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“Olympia”, Oeuvre und die Olsenbande – ein Interview mit Betterov

Geschrieben von am 23. Januar 2024

Manuel Bittorf und sein Debut-Album Olympia waren der Beginn seines Mehrkampfs gegen sich selbst. Das Auflehnen gegen Normen, aber auch das Ausbrechen aus einem Kreislauf des Nichts-Tuns und Stundenlang-durch-Social-Media-Apps-Scrollen sind dieses Album für ihn. Sein Künstlername könnte dabei nicht ambivalenter zu seinem Erfolg sein: Betterov. Inspiriert von der Rolle eines Statisten in der dänischen Krimi-komödiantischen Serie „Die Olsenbande“ dreht er seine Runden mit dem Album. Im Oktober 2023 zieht er dann eine weitere Bahn und veröffentlicht das Deluxe-Album „Olympia Ehrenrunde“. Mit an Bord 8 unveröffentlichte Bonustracks mit Features wie Provinz, Paula Hartmann, Jeremias und Blumengarten und ein 21 Song-langer-Alben-Brecher. Ein Statement in der deutschen Indierock-Pop-Szene, welches Betterov von seiner Theatervergangenheit auf die Bühnen und Boxen bringt. Mit Texten, die Geschichten erzählen, Gesellschaft auf subtile Weise spiegeln und ´ne Umarmung fürs Herz und die eigenen Emotionen sein können. Radio Q-Redakteurin Neele Hoyer hat Betterov vor seinem Konzert in Münster getroffen. Entstanden ist ein schönes Gespräch – darüber, was der Anreiz zur Olympia Ehrenrunde war, worauf Manuel selbst am stolzesten ist und was eigentlich „Olympia“ als Albentitel bedeutet.

Neele: Wie geht es dir denn so kurz vorher?

Betterov: Gut. Natürlich so ein bisschen hufescharrend, aber mir geht es sehr gut! Ich freue mich sehr. (lacht)

Neele: Sehr schön. Das wollte ich hören. Wir starten mit kurzen Entweder-Oder-Fragen. Bad Salzungen oder Berlin?

Betterov: Berlin.

Neele: “Viertel vor irgendwas” oder “Olympia”?

Betterov: Das ist schwer. Ich habe ein Bauchgefühl. Das sind beides meine Schätze. Ich kann das ganz schwer zu beantworten, das macht mir nen richtigen Knoten im Kopf, merkst du das? (lacht) Ich sag jetzt Olympia.

Neele: Theater oder Musik?

Betterov: Musik.

Neele: Sehr schön, das wars mit den kurzen Fragen, jetzt geht´s ans Eingemachte. Was steht denn für dich eigentlich generell hinter dem Album Olympia?

Betterov: Der Titeltrack beschreibt einen Moment, indem man selbst absolut regungslos ist. Man liegt tagelang und super fertig auf dem Bett und guckt sich so alte Sportvideos an und in dem Moment, in dem Menschen einfach in 37 Sekunden die Welt verändern und einen neuen Weltrekord aufstellen, liegt man selbst eigentlich seit Stunden einfach nur rum und macht absolut gar nichts. Diese Diskrepanz zwischen jemandem, der in 37 Sekunden einfach die Welt verändert und jemanden, der einfach seit Stunden einfach noch nicht mal sich selbst verändern kann. Darum geht es in diesem Titeltrack und um dieses Gefühl.

Neele: Das finde ich super interessant, weil du damit auch so ein bisschen die Selbstoptimierung im Hintergrund, die ja eigentlich erfolgen sollte, ansprichst. Die aber dann irgendwie nicht passiert, weil man schon wieder seit Stunden im Internet ist. Du hast ja auch schon generell viel immer über internalisierten Zwang zum Perfektionismus gesprochen. Man muss aber ja am Ende immer diesen Punkt finden, die Dinge dann auch zu machen. Das hast du ja gut geschafft mittlerweile. Wie hast du das geschafft?

Betterov: Ich glaube, es ist wichtig, dass man alles, egal wie groß es einem erscheint, immer als eine Momentaufnahme sieht. Das, was ich jetzt in Bezug auf meine Musik ist, dass man zwar ein Album macht und das Album spielt man viele Jahre live und es bleibt auch immer bei einem und ist einfach ganz fest im musikalischen Schaffen drin. Aber es ist trotzdem auch immer eine Momentaufnahme und ich glaube, wenn man das verinnerlicht hat und das verstanden hat, dann kann man viel besser Dinge loslassen. Ich finde, gut und schlecht sind keine guten Kategorien für Kunst. Das sind keine guten Bewertungsmaßstäbe. Ich finde, spannend und langweilig ist viel besser. Wenn man, wenn man das Gefühl hat, man läuft durch ein Museum und bleibt bei irgendeinem Bild stehen, obwohl man 32 mal vorher nicht stehen geblieben ist, dann scheint das wohl spannend gewesen zu sein. Und das andere vorher, obwohl es in dem Museum hängt, war dann doch vielleicht ein bisschen langweilig und ich glaube, das ist was, was man sich selbst fragen muss, wenn man sich für eine künstlerische Tätigkeit entscheidet. Das muss man einfach immer weiter erforschen. Das hört auch niemals auf. Ich glaube, das werde ich auch noch machen, wenn ich 50 bin. Ich werde dann hoffentlich so ein paar Sachen schon gelernt haben und ein bisschen besser verstehen. Aber man muss sich da immer hinterfragen und das immer neu lernen. Das ist so ein bisschen das Spannende.

Neele: Das hast du sehr schön gesagt. Was war dein Anreiz hinter dem Projekt Olympia Ehrenrunde? Wie hast du dich für Features entschieden und was war dein Anreiz generell?

Betterov: Der Startschuss waren mehrere Faktoren. Der erste Faktor ist, dass ich noch einen Song hatte, der hieß Chemtrails. Ich wollte den eigentlich schon auf Olympia, ich hatte den aber nicht fertig. Der wäre auch so nicht auf die Platte gekommen, das wäre nicht richtig gewesen. Dann habe ich Olympia rausgebracht, hatte aber immer diesen Song und mir gedacht, ich würde eigentlich gerne, dass der auch noch auf diesem Album stattfindet. Das heißt nicht, dass Olympia irgendwas gefehlt hat. Das ist genau das Album, was ist, was ich schreiben wollte. Ich dachte mir nur, in einem erweiterten Inhalt muss dieser Song eigentlich stattfinden. Und dann habe ich den weitergeschrieben und irgendwann dachte ich, jetzt ist er genau das, wie er klingen soll. Das war der Grundstein für diese Idee, dass man das Album noch um diesen Song erweitert. Dann gab es gleichzeitig letztes Jahr gegen Ende des Jahres ein großes Konzert im Michel auf dem Reeperbahn Festival, wo auch Novaa, Paula Hartmann und Provinz waren. Da habe ich schon mit verschiedenen Künstlern und Künstlerinnen kollaboriert. Wir haben super schöne Versionen aus deren Songs und aus meinen Songs erstellt, gemeinsam mit meinem Produzenten Tim Tautorat. Eigentlich dachten wir, das ist so schön und wir haben auch super lange daran gearbeitet. Das ist fast schon ein bisschen schade ist, dass wir das nur einmal aufführen und dann nie wieder. Daraufhin haben wir uns gedacht: Wie wäre es eigentlich, wenn wir dieses Album nochmal neu aufziehen, mit dem Song “Chemtrails”, mit den Gäst*innen und diesen neuen Songs in neuen Versionen? Teilweise auch mit Versionen, wie die Songs ursprünglich entstanden sind, akustisch am Klavier. Das war die Idee zum Album. Die Features haben wir so ausgewählt. Paula Hartmann war einfach klar, nachdem wir auf einem Festival zusammen gespielt haben. Das war so schön und es hat mir großen Spaß gemacht. Wir brauchen nicht darüber reden, was sie für eine unfassbare Künstlerin ist. Dann haben wir “Bring mich nach Hause” quasi nochmal wie in diesem Konzertrahmen festgehalten. Provinz kenne ich auch schon ganz lange, wir sind auch ähnlich gestartet und wir hatten immer vor, zusammen einen Song zu machen. Dann gab es aber zwischendrin mal so eine kleine Sache über zwei Jahre, die das alles erschwert hat. Als das wieder ging, waren die Jungs sofort am Start und hatten auch Bock. Und mit Jeremias ist es ähnlich gewesen. Wir kennen uns auch schon super lange und haben uns auch über Tim Tautorat kennengelernt. Also ich zumindest habe das sehr bewundernd wahrgenommen, was sie machen und was sie für Songs schreiben. Deshalb habe ich mich auch wahnsinnig gefreut, als sie gesagt haben, dass sie gerne “Schlaf gut” mit mir machen würden. Das war auch das perfekte Feature für diesen Song. Das war so grob die Entstehungsgeschichte des Albums.

Neele: Das ist wirklich eine tolle Erweiterung, dieses Konzept, das Album neu aufzunehmen mit Feature-Gäst*innen. Was ist denn der für dich bedeutsamste Song aus deinem Oeuvre?

Betterov: Eigentlich haben natürlich alle Songs eine große Bedeutung, sonst hätte ich sie nicht veröffentlicht. Aber es gibt schon so ein paar Songs, die über die reine Musik hinaus noch eine große Bedeutung für mich haben. Zum Beispiel “Angst” auf der EP, als ich damals diesen Song geschrieben habe. Das war so der erste Song, der in diesem musikalischen Gewand war mit verhallten Gitarren und zu achteligen Bass. Und auch diese Soundästhetik, die Tim später noch sehr detailliert erzählt hat. Das war so ein Song, der für mich extrem wichtig war, weil ich zum Ersten Mal gemerkt habe, das das mein Sound sein könnte und ich das geil finde. Dann haben wir diesen Song aufgenommen und das war ein großer und wichtiger Song für mich. Chemtrails ist natürlich auch ein super wichtiger Song, weil ich mich einfach total freue, dass wir es noch geschafft haben, diesen Song in diesem Olympiakontext zu veröffentlichen. Das fand ich total schön und. “Dussmann” auch, weil der ein total spannender Song für mich war. Ich wollte den ganz lange gar nicht veröffentlichen oder habe gedacht, den versteht man irgendwie nicht. Den hatte ich eigentlich auch nur so für mich geschrieben. Deshalb hatte ich gar nicht so die Ambition, den zu veröffentlichen, habe es dann aber doch gemacht und war ehrlicherweise ein bisschen überrascht davon, dass das so vielen Leuten doch gefällt.

Neele: Du hast mit Dussmann auf jeden Fall irgendwo rein getroffen, wo du wahrscheinlich bei dir selbst auch rein getroffen hast, so emotional. Hast du eine Lieblings-Line aus “Olympia”?

Betterov: Ich schreibe nicht so viel in einzelnen Zeilen ehrlich gesagt. Ich gucke die Texte eher generell in so einem Gesamtkonstrukt an. Ich würde sagen, das Provinz-Feature, was wir gemacht haben – den neuen Song. Ich finde den total spannend aus vielen Hinsichten, weil er erklärt, was die Situation ist und was man daraus ableiten kann. Die zweite Strophe erweitert dieses spannende Prokrastinations-Thema nochmal gut, aufgehangen an einer Alltagssituation. Das finde ich immer total schön, wenn sowas passt. Und es war zudem auch noch total spannend, weil ich den mit Provinz geschrieben habe und die Jungs dann nochmal ihren Texteinfluss mit eingebracht haben, was ja auch der Grund dafür war, dass dieses Projekt anders ist als meine eigenen. Das hat einfach total geklickt und gut gepasst. Deswegen ist das aus jüngster Vergangenheit mein Favorit.

Neele: Sehr gut. Hast du dir eigentlich mal darüber Gedanken gemacht, wie deine Musik klingen würde, wenn du in deiner Heimat Thüringen geblieben wärst?

Betterov: Ja, da habe ich mir schon mal drüber Gedanken gemacht. Ich weiß gar nicht, ob sie so unterschiedlich wäre. Ich könnte mir schon vorstellen, dass das ähnlich klingen würde. Ich könnte mir aber auch vorstellen, dass ich dann vielleicht hin und wieder Bock gehabt hätte, eher so akustische Musik zu machen. Also noch akustischer sozusagen. Prinzipiell glaube ich, das der Ort, an dem man lebt, einen auch musikalisch beeinflusst. Ich glaube, dann wäre es etwas akustischer als jetzt.

Neele: Du machst ja generell Musik ohne viel Schnickschnack, sehr gitarrenlastig, zwischendrin Post-Punk-Akzente und super bildhafte Texte. Wie siehst du selbst deinen Platz in der aktuellen deutschen Indie-Szene? Es macht dich ja gerade aus, dass du da etwas Abwechslung reinbringst.

Betterov: Ich sehe das erst mal als ein Kompliment, würde ich sagen. Ich freue mich sehr darüber! Also ich versuche immer so ein bisschen unkonventionell zu sein und ich glaube, daher kommt das auch. Also es gelingt mir manchmal mehr, manchmal weniger. Aber ich glaube, dadurch kommt es so, dass es schon so eine Zugehörigkeit gibt. Aber dann auch einfach Unterschiede. Auch das finde ich eigentlich total schön und ich freue mich da sehr drüber. Ich würde sagen, man kann das ein bisschen an der Sprache festmachen. Aber ich fühle mich auf jeden Fall in der deutschen Indie Szene gut aufgehoben.

Neele: Woher kommt das bei dir, dass du immer auch den Drang hast, unkonventionell zu sein? Du thematisierst ja generell super viel die Themen Zugehörigkeit und Abgrenzung. Vielleicht hat das seinen Ursprung auch im Landleben, weil man dort denkt, dass man in die Lebenskonzeption und die Art der Gesellschaft dort nicht reinpasst und man dann irgendwie anders ist. Also woher stammt dieses dieser Drang nach Unkonventionalität und nicht reinpassen wollen aber irgendwie schon zugehörig sein?

Betterov: Das hast du schon ganz gut beschrieben. Ich denke, dass Zugehörigkeit einfach ein großes Thema für mich ist. Man schaut immer, wie man mit den Gegebenheiten vor Ort klarkommt und wo man sich dazuzählt. Aber eben auch, wo man sich abgrenzt und der Alien ist. Wo ist man das nicht und warum ist man das? Und was ist vielleicht auch so stark daran? Also was ist die große Stärke daran? Ich glaube man kann sich Biografien von sämtlichen Musiker*innen sich durchlesen. Ich würde mich jetzt fast festlegen, dass alle irgendwann mal eine Art von Mobbing oder irgendeine Art von Ausgrenzung erfahren haben, weil sie einfach nicht in die Strukturen reingepasst haben, die ihnen vorgegeben waren. Und das führt einfach dazu, dass die Gesellschaften, die diese Strukturen haben, Dinge, die anders sind, aussortieren. Zum einen stärkt das die Gemeinschaft, die sie haben, weil es gibt jemand anderen, es gibt ein Außen – es ist der Feind, der uns eint. Und zum anderen ist auch nochmal klar definiert, was die Gesellschaft ist. Also wer drin und wer draußen ist. Ich glaube, dass viele Künstler*innen das erlebt haben und dass das einfach was ist, woraus man lernen kann. Und wenn man nicht reinpasst, dann bin ich mir sehr sicher, dass man dann offensichtlich irgendwas besser kann als die anderen.

Neele: Verständlich. Das ist also Manuel und nicht Betterov. Hast du dich eigentlich mittlerweile gefunden? So ein bisschen zumindest?

Betterov: Ja, absolut klar. Ich bin total happy. Ich habe genau das, was ich immer wollte. Das ist für mich total gut und ich mache das total gerne, was ich tue und habe auch einfach riesigen Spaß daran. Ich glaube, ich bin total da. (lacht)

Neele: Das ist richtig schön zu hören! Ich finde auch noch total spannend, wie Schreiben bei dir abläuft. Also jetzt bei der Olympia Ehrenrunde hat man ja herausgehört, dass du das zum Beispiel mit Provinz zusammengeschrieben hast und Tim Tautorat ist ja auch von Anfang an dabei gewesen. Aber du sagst eben auch, dass du viel alleine am Klavier schreibst. Wie ist da so ein typischer Prozess auf einem Weg zu einem Album wie jetzt Olympia oder eben die Ehrenrunde?

Betterov: Also ganz klassisch sitze ich in einem Studio alleine und schreibe und singe einfach vor mich hin und sammle einfach alles, was mir so einfällt, was ich beobachtet habe. Ich gehe immer mit sehr offenen Augen durch die Welt und das ist für mich auch so 24/7 Job, dass ich einfach alles, was mir irgendwie spannend vorkommt – oder ich denke das ich da irgendwie Aktien drin habe gerade – aufschreibe. Irgendwann, ab einem gewissen Punkt, schreibe ich und gehe dann auch relativ lange in mich. Das Produkt ist dann irgendwann ein Song, der schon recht weit ist. Es gibt einen Text, es gibt die Melodie, es gibt schon eine Instrumentierung, es gibt schon eine Soundwelt. Und wenn ich so ein paar davon gesammelt habe, dann gehe ich als erstes zu Tim Tautorat (sein Produzent) und wir hören das alles einmal an. Da ist mir Tims Meinung und Expertise einfach extrem wichtig, weil er ein unfassbar begabter Typ ist. Nach dem Durchhören besprechen wir das und fragen uns, in welcher Sound Welt das genau stattfinden könnte. Mit welchen Instrumenten könnte das stattfinden? Ist es musikalisch gut? Gibt es vielleicht noch Akkordverbindungen, die klüger gelöst werden könnten? Wie kriegen wir noch (mehr) Spannung rein? Braucht es eine Spannung? Das sind so mögliche Fragen. Wenn wir die alle beantwortet haben, dann setzen wir uns dran und bearbeiten das nochmal. Wenn das fertig ist, dann kommt irgendwann eine Aufnahme. Wir ins Studio und haben schon vorher verschiedene Demos, die wir schon an die Musiker und Musikerinnen schicken. Wir treffen uns also im Studio, arbeiten an den Songs und nehmen das auf. Das ist so der der klassische Prozess in kurz.

Neele: Okay, spannend! Du weißt also im Zweifelsfall noch nicht, ob du mit den Songs eine EP, ein Album oder einfache Singles produzierst?

Betterov: Das kommt ein bisschen darauf an, wie viele Songs man hat. Wenn mir jetzt irgendein Thema einfällt und ich weiß: das ist auf jeden Fall das neue Album, so muss das sein und ich schließe mich nachts ein und schreibe in 24 Stunden 16 Songs, dann würde man damit wahrscheinlich ein Album machen. Aber wenn man jetzt vielleicht jetzt nur so zwei, drei Songs hat, die thematisch aber gut passen, dann ist das wahrscheinlich noch kein Album. Das würde ich dann wahrscheinlich erstmal ein bisschen anders releasen. Wie ich release ist auch immer eine Frage von: Was möchte ich erzählen, wie groß ist der Rahmen? Aber ich glaube, wenn man heute ein Album macht, dann ist das auch schon eine Aussage an sich. In den Neunzigern hat man ein Album gemacht – das war klar, da gab es nicht viele andere Möglichkeiten. Das hat man halt gemacht. Ich glaube, wenn sich Künstler*innen heute dazu entscheiden, ein Album zu machen, dann steckt da im Zweifel schon eine Aussage drin. Nicht immer, aber das ist auf jeden Fall ein Commitment.

Neele: Das finde ich auch immer sehr spannend. Was war denn bisher so deine größte Errungenschaft? Also worauf bist du bei deinem Projekt Betterov, seitdem es so gut funktioniert, besonders stolz?

Betterov: Also eine Sache, auf die ich total stolz bin, die hat nichts mit Erfolg zu tun. Nichts mit Erfolg im Sinne von Charts oder sowas. Ich hatte einen Moment, in dem ich mich einfach wahnsinnig gefreut habe, der ist dank dieses Projektes entstanden. Als ich und meine Band angefangen haben, Musik zu machen zusammen, also ins Studio zu kommen, da kannten wir uns vorher nicht groß. Ich habe damals einen Bassisten gesucht, einen Schlagzeuger und den Gitarristen. Und dann habe ich mit meinem Produzenten so eine Band zusammengestellt. Das waren drei Leute, die ich nicht wirklich kannte. Daraus ist aber so eine große Freundschaft entstanden durch die ganzen Dinge, die wir gemeinsam erlebt haben. Die ganzen Festivals, die wir gemeinsam gespielt haben und diese Nächte, die wir uns um die Ohren geschlagen haben in Fünfbettzimmern zum Beispiel. Auf diesem Weg ist einfach so viel passiert, dass daraus eine riesige Crew geworden ist, die ein großer Freundeskreis wurde. Mittlerweile laden sich alle gegenseitig zum Geburtstag ein und daraus sind richtige Freundschaften gewachsen. In denen sich Menschen helfen. Dass dieses Projekt dafür die Plattform geschaffen hat, darauf bin ich wahrscheinlich am meisten stolz. Das finde ich am schönsten. So ganz abgesehen von Musik und und Preisen, den Charts und allem, was mit messbarem, kapitalistischem Erfolg zu tun hat. Das freut mich natürlich auch riesig, ich bin da auch stolz drauf und das ist alles total schön. Aber ich glaube, das war so in jüngster Vergangenheit ein Moment, der mich so richtig glücklich gemacht hat: als ich gesehen habe, dass sich alle zum Geburtstag einladen. Das ist alles einfach organisch gewachsen.

Neele: Das ist ehrlich gesagt eine der schönsten Antworten, die ich auf diese Frage bisher bekommen habe! Konntest du denn in diesem ganzen Trubel zwischendrin auch mal das, was gerade passiert, wirklich verarbeiten? Weil so richtig Ruhe kehrt ja dann doch irgendwie eher selten ein. Also kommst du auch in diesen Achterbahn-Zeiten dazu, für dich sorgen zu können?

Betterov: Das muss man sich schon echt vornehmen. Also ganz bewusst hinsetzen und sich bewusst machen, dass diese Dinge passiert sind. Das, was man da oder dort gespielt hat, mit dem oder der Künstlerin. Wie toll das ist. Das passiert nicht von alleine – das muss man sich vornehmen und sich selbst sagen – und dann geht es eigentlich auch ganz gut. Wenn ich jetzt in drei Wochen von dieser Tour wieder nach Hause kommena, da wird so viel passiert sein, dass man echt auch eine Zeit braucht, um das alles zu verarbeiten. Es lohnt sich, die zu nehmen. Auf jeden Fall!

Neele: “Die Olsenbande”. Da ist “Betterov” ein underrated Nebencharakter, der stumme Gehilfe. Wie bist du darauf gekommen außer dadurch, dass die Serie in der DDR sehr beliebt war?

Betterov: Wenn man im Osten aufwächst, da kennt man das. Das ist so allgegenwärtig, einfach ein riesengroßes Ding. Das kennen alle, das wissen alle. Ich habe das als Kind einfach wahnsinnig oft gesehen, weil es auch kinderfreundlich ist. Da gibt es keine crazy Gewaltdarstellungen oder so, das ist eher eine Comicserie. Da habe ich diese Figur einfach entdeckt, die war in meinem Kopf immer sehr präsent. Dann habe ich mich nach ihm benannt, weil er, wie du schon sagst, eigentlich ein Statist ist. Ich fand das total spannend und auch einen witzigen Move, dass Betterov nur zweimal durchs Bild läuft. Sich nach jemandem zu benennen, den du zweimal durchs Bild laufen siehst und nicht nach dem großen Helden der Geschichte.

Neele: Wer ist dein aktueller Lieblingsnewcomer oder deine aktuelle Lieblingscomerin?

Betterov: Dilla. Sie ist auch eigentlich keine Newcomerin mehr.

Neele: Find ich sehr cool, dass du jemanden eine FLINTA* genommen hast. Was ist dein Pre-Show-Ritual? Hast du eins?

Betterov: Das ist jetzt nicht so spannend. Wir atmen einmal zusammen und dann trinken wir was zusammen. Danach gehen wir auf die Bühne. Ist nicht so spannend, ich weiß. (lacht) Robbie Williams betet übrigens Elvis an!

Neele: Das wusste ich auch noch nicht. (lacht) Was für ein Album würdest du auf eine einsame Insel mitnehmen?

Betterov: “Slow Burn” von Kacey Musgraves.

Neele: Was wäre dein Traum-Feature?

Betterov: Tot oder lebendig, mh. Mit wem hätte ich gerne ein Feature gemacht? Vielleicht mit Nina Hagen! Das hätte ich irgendwie witzig gefunden. Und auch super spannend!

Neele: Das ist eine richtig geile Antwort. Das wars! Lieben Dank dir für deine Zeit und ganz viel Spaß auf Tour!

Betterov: Danke dir! Wir sehen uns in Münster!