schön. Wir sind ja auch jetzt gerade in Aalen. Was bedeutet dir denn heute die Show in deiner Heimatstadt?
Marita: Es bedeutet mir zum einen voll viel, dass meine Eltern da sind, meine Familie und Freunde. Zum einen hat mir auch einer, mit dem ich Abi gemacht habe, mit dem ich mich voll gut verstanden habe, vorher geschrieben: „Ich bin auch da”, und ich wusste gar nicht, dass er in Aalen ist. Es schon cool, dass da wieder Leute zusammenkommen. Es ist einfach sehr familiär heute und man ist jetzt nicht irgendwo in, keine Ahnung, in irgendeiner Stadt, wo man sich nicht auskennt und niemanden kennt. Das ist schon heute ein bisschen einfach Heimspiel, zu Hause spielen. Das ist schon cool.
Sophia: Voll schön, dass du dich da so verbunden fühlst. Du hast ja letztens auch einige eigene Shows gespielt, aber auch sehr viele Support-Shows, zum Beispiel bei Sharaktah, bei Becks, bei Bekka. Kannst du sagen, was für dich so bis jetzt dein besonderster Auftritt für dich persönlich war?
Marita: Also mein Lieblingsauftritt, und es tut mir leid an die anderen, die bei den anderen da waren (lacht), aber mein Lieblingsauftritt war definitiv jetzt in Hamburg bei Becks als Support, weil erstens die Location war atemberaubend. Es haben 800 Leute reingepasst, war ausverkauft. Es gab so eine Empore. Das heißt, es waren nicht nur vor einem Leute, sondern auch über einem sind Leute gestanden und die waren einfach sehr herzlich, die Leute, und haben so geschrien, als wären sie wegen mir da. Und das hat mir so ein krasses Gefühl gegeben. Und die Leute, die dort gearbeitet haben, waren auch unfassbar nett. Das war wirklich, glaube ich, der schönste Moment und meine Stimme hat gepasst. Ich hatte keine Voice Cracks oder so. Da hat auch alles funktioniert mit der Technik. Und ich war einfach … Habe mich voll wohlgefühlt auf der Bühne, weil die Leute mir auch was zurückgegeben haben. Und dann hab ich auch mich getraut, zu tanzen und abzugehen. Ja, das war mega nice.
Sophia: Findest du für dich persönlich Support-Shows oder eigene Shows cooler? Also wo ist da für dich der Unterschied? Bereitest du dich da anders drauf vor? Womit fühlst du dich wohler?
Marita: Also tatsächlich hatte ich noch kein eigenes Konzert, dass ich wirklich so eine Show spiele, wo nur ich spiele. Ich hatte so Auftritte, wo mehrere Leute gespielt haben und dann halt als Support. Das heißt, ich habe nicht wirklich so einen Vergleich bis jetzt, wie das ist, wenn man wirklich Konzerttickets verkauft und die Leute nur wegen mir kommen theoretisch. Aber mir macht es beispielsweise ultra viel Spaß, Support zu spielen, weil es ist schon auch ein bisschen weniger Verantwortung, genauso wie jetzt hier heute. Es sind, glaube ich, auch viele Leute da, die mich noch nicht kennen oder die meine Musik noch nicht kennen. Und ja, ich kann halt nicht … Also die Leute können sagen, okay, es gefällt ihnen oder es gefällt ihnen nicht, aber ich kann jetzt niemanden enttäuschen, der irgendwie so sagt: „Ich bin wegen dir gekommen, aber es hat mir jetzt live gar nicht so gut gefallen.” Deswegen, da ist so weniger Verantwortung, wenn man Support ist und weniger Aufwand natürlich. Ich komme da immer mit dem Zug oder mit dem Auto oder wie auch immer komme ich da an, mit meinem USB-Stick in der Hand, gehe zu dem Haustechniker von der Venue und bin eigentlich sehr unkompliziert. Also es ist sehr unkompliziert. Ich mag’s schon sehr, Supports zu spielen, aber es ist natürlich schon noch was anderes, ein anderes Gefühl, wenn Leute wegen einem sind und die Songs von einem mitschreien. Das ist, glaube ich, schon was, was dann noch mal sehr crazy ist, wenn man ein eigenes Konzert spielt.
Sophia: Apropos eigene Shows: Hast du irgendwie eine Ziel- oder Wunschlocation oder einen Wunschauftritt, wo du sagst: “Das möchte ich in der Zukunft oder in der nächsten Zeit noch mal erreichen”?
Marita: In der nächsten Zeit denke ich, realistisch gesehen, dass das erst mal nicht möglich ist, weil ich halt gerade noch am wachsen bin, also erst mal dabei bin, meine Karriere oder meinen Künstler, einfach mein Projekt aufzubauen. Aber ich muss tatsächlich sagen, gerade diesen Support, den ich im Mojo in Hamburg gespielt habe, das ist eine Location, da möchte ich auf jeden Fall mal spielen. Also wenn ich da mal eine eigene Show spielen sollte, das wäre ein Traum. Und ja, so Festivals zum Beispiel finde ich auch ultra krass, wenn dann plötzlich 5.000 Leute vor einem stehen. Aber ich glaube, es geht nicht die Quantität der Fans, sondern eher die Leidenschaft der Fans. Ich glaube, ich habe lieber, keine Ahnung, lieber 800 Leute vor mir stehen, die das voll fühlen, was ich mache, als 10.000 Leute vor mir stehen zu haben, die es nicht so fühlen. Es ist schon, wie die Leute drauf sind, wie die Bock haben, das ist so viel mehr wert, als jetzt viele Leute zu haben.
Sophia: Dann hoffen wir mal, dass das klappt und dass du noch ganz, ganz viele Shows spielen kannst mit Fans, die dich toll finden, die deine Musik fühlen und sich verbunden fühlen. Danke, Marita.
Marita: Danke dir!