Blond – Ich träum doch nur von Liebe
Rezensiert von Merit Kloppenborg on 4. Juni 2025

Bunt, laut und auf den Punkt gebracht – genau so lässt sich das neue Album “Ich träum doch nur von Liebe” Band Blond beschreiben. Wie schon auf ihrem ersten Album „Perlen“ schaffen es die drei Bandmitglieder verschiedenste Themen wie Feminismus, Gesellschaftskritik oder auch klitorale Orgasmen in ihrem unverkennbaren Sound zu verpacken. Ironisch im Ton, aber thematisch oft ernst, halten sie so der Gesellschaft immer wieder den Spiegel vor.
Im Zentrum des Albums steht zudem, wie der Titel vermuten lässt, das Thema Liebe. Doch es geht nicht einfach nur um die romantische Liebe, bekannt aus diversen Filmen, Büchern und Liebesliedern. Stattdessen reichen die Themen von Selbstliebe über freundschaftliche Liebe bis hin zu Geschwisterliebe. Und das alles im Kontext einer patriarchalen, kapitalistischen Welt. Liebe trotz Wut auf genau diese Welt. Auch musikalisch ist „Ich träum doch nur von Liebe“ bunt gemischt: technoähnliche Sounds treffen auf Balladen und choral angehauchte Fangesänge.
“Blond sind uns’re Götter”
So startet auch dieses Album, wie auch ihr erstes, mit einem Fangesang-ähnlichen Intro. Die Melodie dürfte den meisten bekannt vorkommen. Sie stammt ursprünglich vom Kinderlied “Hejo, spann den Wagen an”, in letzter Zeit wurde diese jedoch auf vielen Demos (gegen Rechts) durch Zeilen wie “Wehrt euch, leistet Widerstand” neu interpretiert. Im Intro des Albums besingen jedoch die Fans ihre Idole:
“Blond-Fans auf der ganzen Welt beten zur sächsischen Prominenz”.
Fuck the Patriarchy
Auf das Intro folgt der Song, mit dem die neue Ära begonnen hat: “Girl Boss” feat. Alice Go (Dream Wife). Als erste Singleauskopplung des Albums lenkt der Song direkt in die gesellschaftskritische Richtung, die das gesamte Album durchzieht. Der Song ist eine Kritik am patriarchalen Kapitalismus, der den Kauf von scheinheilig feministischen Produkten wie „‘Girl-Power’-Schals“ oder „‘Viva-la-Vulva’-Wein“ begünstigt, statt echten, oft unbequemen feministischen Aktivismus zu unterstützen.
Der nächste Song “so hot” behandelt das Dating-Life einer oft als “beziehungsunfähig” betitelten Generation aus weiblicher Perspektive. Ein Dating zwischen Red-Flags, unverbindlichem Sex und Angst vor Stalking lässt die Frage aufkommen: Kann man aus Selbstschutz auf Dating verzichten, wenn man doch „einfach nur Bock“ hat?
Der darauf folgende Track “Bare Minimum” bringt eine ungewohnte Überraschung mit sich. Der Gesang wird komplett von Bassist Johann übernommen, der aus eigener, männlicher Perspektive von den Doppelstandards gegenüber Frauen und Männern berichtet:
“Ich stell mein Geschirr schon mal in die Spüle rein / Wie kann man nur so ein Feminist Icon sein?”
“Ich bin das Bare Minimum / Sehr sehr wenig ist mehr als nichts”
In “SB-Kassen-Lover” wechselt dann der Fokus zur Kritik an Kapitalismus und Konsumwahn. Zu einem ungewohnten, von Techno inspirierten Sound erzählen Blond von Ladendieb:innen, die sich nehmen, was ihnen zusteht. Denn wenn das System ohnehin Güter ungerecht verteilt, warum sollte diese Ungerechtigkeit dann an der Kasse enden? Es ist ein Song über Kleinkriminalität als Reaktion auf ein kaputtes System, in dem am Ende sowieso die Superreichen gewinnen.
Ungewohnt viel Liebe und Melancholie
Auf vier Songs voller Wut auf das vorherrschende System zeigen Blond, dass sie auch anders können. Der Track “wie du” erinnert schon fast an einen typischen Liebessong, wenn auch eher nüchtern als kitschig-romantisch. Zeilen wie “Drogen, Schnaps, Adrenalin / ich hab nach dem Rausch gesucht / wollte immer, dass es schiebt / doch nichts ballert so wie du” sind jedoch für Blond-Verhältnisse fast schon ungewohnt süß.
Auch der Song “Fliederbusch” ist eher melancholisch statt wütend. Statt der Gesellschaft den Spiegel vorzuhalten, wird in diesem Song das eigene Verhalten in vergangenen Freundschaften reflektiert und verurteilt. Trotz diverser Versprechen, immer für die andere Person da zu sein, sind Freundschaften zerbrochen und Menschen wurden allein gelassen. Diese Fähigkeit der Selbstreflexion hebt sich thematisch stark von den anderen Songs des Albums ab.
Eine andere Art der Liebe
Der Fokus auf dem eigenen Selbst bleibt auch in “Ich wär so gern gelenkiger” bestehen, allerdings im positiveren Sinne. Im Zentrum des Songs steht die Selbstliebe bzw. Selbstbefriedigung. In ihrem typisch ironischen Tonfall zählt die Band Dinge auf, die in den letzten Jahrhunderten erfunden oder erkundet wurden. Nur die Klitoris bleibe weiterhin ein Mysterium für viele. Daher steige der Wunsch nach mehr Möglichkeiten zur eigenen Befriedigung, um diesen ‘Missstand’ auszugleichen.
Auch der nächste Track “Geile Bitch” feat. Ankathie Koi ist eine empowernde Hymne an die Selbstliebe. Statt der typischen Objektifizierung von Frauen steht auch die eigene Selbstermächtigung im Mittelpunkt. Besonders die Rückforderung des Wortes ‘Bitch’ als empowernde Selbstbezeichnung statt als Beleidigung macht den Song zu einer Self-Love Hymne, lässt jedoch auch weiterhin den gesellschaftskritischen Aspekt nicht aus dem Blickfeld verschwinden.
Den ständigen Grad zwischen Geschwisterliebe- und Hass kennen die meisten, die mit Geschwistern aufgewachsen sind. In “Lotta & Nina” singen die gleichnamigen Bandmitglieder über ihre ganz eigene Beziehung als Schwestern und die letzten 26 Lebensjahre als “Ossi-Olsen Twins”.
Mit dem Song “16 Jahr, blondes Haar” endet das Album sehr bitter. Der Song handelt von einer traumatischen Beziehung zwischen einem 16-jährigen Mädchen und einem deutlich älteren Mann, der das bestehende Machtgefälle ausnutzt, um sie in eine Beziehung zu drängen. Der Titel des Songs lässt durchaus Parallelen zum 1965 erschienenen Song “Siebzehn Jahr, blondes Haar” von Udo Jürgens zu, in dem ein Mann ein 17-jähriges Mädchen erblickt und daraufhin von der Liebe träumt. Vor allem die letzte Zeile des Songs von Blond greift den Albumtitel nochmal auf und zeigt die Naivität, welche in dieser Situation schamlos ausgenutzt wurde:
“16 Jahr, blondes Haar / So stand ich vor dir / Ich träumte nur von Liebe”.
Die Wut und der Schmerz sind klar hörbar, die Band zeigt mit diesem Song deutlich, dass ‘Liebe’ auch in die falsche Richtung gehen kann. Gleichzeitig machen sie mit der Platzierung am Ende ihres Albums noch einmal klar deutlich, dass die aktuelle Gesellschaft noch viel Verbesserungsbedarf hat.
(Schluss-)Applaus für Blond
Wie bereits zu Beginn findet sich auch zum Ende des Albums ein Gesang der Fans. Auch dieses Outro orientiert sich wieder an einem bekannten Kinderlied. Zeilen wie “Alle Blondinator klatschen in die Hand” runden das Album optimal ab. Ob dieser und weitere Fangesänge auch live bei den Konzerten zu hören sind, lässt sich im November auf ihrer gleichnamigen Album-Tour erleben. Es lässt sich definitiv sagen, dass Blond auch mit ihrem zweiten Album genau den Puls der Zeit treffen. Sie benennen klar Missstände, aber lassen auch immer Platz für Ironie und einen humorvollen Umgang mit ernsteren Themen. “Ich träum doch nur von Liebe” ist ein Album, das die perfekte Balance zwischen Gesellschaftskritik, Satire und weiblichen Empowerment findet; und all das ohne die Liebe aus den Augen zu verlieren.
Label: Beton Klunker Tonträger Veröffentlicht am: 30.05.2025 Interpret: Blond Name: Ich träum doch nur von Liebe Coverbild: Beton Klunker Tonträger