Louis Cole, Metropole Orkest, Jules Buckley – nothing
Rezensiert von Moritz Meyer on 13. August 2024
Nicht selten passiert es, dass sich Musiker*innen ein Orchester schnappen und mit großen Pathos ihre größten Hits gemeinsam mit diesem auf die Bühne bringen. Ob das so erfolgreich ist, sei dahingestellt. Man denke nur an etwa an S&M von Metallica und dem San Francisco Symphony Orchestra, bei dem Kritiker seit langem behaupten, Band und Orchester würden komplett aneinander vorbei spielen. Verständlich das viele Künstler*innen skeptisch sind, was die Zusammenarbeit mit Orchester angeht. So auch Louis Cole. Lange überlegt er, seine größten Songs gemeinsam mit einem Orchester zu vertonen. Auf die Zusammenarbeit mit einem Orchester hat er Lust, schließlich ist er durch die Liebe zur klassischen Musik seines Vaters überhaupt erst zum Musikmachen gekommen, aber er weiß dass ein klassisches Best Of mit Orchester wahrscheinlich nach hinten losgeht. Die Lösung ist so simpel wie genial. Er schreibt einfach eigene Songs und arrangiert diese für Orchester. Mit dem Metropole Orkest findet er ein erfahrenes Orchester, welches bereits mit Größen wie Ella Fitzgerald oder Herbie Hancock kollaborierte und das sich perfekt durch Dirigent Jules Buckley leiten ließ. Was herauskommt ist Louis Coles 5. Studioalbum “nothing”, was sich schon mit Fug und Recht als sein Opus Dei bezeichnen lässt. Majestätisch gekonnt verbindet er Klassik mit Jazz und Funk.
Direkt mit dem Introsong Ludovici Cole est frigus, ein reines Klassikstück, deutet sich an: das Album wird episch. Zarter undeutlicher Gesang und ein Orchester, das schon einmal die gesamte Lautstärkenbreite, die es zu bieten hat, ertestet, gehen ineinander über und leiten langsam in das erste Highlight des Albums – den Song Things Will Fall Apart. Eine Bläsersektion gibt hier das eingängige Hauptthema vor, ehe klassische Funk-Harmonien in den Song dreschen. Danach hält sich das Orchester fast vorsichtig zurück. Der soulige Gesang übernimmt und liefert eine eingängige Nummer, die irgendwie direkt im Kopf hängen bleibt. Nach etwa 3 Minuten nimmt der Song sich dann Zeit für das von Streichern getragene Outro, nur um danach in das nächste Highlight des Albums überzuleiten, den Track Life. Ein Stück das vor allem von seinen gekonnt aufgelösten Disharmonien, dem unglaublichen temporeichen Schlagzeugspiel Louis Coles und natürlich einem gefühlvollen jazzigen Saxophonsolo lebt. Ein krass energetischer Track, der ordentlich treibt.
Nach dem unglaublich starken Beginn des Albums liefert It All Passes erstmal die Gelegenheit um durchzuatmen und sich auf die ruhigen Klassikklänge einzulassen. Mit Cruising for P kommen wir dann auf einmal im klassischen Swing an. Das ganze klingt wie die Vertonung einer Romantikszene eines 50er Jahre Schwarzweißfilms. Gerade das Solo wird dann aber nochmal etwas jazziger und mit Harfe klingt der Song dann aus. Es folgt A Pill in the Sea. Hier mischt sich auf einmal fast hardcoreartiges Trommeln und E-Gitarren in den Song. Der Gesang liefert allerdings ein starkes Kontrastprogramm durch eine ruhige, unaufgeregte Stimme mit klarer Melodieführung, sodass diese Nummer nie zu einer reinen Rocknummer abdrifted. Fast ein Kampf zwischen Trommeln und Gesang macht sich breit, in dem das Orchester versucht, Stellung zu beziehen. Am Ende lässt sich auch die Gitarre auf den Song ein und liefert ein starkes Solo. Ein insgesamt sehr spannender Song mit nie zuvor gehörten Elementen. Der Titeltrack nothing ist dann wieder eine absolut unscheinbare Nummer zum Durchatmen, in dem man die zuvor gehörten Eindrücke entspannt verarbeiten kann.
Bei Who Cares 1 welches nun folgt, bekommt das Orchester nun kurz Zeit zum durchatmen. Dieses recht kurze Interlud wird nun fast noch einmal kopiert. In Who Cares 2 wartet die gleiche Melodie, dieses Mal mit Orchester, allerdings nur kurz. Danach übt sich das Orchester in geladenen Disharmonien, so dass der Song auf einmal klingt wie die entscheidende Mordszene in einem Hitchcock Thriller. Das ebenfalls kurzgehaltene Wizard Funk ist nun das dritte Interlud hintereinander. Hier dürfen sich mal die Klarinetten, Oboen und Querflöten in den Vordergrund spielen.
Weird Moments folgt dann und klingt durch den Einsatz von Synthesizern zeitweise fast wie ein hektisches Jump n Run Level bei Super Mario. Ein Track der auch wieder von seinen funktypischen Harmonien lebt, die gekonnt von Streichern aufgefangen werden. Zwischendurch zeigt Louis Cole dann in einer Art Dialog mit dem Orchester, was er auf dem Schlagzeug so drauf hat. Der Track High Five ist dann wieder zum ruhigen durchatmen geeignet. Nur um danach mit These Dreams are Killing Me das nächste Highlight serviert zu bekommen. Ein traumhaft verspieltes Duett mit einem leichten Funkgroove im Hintergrund, das sich ebenfalls sehr schnell im Ohr einnistet. Bei Shallow Laughter: Bitches konnte es Louis Cole dann doch nicht ganz sein lassen, alte Songs von ihm zu verarbeiten. So finden sich die hier zu einem Track zusammengefügten “Shallow Laughter” und “Bitches” bereits auf seinem Vorgängeralbum und werden nun als Orchesterversion neu aufgelegt. Gleiches Konzept auch beim Track Let It Happen der ebenfalls ohne Orchester auf dem Vorgängeralbum existiert. Beide Tracks erhalten jedoch durch die orchestrale Version ein wirkliches Glow Up, sodass sich der eigene Songrevitalisierungsprozess wirklich auszahlt.
Bei Doesn’t Matter überlässt Louis Cole kurz vor Ende des Albums die Bühne noch einmal komplett seinem Orchester. Dieses revanchiert sich in einer über 11-minütigen Serenade die für Dramatik, Traurigkeit, Hoffnung, vor allem aber für Gänsehaut sorgt. Der letzte Song You belonged wirkt dann wie ein kurzes andächtiges Schlusswort, bestehend nur aus einem verrauschten Klavier und Stimme. Fast so wie die Demoversion eines unvollständigen Songs. Aber irgendwie als Ende auch passend gewählt.
Alles in allem liefern uns Louis Cole, das Metropole Orkest und Jules Buckley ein tolles Album, indem das Orchester eben nicht nur alte Louis Cole Songs nachspielt, sondern selbst lebendig wird und eine tolle Begleitung darstellt. Zugegeben, nachdem am Anfang mit den ersten drei Tracks die Messlatte sehr hoch gelegt wird, kann das Album diesen Erwartungen nicht ganz folgen. Dafür geht es immer seinen eigenen Weg und liefert jede Menge Überraschungsmomente und lässt das Orchester auch wunderbar organisch Atmen und gibt ihnen die Entfaltungsmomente, die es braucht. Gegen Ende wird das Album nochmal sehr andächtig. Auch hier wäre vllt. eher ein bombastisches Finale möglich gewesen. Es zeugt allerdings von Charakter, sich bewusst dagegen zu entscheiden und das Album auf eher introvertierte Weise enden zu lassen.
Wem das Album gefällt, der hat am 06.10. auch die Chance Louis Cole und das Metropole Orkest im Alfred Krupp Saal in Essen live zu bestaunen. Eine Gelegenheit die man sich nicht entgehen lassen sollte.
Label: Brainfeeder Veröffentlicht am: 09.08.2024 Interpret: Louis Cole, Metropole Orkest, Jules Buckley Name: nothing Online: Zur Seite des Interpreten.