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Großbritanniens Musikszene: Eine Erfolgsgeschichte

Geschrieben von am 10. Juli 2020

Great Britain Rules! Zumindest, wenn es um die Musik geht. Die britische Künstlerszene brachte in den vergangenen Jahrzehnten so manche Ikonen heraus, die sich durch ihre Innovation und multikulturelle Einflussnahme von dem Rest absetzten. Radio Q-Reporter Markus Grafenschäfer blickt für euch auf über 70 Jahre britische Musikgeschichte zurück und sucht nach den Anfängen unzähliger Musikstile. Nicht zuletzt steht auch die aktuelle britische Musikergeneration unter dem Einfluss der Vergangenheit. In dem Radio Q-Beitrag stellt euch Markus daher noch drei heiße Namen der aktuellen Szene vor. Also: Lauscher auf!

Die Geschichte der britischen Musikszene

Großbritannien und Musik? Das passt! Seit Jahrzehnten wird die britische Szene weltweit für ihre vielseitige und erfolgreiche Musikkultur geschätzt. Mittlerweile erobert eine ganze Masse junger Musiker*innen den globalen Markt, wie etwa Ella Eyre, MNEK oder Jorja Smith, die schon im Beitrag behandelt wurden. Um diese Entwicklung zu würdigen, wirft RadioQ für euch einen Blick in Richtung Vergangenheit: Woher stammt der britische Erfolg – und was zeichnet ihn aus?

Knapp 70 Jahre müssen wir in der Zeit zurückreisen, um zu den Anfängen der modernen britischen Musikszene zu gelangen. Es sind die bitteren Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg, welche die Geschichte Britanniens von nun an prägen sollen. Das Königreich – als Teil der Alliierten zwar auf der Seite der Gewinner – hat durch den fast sechsjährigen Krieg gegen das Nazi-Regime hohe Verlust erlitten. Dem einst mächtigen Commonwealth gehen viele Kolonien verloren, von einer Weltmacht kann nicht mehr die Rede sein. Im sich nun abzeichnenden Kalten Krieg zwischen Ost und West hat die stolze Nation an Einfluss verloren.

Dennoch, es war eine Zeit des Neubeginns – auch in der Kunst. Es waren die auf der Insel stationierte US-Soldaten, die durch die Musik den Briten neues Leben einhauchten: Der Rock’n’roll eroberte Großbritannien! Der modische Musikstil verbreitete sich rasch im ganzen Land und war wesentlicher Faktor der britischen Musikentwicklung.

Aus oder neben dem Rock’n’roll sollte sich in den kommenden Jahren viele verschiedene Musikrichtungen entstehen. Wichtig dabei: All diese Entwicklungen überlappen sich teilweise immens. Und nur weil sich aus einem Stil der Nächste entwickelt hatte, heißt das nicht, dass der Vorgänger ‚tot‘ war. Die Musikstile lebten weiter.

Mitte der Fünfziger wurde in Großbritannien der Skiffle bekannt. Auch dieser Stil kam ursprünglich aus den USA und trägt unter anderem Einflüsse des Jazz und Folk in sich. Der Skiffle animierte im Königreich vor allem junge Menschen zu musizieren. Dadurch wurde der britische Musikermarkt von einer regelrechten Welle aus musizierenden Jugendlichen überschwemmt.

Von den Beatles zur Dance Music – in gerade einmal 20 Jahren

Eine Gruppe, die davon profitierte, war die Beatles. Das Quartett aus Liverpool war in den 60ern der erste britische Exportschlager. Durch eigens komponierte Songs und ihrer etwas skurrilen Art entwickelten sich die Beatles zum Non-Plus-Ultra der Musik. Noch heute werden globale Musikerfolge mit denen der Engländer gemessen.

Etwa zeitgleich traf auch der amerikanische Blues in Britannien ein. Die 1962 gegründete Band Rolling Stones nahm diesen Musikstil auf und integrierten ihn in die eigene Kunst. Dies war der Startschuss des UK-Blues, bei welchem die Charakteristika des Blues mit E-Gitarren- und Bass- und Schlagzeugklängen kombiniert wurden.

Aus dem UK-Blues kristallisierte sich frühzeitig der Rock hinaus. Bands wie Queen oder Led Zeppelin gelten als Urväter dieses Stils. Aus dem ‚reinen‘ Rock entstanden in den 60er und 70er Jahren weitere Musikrichtungen: Heavy Metal (u.a. Iron Maiden), Glam Rock (u.a. David Bowie) oder auch der Progressive Rock (u.a. Genesis). Vor allem Letzterer zeichnete sich besonders durch seinen Hang zum Ausprobieren aus. Es wurde damals musikalisch viel versucht, es waren die Jahre der Innovation.

Mit der Zeit begann sich die britische Musik deutlich zu politisieren. Den Kulturbruch schlechthin gab es Mitte der 70er durch den Punk, der nun auch Frauen eine Plattform gab. Migranten aus der Karibik, allen voran Jamaika, brachten zudem den 2 Tone und Reggae in das Königreich. Für die Musikszene war das ein Gewinn, viele Künstler*innen sprachen den Migranten eine enorme Experimentierfreudigkeit zu und gaben sich den Einfluss der neuen Szeneträgern hin.

Als sich Anfang der 80er die politische Stimmung in Großbritannien zuspitzte, ebnete dies den Weg für den wohl bekanntesten Musikstil: den Pop. Als glückliche Musik sollte er seinen Anhängenden als Ablenkung von politischen Schwierigkeiten dienen. Die britische Szene wurde rasch weltweiter Marktführer des Genres. Im Zuge des Schwulen-Bewegungen ab den 80ern entstand innerhalb des Pops der Gay-Pop, dessen wohl bekanntester Vertreter Elton John ist.

Daneben schwang sich auch die Dance Music-Szene in Britannien auf. Wieder waren es die USA, die den DJ-Kult auf die Insel brachten. Die Szene kam immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt, auch durch die sich etablierenden Party-Raves.

Britische Originale: Trip-Hop und Grime

Als Gegenbewegung der Dance Music-Szene sah sich der Trip-Hop. Hier wurden elektronische Klänge mit dem amerikanischen Hip-Hop kombiniert. Der Trip-Hop war langsamer und ruhiger. Vor allem Migranten aus Afrika und der Karibik waren Träger dieser Szene, besondere Bekanntheit erlangte etwa die Gruppe Morcheeba. Noch heute nimmt die Idee des Trip-Hops, die Stimme unverändert für sich sprechen zu lassen, Einfluss auf die Musikproduktion.

Als die 90er auch in Großbritannien begannen, war dies Startschuss für den Brit- und Indie-Pop. Besonders der enge Wettbewerb zwischen den britischen Bands Blur und Oasis lenkte das Augenmerk dieses Genres auf die Insel. Viele entdeckten in dieser Musik Teile der Beatles-Bewegung, sowohl was den eigentlichen Stil wie auch die Vermarktung anging.

Ebenfalls mit dem 90ern startete die Zeit der Boybands und der Girlybewegung. So waren es Take That um Sänger Robbie Williams, die auf den Trend der USA (New Kids on the Block) aufsprangen. Auch die Spice Girls nutzten die Welle für sich. Die Phase dieser Gruppierungen war von einem weltweiten Erfolg gekennzeichnet. Es entwickelten sich regelrechte Jugendkults.

Mit der Jahrtausendwende nahm der Hype um Boy-Bands und Co allerdings langsam wieder ab. Stattdessen fand das Königreich seine Stimme unter anderem im Soul (Adele) wieder. Die Sängerin integrierte in ihrer Musik Einflüsse aus dem afroamerikanischen Gospel und setzte hierbei neue Maßstäbe.

In den vergangenen Jahren hatte Großbritannien besonders durch seine Werke der Singer-Songwriter (u.a. Ed Sheeran, Lewis Capaldi) Erfolg. Daneben griff das Electronic-Kollektiv Rudimental auf die alten Strukturen des Trip-Hops zurück, mit dem sich das Quartett international einen Namen machte.

Aktuell hinterlässt das Königreich jedoch durch eine Eigenkreation weltweit musikalische Fingerabdrücke. Der Grime – eine Kombination unter anderem aus dem Garage-Stil, dem Hip-Hop und Dancehall – wurde zwar schon Anfang der 2000er erfunden, sorgt allerdings jetzt erst für großes Aufsehen. Künstler*innen wie Dot Rotten oder Stormzy sind hier die internationalen Aushängeschilder eines Stils, der sich in den kommenden Jahren noch weiterentwickeln und etablieren wird.

Vielseitig, spannend, kreativ: Großbritannien!

Da wären wir also – 70 Jahre bunt gemischte Musikgeschichte. Die britische Musikszene ist damals wie heute breit gefächert. Neben den offensichtlichen Trends werden alte Stile weitergeführt oder bereits neue Richtungen ausprobiert. Was für das Königreich auffällt: Es wird ausprobiert, übernommen und experimentiert, als ob es kein Morgen geben würde.

Die britischen Künstler*innen zeichnen sich durch ihr Innovationstalent aus. Strömungen aus den USA, der Karibik oder Afrika werden in die eigenen Ideen eingebunden. Es entsteht ein lebendiger Mix, welcher für Viele auch das eigene Wesen der Nation widerspiegelt.

Auch die drei Künstler*innen Ella Eyre, MNEK und Jorja Smith sind Teil dieser besonderen Mischung. Alle drei haben einen Migrationshintergrund, alle drei binden Teile ihrer Herkunft in ihre Musik mit ein und alle drei beeinflussen durch ihr Talent und ihr Wesen wesentlich die britische Künstlerszene.

Inzwischen hat sich Ella Eyre mit ihrer lebendigen Stimme in der Pop- und R&B-Szene etabliert. MNEK wiederum ist neben seiner Arbeit als Sänger und Produzent als Kämpfer der LGBT-Bewegung aktiv. Nachwuchstalent Jorja Smith ist währenddessen jetzt schon ein Aushängeschild des ausschwingenden Grime-Genres und setzt bereits neue Maßstäbe.

Großbritannien ist als Nation in vielen Dingen ein Markenzeichen geworden. Doch besonders in der Musik ist das Königreich noch viel mehr als das. Die britische Szene ist der weltweite musikalische Trendsetter und Erfolgsindikator und kann hierbei besonders durch ihre innovativen und multikulturellen Akteure und ihre breit gefächerte künstlerische Vergangenheit punkten. All dies sind Gründe dafür, dass die britische Musikszene in den kommenden Jahren weiterhin den Ton angeben wird – im wahrsten Sinne des Wortes!

(Quelle: https://www.arte.tv/de/videos/073467-001-A/united-kingdom-of-pop-1-2/ https://www.arte.tv/de/videos/073467-002-A/united-kingdom-of-pop-2-2/)


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