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Interview mit Adam Angst

Geschrieben von am 29. Juni 2019

In einem Interview mit Noisiv habt ihr mal gesagt, dass ihr euch selbst nicht als “Punk” bezeichnen würdet. Wie würdet ihr denn euch und eure Musik beschreiben? Gibt’s da irgendeinen “Stempel”, den man euch aufdrücken kann?

Nee, Stempel schocken sowieso nicht. Bestimmt werden musikalisch immer irgendwie Punk-Wurzeln drin sein, aber wir wollen auch auf dem nächsten Album sicherlich nochmal in ganz andere Richtungen gehen und uns da nicht so festlegen. Deswegen nenne ich es mal Gitarrenmusik, weil wir einfach Gitarren dabei haben und die kriegen wir auch so schnell nicht weg (lacht). Wenn ich das irgendwelchen Arbeitskollegen, älteren Menschen oder Großeltern erklären muss, was wir für Musik machen, sage ich schon Punk-Rock, weil die sich darunter auch etwas vorstellen können.

Du sagtest, dass es neue Musik geben soll und dass die etwas anders klingen wird. Gibt es noch mehr, was du dazu sagen kannst?

Überhaupt noch gar nicht. Also wir wissen nur, dass es ein nächstes Album geben wird. Das ist in unserem Fall, oder speziell in meinem Fall, schon eine ziemlich große Aussage, glaube ich. Uns ist klar, dass wir nächstes Jahr ins Studio wollen. Wir sind gerade dabei ein bisschen zu schreiben. Dann gucken wir mal, wo die Reise hingeht. Aber ich habe kein Datum oder Ähnliches.

‘Ihr schreibt’? Also schreiben die anderen Jungs auch mit an den Texten oder machst du das nach wie vor ausschließlich?

Nee, an die Texte will ich die überhaupt nicht dran lassen (lacht). Das können auch glaub ich nur sehr wenige Leute, dass da mehrere gleichzeitig an den Texten schreiben. Ich habe das mal bei einer anderen Band gemacht und da kam nichts Gutes bei raus. Bei der Musik ist es viel einfacher Stile und Geschmäcker zusammenzubringen. Bei Texten finde ich das immer ein bisschen schwer, da kommt nur Kuddelmuddel bei raus. Das werde ich schon halten, aber musikalisch werden wir alles zusammen machen.

Wie auch beim zweiten Album.

Genau.

Teile eurer Band machen ja auch ein paar andere Musikprojekte, wie zum Beispiel David, der bei FJØRT ist. Gibt’s da manchmal Probleme Termine oder Proben zu vereinbaren?

Man muss sich schon ein bisschen abstimmen. Wir selber müssen das ja zum Glück nicht machen, das machen Booking-Firmen für uns. Die müssen sich natürlich absprechen. Bei FJØRT und Adam Angst ist es aber so: Dadurch, dass wir relativ ähnliche Bands sind und aus der gleichen Szene kommen, sag ich mal, kommt es relativ häufig vor, dass wir auf denselben Festivals spielen. Dann teilen wir uns teilweise auch den gleichen Bus. Manchmal kann man – wie sagt man so schön in der Wirtschaft – “Synergien” schaffen. Das funktioniert soweit ganz gut. Problematisch wäre es jetzt nur natürlich, wenn wir zur gleichen Zeit ein Album herausbringen. Das funktioniert nicht, weil die Zeiten da relativ gleich sind: Man bringt ein Album raus und geht dann relativ schnell auf Tour. Das funktioniert dann nicht mehr zusammen. Man muss sich das eigentlich immer einteilen: ein Jahr Fjort, ein Jahr Adam Angst, und so weiter.

Euer aktuelles Album “Neintology” ist ziemlich politisch. Wenn man politische Texte schreibt, muss man ja auch gut informiert sein, finde ich zumindest, und so ein Gespür für gesellschaftliche Entwicklungen haben – auch wenn das sehr subjektiv ist. Wie informierst du dich denn so im Alltag?

Ich finde an der AfD zum Beispiel kann man auch sehen, dass man nicht unbedingt informiert sein muss, um Politik zu machen (lacht). Aber ja, wo informiere ich mich? Also natürlich lese ich auch viel in der Presse, aber am Ende lasse ich eher so das Leben selbst und das Zusammensein mit Menschen auf mich wirken. Ich glaube, das ist immer noch so das Wichtigste. Ich habe davon Abstand genommen mir alles im Internet anzugucken. Das ist eine komplett andere Welt geworden. Sich dann irgendwelche ekelhaften Kommentare anzugucken, zieht einen nur runter. Wenn man dann mit Menschen zusammen ist, dann merkt man wieder: “Okay, nee, eigentlich gehört die große Mehrheit der Menschheit irgendwie zusammen.” Und alle haben das gleiche Verständnis von “Ey, wir müssen irgendwie gut miteinander auskommen, wir haben alle eine gute Erziehung genossen.” Das ist eigentlich so am wichtigsten. Klar, wenn es darum geht, dass ich bestimmte Details in Songtexte einbetten will, muss ich mich natürlich reinlesen. Aber grundsätzlich ist es nicht so, dass ich den ganzen Tag auf Spiegel, Stern, indymedia und so weiter zu finden bin.

In “Alle sprechen Deutsch” kritisierst du im Grunde genommen die Urlaubskultur vieler Menschen in Deutschland und dass die beispielsweise in die Türkei reisen, ohne sich dort mit der Kultur auseinanderzusetzen. Jetzt ist ja typische Urlaubszeit. Reist du auch selbst und wie reist du vor allem?

Wenn ich mal Urlaub habe – das ist relativ selten. Die letzten zwei Jahre war ich tatsächlich in den USA. Ich mache da dann immer mit meiner Freundin so einen kleinen Road Trip. Wir mieten uns ein Auto und fahren da umher. Klar, kann man jetzt über die USA viel sagen – über die Politik und so weiter und so fort, aber das lasse ich da dann schonmal außen vor. Das Lied “Alle sprechen Deutsch”…Ich habe immer so ein kleines Problem damit, dass man sagt “Man kritisiert etwas.” – Ja, schon irgendwie, aber wir beobachten ja auch vielmehr. Kritisieren dürfen dann auch andere. Man darf den Text aufnehmen und sich die eigene Meinung bilden. Manchmal spiegelt ja auch ein Songtext gar nicht so hundertprozentig unsere Meinung wider. Manchmal geht es einfach darum, eine Diskussion oder ein Gefühl anzustoßen. Dieser Song “Alle sprechen Deutsch” ist aus einer sehr kruden Doku geboren. Da gab es so eine Doku über Rentner in der Türkei und ich fand das einfach unglaublich spannend, weil das Hotel komplett nur mit Deutschen belegt war. Da konnten letztendlich nur Deutsche dort buchen. Und dann kann man an diesem Strand dann sehen: Da sind die Deutschen mit ihren ganzen Liegen und da ist das deutsche Hotel. Daneben sind dann die Engländer und so weiter. Alles all inclusive. Und dann machen die mal einen Ausflug zu “Land und Leute” und gehen dann mal auf so einen Basar. Das ist denen dann alles zu wuselig. Ich fand es halt einfach lustig. Es bringt den Ländern ja auch wirklich mal gar nichts. Also wenn man nur ein bisschen daran denkt Entwicklungshilfe zu leisten oder etwas Gutes zu tun, dann reicht es ja mal wirklich nicht einmal so einen Ausflug zu machen und das dann auf Instagram zu posten, so nach dem Motto: “Ich war jetzt gerade auf einem Basar und es ist alles so toll und orientalisch.” Das bringt den Menschen dort ja einfach überhaupt nichts, weil du die meiste Zeit du im Hotel bleibst und deinen Festpreis zahlst. Die Menschen, die dort auch noch arbeiten, verdienen einen Scheiß. Das ist halt nicht geil, davon müssen wir halt schon weg.

In eurem Song “Alphatier” geht es ja um Geschlechterklischees und Homophobie. Du hast auch schonmal in einem Interview gesagt, dass daran gearbeitet werden muss. Jetzt schaue ich auf das Festival-LineUp des Vainstreams und sehe fast ausschließlich männliche Bands. Gehört für dich dann auch dazu, dass man bei Festivals mehr weibliche oder transgender Acts einlädt?

Ja, ich finde man sollte darauf auf jeden Fall achten. Da sollte man schon so eine Awareness haben. Ich maße mir allerdings nicht an zu bewerten, wie viele Bands das sein sollten oder ob man eine Quote einrichten muss. Ich finde, das ist auch eine schwierige Frage und ich habe da noch keine gute Antwort drauf. Jede Quote bringt immer so einen gewissen Zwang und so ein Arme Verschränken mit sich. Ich denke nicht, dass man das gesetzlich regeln sollte. Gerade auf so Festivals sind das alles sehr weltoffene Menschen. Ich glaube, dass es einfach dahin gehen sollte, dass man so ein bisschen darauf aufmerksam macht. Das läuft auch gerade so langsam an. Es gibt unglaublich viele gute Bands mit weiblichen oder transgender Mitgliedern.

Auf eurem Facebook-Account habt ihr in einem Text stehen: “Nur wenige deutschsprachige Rockbands scheinen uns einzufallen, die sich den goldenen Stempel Relevanz verdient haben. Adam Angst könnte so eine werden.” Habt ihr das mit eurem zweiten Album schon erreicht?

Also zunächst mal haben wir diesen Text nicht selbst geschrieben (lacht). Das sind Texte, die gibt man anderen und die schreiben dann ganz viel übertriebenes Zeug über die Band. Aber zu deiner Frage, ob man das erreicht hat: keine Ahnung. Ich persönlich fühle mich nie relevant. Es ist immer so, dass man kleine Messwerte hat: Kommen mehr Leute? Singen mehr Leute mit? Und das ist auch alles wunderschön, aber ob man jetzt irgendwie relevant ist…Dazu müsste man erstmal Relevanz definieren. Am Ende machen wir das einfach so weiter. Man kriegt vieles einfach nicht so richtig mit. Wenn wir jetzt so eine Band gewesen wären, die einmal da ist und ein Album veröffentlicht und dann von einem 100er-Club in eine 5000er-Halle geht, dann merkt man bestimmte Dinge. Aber wir haben glaube ich gerade so ein gesundes Wachstum. Deswegen kriegt man gar nicht so richtig mit, wie relevant und bekannt man eigentlich ist.

Gibt es denn irgendeine Band, der du Relevanz zusprechen würdest?

Ja, es gibt Bands, vor denen ich sehr viel Respekt habe. Feine Sahne Fischfilet zum Beispiel, die unglaublich aktiv sind und ihren Aktivismus auch immer mit der Musik verbunden haben, aber das auch immer auf eine gute und sehr sympathische Weise. Aber die einzig relevante Band bleiben natürlich Die Ärzte.

Adam Angst beim Vainstream 2019. Foto: Brigitte Lieb

Header-Bild: Max Hengesbach