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Malva – A Soft Seduction Daily

Rezensiert von on 4. Juni 2024

       

„They call it progress. I only cried two times a week“
So beginnt Malvas zweites Studioalbum „A Soft Seduction Daily”.
Melancholie meets Missmut.

Malva ist eine Band aus München, die aus den zwei Freund*innen Malva und Quirin besteht. Malva schreibt die Texte und singt, während Quirin sich um die Produktion kümmert. Musikalisch befindet sich die Band zwischen Pop und Indie, deren Atmosphäre perfekt durch melancholische Poesie verstärkt wird. Besonders ist „A Soft Seduction Daily“ nicht nur durch diese Symbiose von Text und Musik, sondern auch aufgrund dessen, dass das Album englische und deutsche Songs beinhaltet. Bei den englischen Songs erleben wir vorwiegend die Gefühle von Malva mit ihr und die deutschen Lyrics zeigen uns durch retrospektivische Selbstbeobachtung, wie es ihr in verschiedenen Situationen ging. Das Album folgt Malva in der Reflektion und Verarbeitung einer vergangenen ungesunden Beziehung und dabei, Magie in alltäglichen Momenten zu finden, wenn wir uns nur die Zeit nehmen, aufmerksam hinzuschauen.

Beautiful Heartbreaker ist ein wortwörtlich softer Einstieg in das Album. In Nostalgie schwelgend reflektiert Malva über eine vergangene Liebesbeziehung, die ein gebrochenes Herz vielleicht nicht wert war, aber wahrscheinlich ihr bisher schönster Herzschmerz ist. Nach diesem Einstieg nimmt uns Malva mit in die Anfänge dieser Liebesbeziehung. Nach soft folgt mit Casual Sex die Verführung. Sinnliche Gitarrenklänge und ruhige Drums erzeugen eine Atmosphäre, die an ein Date in einer stickigen Bar erinnern. Im Song beschreibt sie die Situation mit „a bottle of wine and casual sex“. Jedoch gesteht sie, dass sie verliebt ist und gleichzeitig sich schmerzlich bewusst ist, dass sie nur eine von vielen für diese Person ist.

Von der stickigen Bar begleiten wir nun das Songwriting-Duo aus München auf die Tanzfläche eines Clubs. Quirin, der die Songs produziert, zeigt in dem Song Electric, wie man Wut, Trauer um ein vergangenes Ich und die Essenz einer Partynacht musikalisch zu einem Song vereint, der einen quasi anschreit, aufzustehen und zu tanzen. Auch wenn der Song Trotz und Selbstbewusstsein ausstrahlt, realisiert das lyrische Ich, dass die Ex-Beziehungsperson es negativ verändert hat. Aus dem anfänglichen „I am electric  […] I am red, sometimes I am blue“ wird im nächsten Refrain ein  „I was electric […] I was red and now I am blue“. Sich selbst in einer Beziehung und einer anderen Person zu verlieren, ist wohl eine der universellsten Erfahrungen von ungesunden Beziehungen.

Auf das High der Partynacht und Hymne für mehr Selbstachtung folgt der musikalische Morgen danach. Blassblau kontrastiert nicht nur durch den Sprachwechsel von Englisch auf Deutsch mit den vorherigen Liedern. In einer Art Vogelperspektive beschreibt Malva retrospektiv vergangene Erinnerungen. Eine sich durch den Song ziehende Farbmetapher zeigt Malvas wortmalerisches Können, welches durch repetitive und nostalgische Akkorde einer Gitarre untermalt wird. Wie auch bei realem Herzschmerz kommen wir nicht schnell aus diesem Tief der emotionalen Achterbahnfahrt des Albums heraus. Der Song Paper-Thin rückt nun die Gefühle der Protagonistin in den Vordergrund. Die beiden Songs fühlen sich an wie ein kalter Frühlingsspaziergang, bei dem man einen Film mit allen damals schönen und jetzt schmerzenden Momenten vor sich laufen sieht. Die vier folgenden Songs sind langsame und noch unsichere erste Schritte im Versuch, die Trennung zu verarbeiten. Highlights hierbei sind das Feature mit Jesper Funk beim Song Romance with a Memory und die heitere Bar-Atmosphäre in Glück aufs Haus, die Quirin zaubert und damit auch die Zuhörer*innen fühlen lässt, wie viel Magie in kleinen Interaktionen mit anderen Stammgäst*innen der gleichen Bar stecken können. (Die Sängerin singt von Sehnsucht und dem Versuch loszulassen.)

Malva wagt im Lied Brombeeren, meinem persönlichen Lieblingslied neben „Electric“, einen sich fast schon verboten anfühlenden Blick zurück. Wie Orpheus in der griechischen Sage ist Malva sich bei diesem finalen Rückblick bewusst, dass die alte Liebe nun in der Vergangenheit bleiben wird: „Der Tag und auch du nehmen mich nicht wahr. Diesmal gehe ich von allein. […] Ich laufe und schlender die Straße entlang und diesmal warte ich nicht mehr“. Der Gesang von Malva wird nur mit der Harfe von Evelyn Huber begleitet. Das Lied fühlt sich an wie ein trauriger Abschied und ein hoffnungsvoller Beginn zugleich. Diese sanfte Verführung endet für die Hörer*innen trotzig mit dem letzten Song You Came Along und den Worten „The worst thing was that you came along“

Photo Credit: Zana Helff

Malvas „A Soft Seduction Daily“ ist auf jeden Fall etwas für Lyrik-Fans. Wer hier nicht auf die Texte und das Zusammenspiel von Worten und Musik achtet, verpasst im Endeffekt mehr als die Hälfte des Albums. Insgesamt ist es ein gutes Herzschmerz Pop-Album, was aber meiner Meinung nach noch mehr Potenzial in der Produktion hat. Es wirkt teils so, als hätte man sich zurückgehalten, um den Lyrics mehr Raum zu geben, aber ich denke, dass die Lyrics stark genug sind, um in einer größeren Produktion nicht unterzugehen.

Ich hoffe, dass wir von Malva und Quirin in den nächsten Jahren noch mehr gute Musik und Lyrik erwarten dürfen und ich ende mit der Frage, die sich mir seit dem ersten Hören von Brombeeren gestellt hat: Warum haben so viele Ex-Beziehungsmenschen die Lieblingsfarbe Grün?  

Autor: Luka Neumann


Label: Trikont
Veröffentlicht am: 24.05.2024
Interpret: Malva
Name: A Soft Seduction Daily
Online: Zur Seite des Interpreten.


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