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Fontaines D.C. – Skinty Fia

Rezensiert von am 1. Mai 2022

       

rezensiert von Moritz Meyer

Skinty Fia – Was zum Teufel soll das sein? Das ist wohl die erste Frage die einem in dem Kopf kommt, wenn man den Albentitel des neuen Machwerks von Fontaines D.C. hört. Es ist auch nicht groß verwunderlich, dass man keine Ahnung hat, was es bedeuten soll, es sei denn man spricht irisches Gälisch. In diesem Fall weiß man, dass es sich um eine Redewendung handelt, die wortwörtlich übersetzt so viel wie “die Verdammnis des Rehs” bedeutet – was immerhin auch schonmal das Albumcover erklärt. Genutzt wird dieser Ausdruck als klassischer Alltagsfluch, wenn mal wieder etwas richtig schief gelaufen ist. Der Inhalt dieser Aussage klingt nach Angaben von Frontmann Grian Chatten nach Veränderung und Untergang und lässt sich auch durch die Verwendung der irischen Sprache besonders gut mit dem zentralen Motto des Albums, nämlich das Irisch-sein in Großbritannien, verbinden. 

C: Partisan Records / [PIAS]

Das eben dieses Motto auf dem Album nun so zentral ist, liegt in der eigenen Bandgeschichte von Fontaines D.C.. 2015 lernen sich die fünf Bandmitglieder in der Musikhochschule in Dublin kennen. Sie alle verbindet die Liebe zur Poesie. Schnell veröffentlichen sie ihre ersten Singles bis im Jahr 2018 ihr Debütalbum Dogrel folgt, welches mit Songs wie Too Real oder Boys in the Better Land bereits schnell durchschlagenden Erfolg hatte. Dieses Album wurde in Dublin City (daher das D.C. in Fontaines D.C.) geschrieben und steckt voller Geschichten über ihre Heimatstadt. Der durchschlagende Erfolg des Albums brachte es jedoch mit sich, dass ein anstrengendes Tourleben vor der Band lag. Ihr zweites Album “A Hero´s Death”, welches der Band sogar gleich Nominierungen für den Grammy und die Brit Awards einbrachte, wurde daher komplett auf der Tour geschrieben. Im Anschluss an das Album ließ sich die Band in London nieder und bekam somit zu spüren, wie es ist, als Ire in Großbritannien zu leben. Dass dieses Leben eben nicht aus Friede Freude Eierkuchen besteht, sondern auch durch Rassismus und klischeehaftes Denken geprägt ist, verarbeiten sie auf ihrer neuesten Veröffentlichung Skinty Fia, indem sie wie auch schon auf ihren Vorgängeralben feinsten melancholisch gestimmten Post-Punk praktizieren, der die Hörenden komplett  in den Bann zieht. 

Gleich der Opener, der mit In ár gCroíthe go deo genau wie das Album einen irisch gälischen Titel besitzt, versetzt einen wunderbar in die düstere aber doch melodische Welt von Fontaines D.C.. Eine treibende Bassspur druchzieht den Song, ehe choralartige Hintergrundgesänge immer wieder hypnotisch den Titel des Songs singen, kunstvoll durchbrochen vom Gesang des Frontmans Grian Chatten. Dieses hypnotische Feeling über 5 Minuten hinweg fesselt einen regelrecht an das Album und stellt somit alleine schon musikalisch den idealen Opener da. Der Songtitel bedeutet übersetzt so etwas wie “Für immer in unserem Herzen” und bezieht sich dabei auf die Geschichte der gebürtigen Irin Margaret Keane, die in England verstorben ist. Ihre Familie wollte auf ihrem Grabstein ihrer irischen Wurzeln huldigen und dort den Satz “In ár gCroíthe go deo” aufschreiben lassen. Die englische Kirche verweigerte dies jedoch. Es stellt also ein Beispiel des zentralen Themas des Albums dar, nämlich der Irenfeindlichkeit in England. Denn das so etwas im Jahr 2020 immer noch passiert, dass Iren immernoch vorgeworfen wird sie würden in der IRA kämpfen und wären nicht vertrauenswürdig lässt Frontman Grian Chatten schon fast entsetzt zurück. 

Der zweite Track Big Shot ist der einzige Song auf dem Album den nicht Grian Chatten geschrieben hat, sondern überwiegend der Gitarrist der Band Carlos O’Connell. Musikalisch greift er die Stimmung auf, die der Opener vorgibt und bleibt eher ruhig und melancholisch. Dieser Track verarbeitet eher den Erfolg der Band, den sie in den letzten Jahren gehabt hat. Für Carlos O’Connell  st es nämlich nicht einfach auf einmal so einen Erfolg im Leben zu haben, der das voherige Leben der Band komplett überschattet.

Mit How Cold Love Is folgt eine Art ambivalenter Lovesong. Auf der einen Seite versorgt einen die Liebe mit Wärme mit Sicherheit, auf der anderen Seite kann die Liebe einem den letzten Nerv rauben. Man muss jedoch ehrlich sein und sagen, dass dieser Song auf einem starken Album eher zu den schwächeren Tracks zählt. Mit Jackie Down The Line folgt im Anschluss jedoch eines der Highlights der Platte. Durch das melodisch repetetive bleibt dieser Song unmittelbar im Ohr Vor allem die eingeworfenen Sprechzeichen “Do Do Do” und “La La La” sorgen für ein wenig Selbstironie in dem Lied. Auch der Titel unterstützt diese Selbstironie. Jackie bezieht sich auf den Begriff Jackeen, welches eine Art Beleidigung der Einwohner von Dublin darstellt. Der Jackie Down The Line ist also eine Art Ire der dich sowieso nur an der Nase herumführt. Somit spielt der Track selbstironisch mit den aufgeworfenen Klischees über Iren. 

Bloomsday ist der wohl depressivste Track des Albums, was wohl vor allem an seiner geringen Geschwindigkeit und seinem extrem tief gesungenen Refrain liegt. Der Bloomsday ist ein Gedenktag an den irischen Autor James Joyce. Leopold Bloom ist dabei der Hauptcharakter des berühmtesten Werk des Autors “Ulysses”. Die Band drückt in dem Song das Gefühl aus sich immer weiter von ihrer Heimatstadt zu entfernen, ohne es zu merken. Mit Roman Holiday kommt dann wieder ein etwas fröhlicherer Track, zumindest von der musikalischen Stimmung her ans Licht. Und auch textlich verwandelt  er eher ein negatives Gefühl, nämlich das Leben in der Fremde und das damit einhergehende Gefühl der Ausgrenzung  in ein positives Gefühl um. Nämlich den Stolz das man aus einem anderen Land kommt und auch das Gefühl, dass man diesen Stolz mit anderen Personen in der gleichen Situation teilt. So wird als Ausdruck der gemeinsamen Identität auch immer wieder der irisch-gälische Albumtitel in dem Song gesungen. 

The Couple Across The Way ist dann der Track, der am meisten hervorsticht, was vor allem an seiner Instrumentierung liegt. Hier wird auf sämtliche Instrumente wie Schlagzeug, Bass und Gitarre verzichtet, stattdessen ist einzig und allein ein Akkordeon zu hören. Dieser Song geht nach Aussagen der Band auf die Idee zurück zunächst ein Doppelalbum zu kreieren, wo auf der zweiten Seite nur Songs im Stil der der alten irischen Folkmusik zu hören sind. Das Projekt schien dann doch etwas zu ambitioniert zu werden und so wurde lediglich ein Song daraus, der dann auf dem Hauptalbum untergebracht wurde. Der Song reflektiert dabei über die unterschiede zwischen junger und alter Liebe. 

Es folgt der albumtitelgebende Track Skinty Fia. Dieser ist schon fast ein wenig elektronisch angehaucht. Die Bassspur erinnert dabei schon eher an alten Punk-Rock, was vielleicht auch an den Thematiken des Songs liegt. Der Song selbst geht um eine zerstörerische Beziehung unter Einfluss von Drogen, Alkohol und Paranoia. So fühlt es sich für Grian Chatten nämlich an in einer fremden Stadt zu leben. 

I Love You ist nach Aussage der Band einer der ersten wirklich politischen Songs den die Band geschrieben hat. Zum einen thematisiert er den Stolz Ire zu sein zum anderen kritisiert er aber auch die politische Lage im Heimatland und kritisiert schlimme Gräueltaten die in Irland begangen wurden. Diese Ambivalenz zeigt sich auch musikalisch. Es ist musikalisch einer der Songs mit dem stärksten Aufbau, der immer wieder treibend fesselnd ist, sich aber auch immer wieder genug Pausen lässt und damit auch zu einem absoluten Highlight der Platte wird. 

Mit dem Song Nabokov endet das Album ähnlich furios wie es Begonnen hat. Es soll musikalisch den Schreibstil von Vladimir Nabokov darstellen. Dabei soll dieser Song auf eine Art ein Kompromiss in der Situation der Band darstellen. Die Beziehung zu der aktuellen Lebenssituation ist nicht ideal, aber trotzdem muss man sich damit arrangieren. Musikalisch greift der Closer dabei nochmal alles auf, was er zu bieten hat und endet mit einem furiosem Soundgewitter. 

Insgesamt gelingt Fontaines D.C. mit Skinty Fia mal wieder ein Post-Punk Meisterwerk, dass vor allem durch viele repetitive Strukturen schnell im Ohr bleibt, aber auch nach dem 10mal hören nicht monoton und langweilig wird. Die einzigartige Stimme von Frontmann Grian Chatten sorgt dazu für richtige Gänsehautmomente auf dem Album und auch textlich lässt sich die leicht depressive Stimmung perfekt ausdrücken. Skinty Fia – ist das ein gutes Album. 


Label: Partisan Records
Veröffentlicht am: 22.04.2022
Interpret: Fontaines D.C.
Name: Skinty Fia
Online: Zur Seite des Interpreten.


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