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Über Selbstreflexion, Festival-Lineups und neue Musik – Interview mit Steiner & Madlaina auf dem Deichbrand Festival

Geschrieben von am 24. September 2022

Ihr wart im Sommer für ein paar Konzerte mit Von Wegen Lisbeth unterwegs. Wie war das? 

Nora: Das war sehr lustig. Die “Lisbeths” haben wir 2019 immer wieder auf Festivals gesehen und unsere Wege haben sich immer wieder gekreuzt. Wir haben uns total gefreut, dass die uns eingeladen haben und es war uns ein riesen Fest. Es war ein bisschen so, wie wenn man mit Freunden unterwegs ist. 

Madlaina: Absolut. Die sind einfach auch alle mega nett. Es ist schön, wenn man ankommt, dich alle begrüßen und sich freuen, dass man da ist.  

Eure Tour, die aufgrund der Pandemie mehrmals verschoben werden musste, fing letztlich dieses Frühjahr an. Im Herbst geht es weiter damit. Wie war bisher das Feedback zu eurem Album? 

Madlaina: Es war voll krass für uns, endlich diese Songs zu spielen und zu checken, dass Leute das in der Zwischenzeit gehört haben. Das hat man einfach bisher nicht gemerkt. Das war wichtig, dass das Album live gespielt wurde. Es hätte sich sonst falsch angefühlt. 

Zur Veröffentlichung eures Albums habt ihr statt eines Konzerts einen You Tube-Talk gemacht. Darin habt ihr betont, wie wichtig euch Songtexte sind. Deswegen will ich jetzt mal eure Songs als Aufhänger nehmen, um weiter ins Gespräch zu kommen. 

Zuerst sprechen wir über “Heile Welt”. Da kann man durchaus Kritik an eurer Heimat, der Schweiz, erkennen. Wie ernst ist die gemeint? 

Madlaina: Die ist schon ernst gemeint, aber sie richtet sich nicht nur an unsere Heimat, sondern auch an uns selbst als Menschen. 

Hat es auch damit zu tun, dass Menschen schnell nach Ereignissen und Katastrophen wie zum Beispiel dem Ukraine-Krieg wieder “abschalten” und es gar nicht mehr als so dramatisch empfinden? 

Nora: Ja, wobei es auch irgendwo ein gesunder Schutz ist. Man hat sich ja schon die ersten paar Wochen damit auseinandergesetzt und wenn man ständig darüber nachdenkt, wird man irgendwann komplett verrückt. Das meinen wir auch mit dem Song. Es geht um so einen schmalen Grat zwischen dem Gedanken “Mir geht es ja gut, ich muss mir keine Sorgen machen” und “Ich denke jeden Tag darüber nach und falle in ein tiefes Loch”. Es ist ein bisschen so wie bei unserem Song “Das schöne Leben”.  

Madlaina: Was noch wichtig ist: Das Lied ist entstanden, als es noch kein Corona und keinen Krieg in Europa gab. Es war eine andere “Heile Welt”. Es ging da um Abstimmungen, die eigentlich schon menschenfeindlich waren. 

Nora: Es war zu Zeiten der “Ausschaffungsinitiative”. 

Madlaina: Genau, in der Schweiz gibt es die Regel, dass Leute,die keinen Schweizer Pass haben und etwas Kriminelles machen, ausgeschafft [Anm. d. Redaktion: ausschaffen ist schweizerisch für abschieben] werden. Da gab es schon ziemlich kranke Fälle. Leute, die in der Schweiz geboren wurden und schon immer dort leben, wurden ausgeschafft – also völlig gaga. 

“Wenn ich ein Junge wäre” ist ganz klar ein feministischer Song. In anderen Interviews habt ihr erzählt, dass ihr darin negative Erlebnisse –  unter anderem mit Tontechnikern – aufgreift. Was war denn bisher euer schlimmstes Erlebnis, was Mansplaining angeht? 

Nora: Puh…(denkt nach)

Madlaina: Boar…(denkt nach)

Nora: Die Liste an wirklich unangenehmen Erlebnissen ist sehr lang. Mir fällt spontan eins ein: Mich hat jemand auf einer Party, bei der ich ein wenig aufgelegt habe, wirklich einfach belästigt. Der ist immer wieder gekommen und meinte “Lass mich mal ans Pult ran. Ich will jetzt auflegen, hör auf.” Das war nach dem zweiten Song und erst dachte ich, dass er danach dran ist. Als ich nachgefragt habe, meinte er, dass er dafür eigentlich nicht vorgesehen war, aber Lust darauf hätte aufzulegen. Dann hab ich gesagt: “Ist mir egal, geh bitte weg.” Da war ich schon sauer. Und einmal hatten wir einen Tontechniker, der ist immer zu nah an uns rangekommen und das stört einfach. 

Madlaina: Der Klassiker ist: “Mach mal deinen Amp leiser” und “Der Effekt passt da eigentlich gar nicht so” und du bist so: “Pff, ich mache hier die Musik, nicht du. Sorry.”

Nora: Ich glaube, es hat sich viel geändert, seitdem wir ein größeres Team haben, unsere Tontechniker*innen selber mitnehmen und auswählen, die uns dann sehr gut vor solchen Situationen schützen. Wenn was ist, können wir immer zu unserem Team gehen und das ansprechen. Die versuchen dann, das für uns zu erleichtern. Es ist aber immer wieder noch sehr krass, wie oft das trotzdem passiert. Also das “Lustigste” ist, finde ich – und das hören wir tatsächlich ziemlich oft – dass Leute, besonders Männer, sagen: “Ihr seid ja echt gut! Ihr seid ja wirklich eine gute Band.”

Madlaina: (lacht) Und dann habe ich die anderen aus der Band mal gefragt, ob das bei deren männlichen Bands auch passiert, dass die Leute aus allen Wolken fallen, weil du tatsächlich gut bist – die haben das noch nie gehört. 

Nora: Einer hat auch mal gesagt: “Ihr seid gut für Frauen.”

Nora Steiner an der Gitarre. Foto: Brigitte Lieb

Bei Festivals fällt immer noch auf, dass die Lineups ziemlich weiß-männlich dominiert sind. Was löst das bei euch aus? 

Madlaina: Ich reagiere mittlerweile ein bisschen zynisch darauf, weil man eigentlich gar nicht so viel erwartet und es kommt am Ende noch viel weniger (lacht). Im Gegenteil löst es aber eine riesen Freude aus, wenn man merkt, wo schon etwas passiert ist. Wir haben es dieses Jahr beim St. Gallen-Open Air im Backstage gemerkt, dass überall Frauen sind. Es fühlt sich so schön an. Es ist eine schöne Überraschung, wenn sich jemand Mühe gegeben hat – und wenn nicht, denke ich mir: “Ja klar.”

Nora: In der Schweiz gibt es ja das Moon & Stars-Festival und da gab es nicht einmal eine Frau. Das ist so peinlich. Die Ausrede war, dass es wegen Corona nicht anders ging. Da dachte ich mir: “Sag lieber nichts.” Sag einfach lieber: “Ich habe keine Lust Frauen zu buchen.”

Madlaina: Oder man gibt zu, dass es bei der Planung nicht aufgefallen ist und verspricht, es nächstes Jahr besser zu machen. 

Was wären aus eurer Sicht Maßnahmen, damit es besser wird? 

Nora: Was wirklich helfen würde, wäre, wenn die männlichen Bands, die für solche Festivals gebucht werden, sagen würden, dass sie nicht unter diesen Umständen spielen. 

Madlaina: Das Problem ist aber halt, und das haben auch viele beim Moon & Stars-Festival gesagt, dass viele das Lineup nicht kennen, wenn sie zusagen. Die wissen das ja nicht. Aber wenn man es herausfindet, könnte man auf jeden Fall etwas sagen. 

Nora: Genau, dann müsste man eigentlich reagieren. Man kann sagen, dass das viel verlangt ist, aber eigentlich ist das auch nicht so. Eigentlich ist es jetzt an der Zeit, dass männliche Bands – und viele sind ja auch feministisch – das nicht weiter unterstützen. 

Ich komme zu einem weiteren Song von euch: “Wünsch mir Glück”. Das ist ein sehr emotionaler Song. Du, Madlaina, hast zum Album Release gesagt, dass du bestimmte Songs, die dir noch zu nahe gehen, nicht live spielen kannst. Ist das einer von denen? 

Madlaina: Den haben wir eine Weile nicht gespielt, ja. Aber mittlerweile ist das gar kein Problem. 

Was steckt denn hinter dem Song?

Madlaina: Es ist eine sehr, sehr traurige Liebesgeschichte. Ich war total unglücklich verliebt. Man schreibt darüber einfach, um es mal loszuwerden und das verarbeiten zu können, aber du bist vielleicht trotzdem noch nicht ganz da. Das dann Leuten vorzutragen, finde ich hart. Das kann ich erst nach einer gewissen Zeit. 

Madlaina Pollina beim Auftritt auf dem Deichbrand-Festival. Foto: Brigitte Lieb

Das ist ja auch euer Albumtitel. Wie kam das zustande? 

Madlaina: Erst gab es den Titel, also den Song. Und völlig unabhängig davon hatten wir dieses Foto, was auf dem Cover gelandet ist – das mit der Frau und der Zahnlücke. Dein Papa, Nora, hat, glaube ich, gesagt: “Wünsch mir Glück wäre ein schöner Albumtitel.” Und wir fanden zuerst, dass das nicht ganz so gut passt. Als wir dann aber das Foto und den Titel zusammengebracht haben, war die Kombo mega witzig. Das ist so ein Widerspruch und trotz allem melancholisch. 

Nora: Wünsch mir Glück ist dann nicht so assoziiert mit dem Song, sondern ergibt eine andere Bedeutung in Zusammenhang mit dem Foto. Das hat eine gewisse Ironie und einen Sarkasmus, den wir sehr mögen. Das steckt auch in vielen unserer Songs. 

Ein kleiner Ausblick noch zum Schluss: Können wir im Herbst und Winter etwas Neues erwarten? Ihr wart vergangenen Winter ja auch im Studio. 

Nora: Im Herbst wird wahrscheinlich neue Musik kommen. 

Madlaina: Die erste Single. 

Könnt ihr dazu noch mehr verraten? 

Madlaina: Wir waren mit unserer Band in einem Studio in Frankreich. Da war auch noch ein Freund, der das produziert hat. Es war echt wie ein Familienurlaub und ich finde, dass man das hört. Wir waren so glücklich nach diesen beschissenen zwei Jahren. 

Nora: Es war richtig hammer und das war das erste Album, bei dem wir alles komplett mit der Band ausarrangiert haben. Das Konstrukt haben wir geschrieben, aber die ganze Musik haben wir alle zusammen gemacht. 

Euer gemeinsames “Baby” also. Vielen Dank für das Interview. 

Beide: Gerne. 

Das Züricher Indie-Pop-Folk-Duo Steiner & Madlaina. Foto: Brigitte Lieb

Banner-Foto (v.l.n.r.): Nora und Madlaina von der Band Steiner & Madlaina. Copyright: Brigitte Lieb