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“Also Studenten sollten jetzt hier nicht zelten müssen”: Dr. Stefan Nacke im Interview

Geschrieben von am 20. September 2021

Wir haben mit Dr. Stefan Nacke gesprochen. Seit 2017 sitzt er im Landtag NRW und nun soll es als Direktkandidat der CDU in den Bundestag gehen.

Radio Q-Reporterin Johanne Burkhardt hat weitere Infos zum Wahlprogramm der CDU und hat die Aussagen von Dr. Stefan Nacke unter die Lupe genommen:

Warum Studierende nicht vor der Uni zelten sollten, wieso es keine Wahlwerbung an der Uni und der FH gibt und was die CDU für Studierende tut, die auf psychologische Hilfe angewiesen sind: Darüber hat Dr. Stefan Nacke, Münsteraner Direktkandidat der CDU mit uns gesprochen.


Herr Nacke, sie sind schon mit 22 als Student der Uni Münster in die CDU eingetreten, sind also knapp Ihr halbes Leben lang in
der politischen Blase unterwegs. Welche Themen waren Ihnen damals als junger Mensch wichtig?


Ich bin zuerst in die CDA eingetreten, das ist der Arbeitnehmerflügel der CDU. Und als ich dann eine Funktion als stellvertretender Kreisvorsitzender übernehmen wollte, bin ich dann auch in die CDU eingetreten, weil das so üblich ist. Und da ist auch dann klar, warum ich in die CDU gegangen bin. Mich interessiert die Sozialpolitik, die gesellschaftliche Gerechtigkeit. Ich komme aus dem katholischen Verbands Wesen und die christlich soziale Idee. Das ist meine Motivation für die Politik.


Und das war auch damals schon Ihre Motivation oder haben Sie gemerkt, dass sich an Ihren Kernthemen etwas verändert hat, im Laufe der Jahre?


Es hat sich natürlich immer vieles verändert. Es kommen immer neue Herausforderungen und Gelegenheiten. Aber ich bin eigentlich zur Politik gekommen über den Diskurs mit meinem Vater, der auch immer schon in der CDA war und in der katholischen Arbeitnehmer Bewegung KAB. Ich kenne das eigentlich gar nicht anders, als dass wir über Politik diskutiert haben, aus diesen Perspektiven. Später ist noch im Landtag die Wissenschaftspolitik und die Kulturpolitik dazugekommen. Aber ich mache das alles aus dieser Perspektive aus.


Wir haben gerade schon gehört, Sie sind im Landtag NRW. Wenn Sie auf Ihre Karriere zurückschauen, was macht Sie stolz aus diesen Jahren?


Stolz ist für mich ein ganz komischer Begriff. Ich bin eigentlich nur stolz, dass ich einen Sohn habe. Ansonsten muss ich sagen, bin ich rückblickend sehr dankbar, dass ich so viele verschiedene Perspektiven wahrnehmen konnte. Und rückwirkend habe ich auch den Eindruck, dass sich das alles so nahtlos aneinander gereiht hat. Wenn man als junger Mensch davor steht und die nächsten Schritte macht, denkt man immer “Oh, was kommt jetzt alles und geht das auch gut.” Im Nachgang kann man ganz beruhigt sein. Es geht meistens gut. Das ist auch eine Botschaft, die ich heute gut sagen kann. Ich bin nicht stolz darauf. Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich hier in Münster studieren konnte und dass ich danach ein Promotions-Stipendium hatte. Das ist die interessanteste Phase meines Lebens gewesen, wo man vielen Ideen nachgehen konnte, mit großer Freiheit, aber natürlich auch mit dem Druck, fertig zu werden und abzuschließen. Aber das war schon ein großes Privileg.


Wenn wir auf Ihre Karriere im Landtag blicken, was hätten Sie rückblickend vielleicht anders gemacht aus heutiger Sicht?


Anders? Ich weiß gar nicht, ob ich irgendetwas anders gemacht hätte. Ich konnte in die Ausschüsse kommen, die mich wirklich interessieren. Das ist für die Stadt Münster wichtig, der Wirtschaftsausschuss. Da durfte ich, als der Sprecher Stefan Berger Europaabgeordneter geworden ist und den Landtag verlassen hat, ihm nachfolgen als Sprecher. Das war eine sehr schöne Gelegenheit und ich bin sehr dankbar, dass man mir das zugetraut hat, dass ich das machen darf, weil die Wissenschaftspolitik ist spannend. Das ist der zweitgrößte Haushalt des Landeshaushaltes sozusagen. Und es sind gute Gespräche mit den Uni-Rektoren und mit den Studierenden. Ich finde, diese “Phase Studium” ist so besonders wichtig, dass ich das immer gerne gemacht habe. Stolz ist ein falsches Wort, aber was mir gelungen ist, ist, dass ich diese Enquetekommission zur Demokratie und Föderalismus Fragen durchsetzen konnte. Ich habe das angeregt in der Fraktion. Jede Fraktion darf während einer Legislaturperiode eine Enquetekommission vorschlagen und da konnte ich überzeugen. Da durfte ich auch den Vorsitz übernehmen. Wir haben das auch in zweieinhalb Jahren zu Ende gebracht mit einem Abschlussbericht. Das ist schon ein großes Stück Arbeit. Richtig politische Kärrnerarbeit.

Ich gucke aus einem religiösen Menschenbild: Das christliche Menschenbild, was den Menschen viel zutraut und zumutet an Verantwortung, aber auch zuspricht an Solidarität.

Dr. Stefan Nacke


Über diese Kommission, werden wir hier auch noch mal später sprechen. Jetzt aber noch mal zur CDU und ihrem Hintergrund. Die CDU steht für ein christliches Menschenbild. Sie selbst haben auch unter anderem katholische Theologie studiert und etwa sieben Jahre lang für das Bistum Essen gearbeitet. Dieses Verhältnis ruht jetzt. Wie prägt dieser Hintergrund Ihre heutige Arbeit als Politiker?


Ich glaube, das prägt sehr. Ich bin auch ehrenamtlich noch aktiv als Landesvorsitzender des Kolpingwerkes in Nordrhein-Westfalen und bin Mitglied bei der KAB und ich würde sagen, das ist meine Identität. Ich gucke aus einem religiösen Menschenbild: Das christliche Menschenbild, was den Menschen viel zutraut und zumutet an Verantwortung, aber auch zuspricht an Solidarität. Das ist der Maßstab, mit dem ich alle politischen Entscheidungen treffe. Ich habe im Studium hier in Münster katholische Theologie studiert, mit einem großen Schwerpunkt in Sozialethik. Ich war lange Hilfskraft am Institut für christliche Sozialwissenschaften. Das hat mich im Grunde geprägt. Wissenschaftlich geprägt hat mich die Auseinandersetzung mit der Systemtheorie von Niklas Luhmann. Funktionale Differenzierung, das sind die Analyse-Instrumentarien, die ich auch heute immer nutze, um alle politischen Probleme und Herausforderungen für mich so zu strukturieren und zu gucken, wo die Wertentscheidungen anzusetzen sind.


Das heißt, Sie schreiben sich das immer so richtig auf, bevor Sie eine Entscheidung treffen, oder wie können wir uns das vorstellen?


Das passiert im Kopf. Das schreibe ich mir nicht auf. Aber man denkt über die Wirkmechanismen nach und über die dahinter stehenden Logiken. Wir können Rahmenbedingungen gestalten. In den Rahmenbedingungen kann man dann die Wertorientierung unterbringen.


Sie haben auf Instagram vermehrt Frühstück an Pendler*innen am Hauptbahnhof hier in Münster verteilt. Würden Sie sagen, dass das Ihre Zielgruppe ist? Jetzt für den Wahlkampf?


Nein, die Zielgruppe sind alle Menschen in Münster. Im Wahlkampf versucht man mit den Menschen in Kontakt zu kommen. Eine Idee ist ganz häufig, wie in vielen anderen Wahlkämpfen auch, dass man die Berufspendler, die morgens von Münster wegfahren, ansprechen kann. Das sind auch die Leute, die hier in Münster wählen. Denen gibt man somit einen Gruß mit auf die Reise. Ansonsten sind wir sehr viel mit Haustürwahlkampf unterwegs und natürlich an den Ständen. Es gibt außerdem eine Zeitung. Wir versuchen den Kontakt mit möglichst vielen Menschen zu bekommen.


Gibt es etwas Ähnliches an der Universität oder der FH jetzt hier in Münster?


Nein, das gibt es im Moment nicht, weil zur Zeit auch Semesterferien sind. Und Man muss sehen, dass man während Wahlkampfzeiten in diesen Institutionen des Landes, die ja dann staatliche Institution sind, keinen Wahlkampf machen kann.


Sie beschreiben sich selbst auf Ihrer Website als Kompromissfinder. Was ist Ihrer Meinung nach das Thema der Zukunft, wo besonders auf Kompromisse geachtet werden muss?


Für mich ist das Thema Generationengerechtigkeit das zentrale Thema der gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung. Das hat für mich zwei Perspektiven: Einmal die ganze Debatte, die wir unter dem Stichwort “Fridays for Future” wahrgenommen haben, dass wir die Klimapolitik noch mal neu bewerten müssen, dass wir viel intensiver in den Bereich der erneuerbaren Energien gehen müssen. Da geht es dann um Generationengerechtigkeit. Generationengerechtigkeit ist auch eine Frage der sozialen Sicherung. Da ist das Thema Rentenversicherung ein ganz wichtiges, was in der kommenden Legislaturperiode sicher gelöst werden muss. Wir können es uns nicht leisten, das noch weiter aufzuschieben, dass wir eine große Rentenreform machen. Und in diesen großen gesellschaftlichen Themen ist es immer wichtig, dass man versucht, einen Kompromiss zu organisieren. Ich habe ein bisschen Sorge, dass in der politischen Kultur der Begriff “Kompromiss” ein bisschen verhunzt. Denn der Kompromiss beschreibt einen Toleranzbereich. Mit dem Kompromiss ist man nicht zu 100 Prozent einverstanden, man toleriert etwas wegen eines größeren Zieles und das ist die Kernaufgabe von Politik auszuhandeln. Ein Kompromiss, wo alle Interessenslagen mit berücksichtigt sind, sich keiner 100 Prozent durchgesetzt hat, aber das abgewogen wird, damit man große Ziele erreicht. Das große Ziel wäre dann Generationengerechtigkeit.


Was hilft Ihnen aus Ihrem Charakter als Kompromissfinder? Welche Eigenschaft macht Sie dafür gut?


Ich glaube, dass eine zentrale Eigenschaft bei mir ist eine gewisse Ruhe und Gelassenheit. Ich kann glaube ich, ziemlich gut zuhören und ich gehe nicht wie ein HB-Männchen unter die Decke, wenn es zu Friktionen kommt. Ich bin auch sehr hartnäckig, ich bleibe ganz lange an den Themen dran, bis sie eine Reife bekommen. Das kann auch über Jahrzehnte gehen.


Wir haben jetzt etwas über Sie als Person erfahren und das werden wir im Verlauf dieses Interviews auch noch weiter. Aber ich möchte jetzt gerne thematisch ein wenig tiefer einsteigen, auch mit dem Hinblick auf das Wahlprogramm. Deswegen würde ich Sie bitten, an geeigneter Stelle dürfen Sie auch sehr gerne konkrete Beispiele nennen, dass wir uns das gut vorstellen können. Während der Corona Pandemie haben sehr viele Studierende unter den Einschränkungen sehr stark gelitten. Psychische Folgen, die sie teilweise heute noch sehr stark einschränken und beschäftigen. In der Landtagsrede vom 28. April haben Sie gesagt, dass man die psychosoziale Gesundheit von jungen Menschen stärker in den Blick nehmen muss. Was möchten Sie konkret unternehmen, um die psychotherapeutische Versorgungslage von jungen Menschen und Menschen allgemein zu verbessern?


Das ist ja nicht nur ein Thema hier an der Uni und an der FH. Das geht auch in den gesamten Jugendbereich. Die junge Bevölkerung hat am meisten zurückstehen müssen in der Corona-Situation, weil es darum ging, die älteren Menschen, die höheren Gesundheits- und Lebensrisiken hatten, zu schützen. Deswegen mussten Kontakte unterbrochen werden, deswegen mussten Schulen, Kitas zugemacht werden. Gerade die Hochschulen, weil es in den Stundenablauf so viele unterschiedliche Seminare gibt, wo man von einer Vorlesung zur nächsten geht und so viele Kontakte multipliziert werden, da ist der Hochschulbereich besonders schwierig. Ich glaube, dass es ein großes Thema der Vereinsamung gibt und da muss es über die Studierendenwerke die Kapazitäten erweitert werden. Ich weiß auch, dass die Studentengemeinde in Münster solche Angebote macht. Das, glaube ich, ist durchaus ein wichtiger Punkt. Da müssen Haushaltsmittel möglich gemacht werden. Zugleich weiß ich aber auch, dass die professionellen Menschen auch nicht auf den Bäumen wachsen. Das ist ein rares Gut. Wir sind im demografischen Wandel. Wir haben Nachwuchsprobleme überall und gerade in den psychosozialen Bereich auch. Also schauen wir mal, was da geht. Ich glaube aber, das ist ein sehr wichtiges Thema.


Also würden Sie auch sagen, dass von der Bundesebene aus eine Aufstockung geben muss, beispielsweise an Kassensitzen, damit die Wartezeiten verkürzt werden können?


Ja, das ist ein Zusammenspiel von vielen verschiedenen Facetten. Wenn es die Menschen nicht gibt, dann kann man so viel machen, wie man möchte. Dann wird es trotzdem nicht umgesetzt werden. Aber die psychosoziale Versorgung ist eine wichtige.


Wir haben vorher auch schon ein bisschen über Ihren Hintergrund als Wissenschaftler gesprochen. In der Corona-Pandemie hat die Wissenschaft als Institution ein neues Standing bekommen. Aber es hat sich auch gezeigt, dass es selten einfache Antworten auf sehr komplexe Fragen gibt. Welche Rolle sollte die Wissenschaft Ihrer Meinung nach in und für politische Entscheidungen bekommen?


Das ist eine ganz spannende Situation, die wir gerade haben. Ich glaube auch, wie Sie gesagt haben, dass die Wissenschaft ganz oft in den Medien vorkam. Dabei gibt es die Wissenschaft nicht, sondern immer die Wissenschaften, immer den Plural. Es gibt nicht nur Virologen, die beurteilen können, wie man mit einer Pandemie umgeht, sondern das ist eine interdisziplinäre Thematik. Nordrhein-Westfalen hatte den Expertenrat. Armin Laschet hat das initiiert, viel eher als die Bundesebene. Um deutlich zu machen: Es sind sehr unterschiedliche Perspektiven, die man braucht, um eine Lage wie in dieser Pandemie adäquat beurteilen zu können. Es gibt nicht monokausale Strukturen, sondern Folgen und Nebenfolgen zu bedenken. Gerade die psychologische Situation von Kindern, die lange nicht in Schulen gehen können, die die Situation, dass Menschen in Familien in kleinen Wohnungen sind, was macht das mit denen? Und da ist es total wichtig, dass man als Politik eine Struktur hat, wo man Fragen stellen kann und dann Expertise einholen kann. Wichtig ist auch noch zu unterscheiden: Was sind die Aufgaben von Wissenschaften und von Politik? Und die Aufgabe der Politik ist dann, mit den ganzen Informationen umzugehen und abzuwägen. Und das ist diese Kompromissfindung, von der wir schon gesprochen haben. Das heißt also natürlich in einer immer komplexer werdenden Gesellschaft: Globalisierung, Digitalisierung und so weiter werden die Fragestellungen auch immer komplexer. Am Ende muss Politik kollektiv verbindliche Entscheidungen, wie Niklas Luhmann sagt, herstellen. Und das ist ein eigener Abwägens-Vorgang.


Ein Thema, bei dem die Wissenschaft sehr gefordert wird und sich auch selbst einbringt, ist der Klimawandel. Die Klimaziele, die die CDU im Wahlprogramm formuliert, sind eigentlich genau die, zu denen sich Deutschland ohnehin schon verpflichtet hat. Berechnungen der Climate Analytics zufolge reichen Maßnahmen zum Beispiel im Kohleausstieg nicht aus, um die Erhitzung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Würde die CDU, wenn sie Teil der nächsten Regierung wird, dann noch mal nachbessern?


Ich glaube, dass alle begriffen haben, dass wir in dem Feld der Klimapolitik und der Energiepolitik schneller werden müssen. Insofern glaube ich, dass man immer nachbessern kann. Das ist die eine Dimension. Die andere Dimension ist die, dass wir mit dem Kohlekompromiss ein Ausstiegsszenario haben, was Armin Laschet auch stark ausverhandelt hat, wo dann die verschiedenen gesellschaftlichen Interessenlagen und Notwendigkeiten miteinander abgewogen in eine Zeitschiene definiert worden sind. Natürlich gibt es auch die Möglichkeit, noch mal zu gucken, ob man das etwas schneller machen kann. Aber immerhin haben wir in Nordrhein-Westfalen den Ausstieg aus der Braunkohle fixiert. Der Hambacher Forst bleibt bestehen. Die meisten Kraftwerke werden am schnellsten in Nordrhein-Westfalen abgeschaltet, weil wir schon Ahnung haben von Strukturwandel und wir das wahrscheinlich schneller bewältigen können als in den ostdeutschen Gebieten. Natürlich wäre schneller gut, aber wir müssen auch sehen, dass wir die Energiesicherheit haben. Wir brauchen immer mehr Strom. Das Netz braucht Strom und die Produktion braucht Energie. Deswegen muss man auch da eine Gesamtschau wahrnehmen. Klimapolitik ist total wichtig. Aber wichtig ist auch, dass wir ein klimaneutrales Industrieland werden. Wir müssen weiterhin auch die Wertstoffketten hier im Land behalten. Es nützt uns nichts, wenn die Stahlproduktion abwandert.


Wenn wir noch mal beim Thema Kohle bleiben. In Ihrem Wahlprogramm der CDU wird keine genaue Deadline für den Kohleausstieg genannt. Wenn man sich die Parteispitzen, also Söder und Laschet, anschaut, herrscht da ein wenig Uneinigkeit. Mal ist von 2038 und mal von 2030 die Rede. Wann sollte Ihrer Meinung nach aus der Kohle ausgestiegen werden?


So schnell es geht. Ich leg mich nicht auf irgendeine Zahl fest. Wenn aus Süddeutschland, wo es kaum Kohlekraftwerke gibt, Vorschläge gemacht werden, dann kann man das ja auch einschätzen, wie fundiert sie sind.


Für welche Maßnahmen zum Klimaschutz möchten Sie sich denn noch stark machen, wenn Sie jetzt als Direktkandidat in den Bundestag gewählt würden?


Da bin ich als Privatperson gerade sehr engagiert in dem Feld Photovoltaik. Ich glaube, dass wir in Münster in einer Stadt leben, wo wir die Energiewende nicht über Windkraft weiter forcieren können. Das gibt zu viele Probleme mit Anwohnern. Das können wir hier nicht ausbauen. Es ist auch wichtig, dass wir die Energiepolitik so diskutieren, dass wir auch selbst immer Verantwortung übernehmen. Die Verantwortung in einer Stadt ist, glaube ich, möglich über Photovoltaik und da habe ich eine Initiative “Sundays for Energy” gegründet. Wir sind seit gut anderthalb Jahren unterwegs mit ganz vielen Institutionen, auch im Gespräch mit der Uni und der Fachhochschule und dem Studierendenwerk, aber auch mit dem Bistum Münster, mit Ingenieurbüros, Finanzexperten, mit dem Landesverband erneuerbare Energien und dem Genossenschaftsverband. Das Ziel ist, dass wir eine Genossenschaft gründen, die auf öffentliche Einrichtungen, auf deren Dächern Photovoltaikanlagen installiert und finanziert durch Genossenschaftsanteile, um dann den produzierten Strom direkt zu vermarkten als Ökostrom in der Nachbarschaft. Ganz aktuell ist es so, dass ich auch heute Morgen noch in diesen Sachen telefoniert habe. Wir stehen ganz kurz davor, dass wir die Gründung machen können. Wir haben eine Form gefunden, wie der Businessplan auch genehmigt werden kann, nämlich durch den Genossenschaftsverband, dass ist aber gar nicht so einfach. Und daraus ergeben sich für mich politische Perspektiven. Ich würde mich dafür einsetzen, dass wir viel stärker in diese Form der dezentralen Energiegewinnung gehen, dass wir noch mal differenzieren, was die Netze machen und wie die Steuerung der Netze verläuft. Das ist eher eine allgemeine Aufgabe, aber wir wollen solchen Initiativen, wie ich sie jetzt mit “Sundays for Energy” habe, stärken und sinnvoller und einfacher gestalten.


Kommen wir weiter zu einem anderen Thema, nämlich Kunst und Kultur. Das ist auch Teil Ihres Ausschusses gewesen im Landtag. Und das ist nicht nur für die Freizeit von sehr vielen Menschen wichtig, sondern gerade auch für Studierende ein wichtiger Arbeitgeber. Da haben aber auch sehr viele in der Corona-Krise gelitten. Im Wahlkampf haben Kunst und Kultur aber bisher jetzt keine so große Rolle gespielt. Planen Sie Maßnahmen zur Stärkung der Kunst, Kultur und Wirtschaft?


Ja, während der Pandemie gab es in Nordrhein-Westfalen etwas Besonderes, wo auch aus der ganzen Bundesrepublik drauf geschaut wurde. Es gab ein Stipendienprogramm für Kulturschaffende, die jetzt im Grunde ausgeknockt waren. Sie hatten kein Forum mehr, konnten nicht mehr arbeiten, wo sie eigene Konzepte entwickeln konnten. Im Rahmen dieses Stipendiums konnten sie wirklich weiter Kulturschaffende sein und nicht arbeitslos, sondern tätig sein und so eine Finanzierung bekommen. Da haben wir sehr viele Mittel gegeben und das ist auch super gut angekommen. Wir lernen jetzt aus der Pandemie heraus, dass wir in unserem Sozialstaat eine Regelungslücke haben, dass wir das Thema Arbeitslosigkeit für Kulturschaffende nicht im Sozialsystem berücksichtigt haben. Da werde ich mich stark für engagieren. Ich möchte auch gerne in den Arbeits- und Sozialausschuss des Bundestags gehen und ich weiß von Frau Pfeiffer, der Kulturstaatsministerin in Nordrhein-Westfalen, dass sie da auch ein großes Thema für sich entdeckt hat. Und da können wir uns dann über NRW und Berlin die Bälle zuspielen. Jedenfalls müssen wir etwas machen, damit wir nicht noch mal wieder in diese Strukturen kommen müssen.


Gibt es da schon konkrete Ideen, wie man das machen könnte, diese soziale Sicherung von Kulturschaffenden zu gewährleisten?


Ja, es gibt die Künstlersozialkasse, die gibt es ja schon seit langer Zeit. Wir werden Wege finden müssen, dass wir die Künstlersozialkasse mit der Arbeitslosenversicherung in irgendeiner Weise verbinden. Das ist allerdings alles gar nicht ganz so einfach, weil die Sozialversicherung immer davon leben, dass auch eingezahlt wird. Das ist ein klassischer Versicherungsgedanke mit dem Äquivalenzprinzip. Denn jetzt müssen wir Wege finden, wie man das regeln kann. Aber wie alles in der Politik ist es wichtig, gute Ziele, den Willen und die Gelegenheit zu haben, diese Ziele auszuhandeln. Dann müssen wir schauen, wie wir da rauskommen.


Ein gutes Ziel, von dem viele Studierende direkt profitieren würden, wäre eine Mindestlohnerhöhung. Viele Parteien wollen das umsetzen auf mindestens 12 Euro. SPD, Linke und Grüne sind dafür, warum die CDU nicht?


Weil wir einen hohen Wert in der Tarifautonomie sehen und in dem Zusammenspiel von Gewerkschaften auf der einen Seite und Arbeitgeberverbänden auf der anderen Seite. Es gibt eine Mindestlohn-Kommission und die ist zusammengesetzt aus Arbeitnehmervertretern, Arbeitgebervertretern und Wissenschaftlern. Diese machen dann Vorschläge, welche momentan von der Bundesregierung aufgegriffen und dann umgesetzt werden. Wenn in diesem Aushandeln zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern und der Perspektive der Wissenschaft dann ein Pfad entwickelt wird, ist es glaube ich ganz gut, dass dann die Politik darauf zugeht und das unterstützt. Ich bin sehr gegen die politische Festlegung von Löhnen, weil es dann doch sehr willkürlich ist. Und wir sind gerade in der Bundesrepublik in einer besonderen Tradition der sozialen Marktwirtschaft, nämlich des Ausgleichs von Kapital- und Arbeitsinteressen. Da haben wir glaube ich sehr gute Erfahrungen im Bereich Mitbestimmung und so weiter gemacht, dass wir das nicht politisch in den Parlamenten entscheiden, sondern dezentral subsidiär an vielen Stellen. Dass der Mindestlohn vielleicht höher sein könnte, kann ich mir auch vorstellen. Ein Punkt muss ich aber noch machen. Ich werbe intensiv dafür, dass wir viel stärker die Tarifverträge haben. Der Mindestlohn ist ja sozusagen eine Krücke, die dann eingreifen muss, wenn es keine guten Tarifverträge gibt. Deswegen ist eigentlich die Zielrichtung, die wir haben müssen, dass wir dort, wo die Tarifverträge noch nicht gelten, mehr Allgemeinverbindlichkeitserklärung haben müssen und dafür werben, dass Arbeitnehmer sich in Gewerkschaften organisieren, um ihre eigenen Interessen zu vertreten.


Nun ist es ja so, dass viele Studierende in Minijobs keine Tarifverträge haben. Das haben sie jetzt vielleicht doch gerade schon gemeint, wäre dann auch das Ziel, dass Tarifverträge auf Minijob Basis umgesetzt werden können.


Ja, das wäre der Weg. Also in der Gastronomie entsprechende Tarifverträge zu haben, wo feststeht, welche Stundenlöhne zu zahlen sind.


Wir bleiben mal beim Thema Geld. Das Wahlprogramm der CDU sieht eine Flexibilisierung des BAföG vor. Was genau soll denn verändert werden?


Es geht auch darum, wie lange man BAföG bekommen soll. Ich kann sagen, dass das Bafög als es eingeführt wurde, eine große soziale Errungenschaft war. Ich bin ein “Nach”-Profiteur dieser sozialpolitischen und bildungspolitischen Leistung. Meine Eltern sind über den zweiten Bildungsweg zum Studium gekommen, haben Sonderprüfung gemacht und konnten dann hier studieren. Und zwar deswegen, weil sie aus ihren Arbeitsverträgen rausgegangen sind und eine Finanzierung hatten. Das ist schon ein besonders wichtiger Weg.


Aber es ist jetzt bei Ihnen in der CDU noch nicht vorgesehen, dass die Einkommensgrenze der Eltern erhöht werden soll.


Ich glaube, wir stehen da noch in Diskussionen untereinander.


Wohnen, nicht nur in Münster, sondern bundesweit, wird immer teurer. Im Kandidat*innen-Check des WDR haben Sie gesagt, dass Familien es sich leisten können müssen, Eigenheime zu bauen? Das ist jetzt für Studierende noch nicht so der Fall. Was möchten Sie denn für bezahlbaren Wohnraum für Studierende unternehmen?


Ich weiß davon, dass es intensive Diskussionen zwischen den Studierendenwerken und der Landesregierung gibt. Wohnheimplätze zu schaffen, dass ist sehr wichtig. Die andere Dimension ist die, dass wir den Wohnungsmarkt so gestalten, dass tatsächlich auch Wohnungen gebaut werden können. Da kommen wir natürlich auch wieder in Dilemma Situationen, wenn wir die energetischen Standards zu hoch setzen, dann gibt es teure Mieten und auch die Refinanzierung für die Investoren wird schwierig. Wenn wir nicht genügend Bauland ausweisen, dann kann man auch keine Häuser bauen, aber dann haben wir das Thema Flächenverbrauch. Also wir kommen in sehr schwierige Dilemma Situationen. Es ist schon wichtig ist, dass man wohnen können kann. Also Studenten sollten jetzt hier nicht Zelten müssen.


Haben Sie denn als Kompromissfinder jetzt spontan eine Idee, wie man dieses Dilemma lösen könnte?


Ja, ich glaube schon, dass wir ein wenig aufpassen müssen, dass wir die Baustandards nicht in unermessliche Höhen treiben. Natürlich ist das Ziel der Energiepolitik, worüber wir ja gerade schon diskutiert haben, wichtig. Aber es muss jetzt gebaut werden. Das ist das Wichtigste. Und wir schaffen das nicht mit solchen Projekten, wie wir das in Berlin kennen mit Mietendeckel, wo es dann keine Anreize gibt, für Investoren zu bauen.


Kommen wir zu einem anderen Thema. Im Wahlprogramm steht, dass Sie keine Drogen legalisieren möchten, also zum Beispiel auch kein Cannabis. Der Favorit-Koalitionspartner der CDU sieht das anders. Die FDP nämlich, aber auch SPD und Grünen sehen das anders. Wie würden Sie sich in Sondierungsgesprächen positionieren, wenn wir uns die Zukunft ausmalen?


Ich bin da sehr skeptisch, weil ich auch einen guten Kontakt zu Gesundheitspolitikern habe, die mir immer wieder versichern, dass auch der Cannabiskonsum nicht so neutral und ohne Folgen ist, sondern dass es da als Einstiegsdroge schon sehr schwierig ist. Also ich bin da sehr skeptisch und würde diese Skepsis auch in solchen Diskussionen deutlich machen.

Jetzt kommen wir zu einem letzten Block und da würde ich Sie bitten, meine Halbsätze zu vervollständigen. Ganz kurz und knackig, was Ihnen einfällt. Der erste Halbsatz lautet: Die Verantwortung für den Klimaschutz liegt vor allem bei…


…uns allen zusammen.


Ein früher Kohleausstieg ist für mich…


…wünschenswert.


Gesetzliche Quoten halte ich für…


…sinnvoll, damit es eine Geschlechtergerechtigkeit gibt.


Kirche und Staat sollten…


…weiter gut zusammenarbeiten, aber getrennt bleiben.


Koalieren würde ich am liebsten mit…


…der FDP und den Grünen, damit wir tatsächlich die gesellschaftlichen Themen auf den Tisch kriegen und jetzt die Konflikte zwischen ökologischer Dimension und wirtschaftlicher Dimension lösen.


Studierende sollten mich bei der Bundestagswahl als Direktkandidat wählen, weil…


…sie davon überzeugt sind, dass ich ihre Interessen gut vertreten kann


Das sagt Herr Dr. Stefan Nacke, der als Direktkandidat für die CDU antritt. Herr Nacke, herzlichen Dank, dass Sie sich unseren Fragen gestellt haben.


Vielen Dank und einen schönen Tag.