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girl in red – if I could make it go quiet

Rezensiert von am 9. Mai 2021

       

Auf ihrem Weg zur Pop-Weltherrschaft hat girl in red endlich ihr erstes Album rausgebracht. Ihm gingen bereits zahlreiche erfolgreiche Singles und EPs voraus und vier der Songs wurden schon zuvor als ausgekoppelte Singles veröffentlicht. Während girl in red in der Vergangenheit vor allem für Songs über queere Liebe bekannt war, wird sich das mit diesem Album wohl etwas ändern. In “If I could make it go quiet” klatscht Marie Ulven ihre düstersten Gedanken mit voller Wucht auf den Tisch und holt mental health aus den untersten Schubladen der Gespräch-tabus. Ein Beispiel dafür ist der Song Serotonin, der das Album eröffnet: es ist eine Hymne an mental health. Nicht nur psychische Probleme und Depressionen werden angesprochen, sondern auch Ermutigungen sich Hilfe zu holen. Zwanghafte Gedanken, Antidepressiva und Machtlosigkeit gegen die eigenen Gedanken sind für girl in red keine Tabu-Themen und treffen besonders, in diesen Zeiten, die für viele Menschen psychisch und emotional schwierig sind, einen Nerv. Und das zieht sich durch das ganze Album.

Dig deep, can’t hide | From the corners of my mind

Der Song ist schnell und melodisch mit kleinen elektronischen Wirbelstürmen in den Strophen. Gitarre, Synthies und Beat rennen dabei um die Wette und treiben Marie Ulvens Stimme vor sich her, im Refrain treffen sie sich jedoch wieder und fügen sich zu einem melodischen Puzzle zusammen. Die Synthies sind ein Hinweis auf girl in reds Co-Produzenten für den Song: Finneas O’Connel. Zu einem Billie Eilish Cover wird es dadurch aber nicht. Serotonin steht für sich allein und ist ein starker Opener für ein starkes Album. Did you come erinnert an girl in reds EPs und Songs wie bad idea. Die einzelnen Songparts gehen fließender ineinander über als im Opener und sind eine gemütliche rage-Rutsche in den Rest des Albums.

I can’t forgive, I can’t forget | I should have known you’re full of it | I’m not upset, I’m fucking pissed

In Body and mind wühlt Marie Ulven in ihren eigenen Abgründen, der Text ist düster und dabei lädt der rockige Einschlag des Songs zum Tanzen und mit brüllen ein. Aber eigentlich passt genau das zu body and mind: Den Schmerz herausschreien. Der Song ist laut und volle Kanne mit den Synthies an vorderster Front und spielt dabei mit dem Albumtitel “If I could make it go quiet inside” in den Lyrics. Mit hornylovesickmess wird es ruhiger. Es wirkt wie eine nicht mehr ganz so warme Erinnerung an girl in reds musikalische Gehversuche wie girls und we fell in love in october – aber eben in erwachsener. Es ist ein Rückblick auf eine Beziehung, auf gemischte Gefühle und ehrliche Lust auf Sex.

Let’s just face the fact | I treated you like trash | And you deserve more than that

Fließend geht der leicht bittere Reuegeschmack von hornylovesickmess in midnight love über. Die zweite Songauskopplung ist wie das kühlende Pflaster nach der schmerzhaften Trennung und eine melodische Abschiedswolke aus Gitarre und Klavier – eine Verschnaufpause vor dem heimlichen Star des Albums. Denn dann kommt You stupid bitch. Es ist eine rockige in your face Ansage, die doch nie die Lippen verlassen zu haben scheint. Und Marie Ulven schreibt dazu in einem TickTock: “wish i had the balls to send this song to the person i wrote it about”.

You stupid bitch, can’t you see? | The perfect one for you is me

You stupid Bitch ist ein solider Banger. Der Text ist kein Ergründen von deepen Gefühlen und muss es auch nicht sein, der Frust surrt gemeinsam mit der Gitarre durch die Luft und braucht dafür nicht viele Worte.

Rue’s Pulse treibt die Hörer*innen schließlich durch die Selbstversicherungen des lyrisches Ichs – der Weg bergauf scheint geebnet. Das der jedoch nicht einfach ist zeigt sich in appartement 402. Der Song ist ein Kampf gegen Anxiety und gleichzeitig eine kleine Hymne an die Hoffnung: “I’m talking about this room that I’m trapped in, but I’m also talking about the walls cracking and light coming in.” Marie Ulven ist ehrlich über den Schmerz, die Leere und das Chaos in ihr. Hier werden Depressionen nicht schön geredet und das Album erzählt sicher nicht von glücklichen Zeiten, aber es erzählt davon, das es besser wird, von Selbstreflexion einer Menge Mut.

Langsam mausert sich girl in red aus ihrem Kinderzimmer und der Bedroom Pop wird erwachsen. Zwar sind die Songs alle in ihrem Schlafzimmer aufgenommen, das fine tuning verlagert sich jedoch langsam ins Studio. Marie Ulven wird erwachsen, sie ist nicht mehr 18 und wie sie selbst sagt, wächst auch ihre Musik mit ihr. it would feel like this ist der wohlige Abschluss des Albums oder wie girl in red sagt, die ‘move credits’. Das Instrumentalstück ist die Antwort auf das if des Albums und braucht dafür keinen Text. Die knappen 1,5 Minuten reichen gerade so aus, um dem Album lebewohl zu sagen. Synthies und Klavier fügen sich zu einem letzten kleinen Feuerwerk zusammen und runden ein wunderschönes Debüt-Album ab, das eigentlich direkt wieder von vorne gestartet werden will.

rezensiert von Johanna Hofmann.


Label: AWAL Recordings
Veröffentlicht am: 30.04.2021
Interpret: girl in red
Name: if I could make it go quiet
Online: Zur Seite des Interpreten.


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