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Aron & The Jeri Jeri Band – Dama Bëgga Ñibi

Rezensiert von am 16. Januar 2024

       

Ich will nach Hause! – hieß es bei den Aufnahmen zum Debüt von Aron & the Jeri Jeri Band mehr als einmal. Als sich Bakane Seck, Frontmann der senegalesischen Jeri Jeri Band, ca. 2018 in Berlin nach einem Produzenten für seine Kombo umsah, traf er irgendwann zufällig auf Aron Ottignon. Der neuseeländische Jazz-Pianist hatte bereits Musik zum Hit “Papaoutai” von Stromae beigesteuert, aber auch experimentelle Solo-Platten veröffentlicht. Hier waren sie also, einer von der Westküste Afrikas, einer aus dem Land nahe der Antarktis – zusammengeführt durch das Musikmachen. Die Chemie stimmte scheinbar, denn aus einer neuen Jeri Jeri-Platte wurde schnell ein Aron+Jeri Jeri Projekt. Und dann kam 2020 natürlich ausgerechnet good old Corona. 

Drei Jahre lang saß Bakan mit vielen seiner Mitmusiker in Berlin fest, drei Jahre lang tüftelten sie mit Ottignon weiter an ihrem Projekt – und bald wurde die Aufnahmezentrale ihres kultur-umspannenden Albums ein Treffpunkt der Senegal-Diaspora Berlins. Der Tee-Konsum stieg. Aber auch das Heimweh. Die Sehnsucht nach der Heimat zog sich für alle Beteiligten durch die Aufnahmesessions:

Dama Bëgga Ñibi is a wolof title. It came from a jam session we’re doing. Bakan was saying all the time to his friends at the time: Dama Bëgga Ñibi this, and Dama Bëgga Ñibi that. He’s basically saying i wan’t to go home, i wan’t to see my family, i wan’t to eat this. […] This became a song, the song I worked on the most. And that became my dedication. Most people on the planet were stuck on various places during the corona. It’s dedicated to that feeling.”

Die Verbundenheit zu ihrem Heimatland ist Bakane und seiner Band in jeglichen der elf Songs nachzuspüren. Sei es durch die Verwendung traditioneller senegalesischer Instrumente wie der Sabar-Trommel, durch die extreme, mitreißende Emotionalität der vielen Gast-Sänger*innen oder durch Feldaufnahmen. Ganze 20 Musiker sind auf “Dama Bëgga Ñibi” zu hören, darunter auch feste musikalische Größen des westafrikanischen Landes wie z.B. Baba Maal (ein Idol Aron Ottignions, er sah ihn zufällig bereits als 11-Jähriger live). Aber auch die gesamte Verwandtschaft von Bandleader Bakane Seck – die Jamsession, die nach einer langen Autofahrt in sein Heimatdorf Kaolak bei ihm Zuhause stattfand, hat man nämlich dankenswerterweise einfach mit aufs Album gepackt. Drei Minuten lang wird auf “Kaolakin jeder erdenklichen Weise getrommelt und auch die Steel-Drum virtuos bespielt – man käme wahrscheinlich nie darauf, dass hier keine professionellen Musiker im klassischen Sinne beteiligt waren. Man kann den senegalischen Ozean dort fast riechen. 

The song also speaks to the broader experience of journeying to seek opportunity; for many Senegalese who come to Europe believing that the journey will open doors for them, the opposite turns out to be true. The education they’ve received in their home villages doesn’t serve them in a Western environment. The literacy requirements and stacks of unintelligible paperwork they discover when they come abroad alienates them, and in some cases leaves them no option but to hustle on the street, and results in their being unable to raise the ressources to find their way home.– Ottignon über den Titelsong des Albums und die Situation der Senegalesen in Deutschland

“Dama Bëgga Ñibi” lebt von seiner Vielfalt. Der gleichnamige 8-minütige Opener setzt so mit ausufernder Percussion, ungeheurer Spielfreude und der wuchtigen Gesangsperformances bereits eindrucksvoll vor. Die Songs folgen dabei durchaus auch mal herkömmlichen Schemas, strotzen vor einprägsamen Hooks und tollen Melodien – vorhersehbar ist hier jedoch so gut wie nichts. 

“Sunugal” das mit spärlichen Steel Drums und elektronischem Beat fast schon Hitpotenzial ankündigt, ist vollkommen anders als das zurückgenommene, verträumt-jazzige “Strange People” (aufgenommen an einem Fluss in Senegal). Das Groove-Monster “The Return of the golden Egg” ist so nahe am dubbigen “Maam Bay” wie Berlin an Dakar.

Als ein wirklicher Glücksgriff stellt sich auch die Riege an so unterschiedlichen, fantastischen Sänger*innen heraus. Ottignon und Bakane flogen für Aufnahmen teilweise extra in Senegals Hauptstadt Dakar, bemühten sich um zahlreiche etablierte, aber auch Nachwuchs-Künstler des Landes. Das Album verkörpert damit auch ein Stück Weit die Diversität Senegals.

In Neuseeland gilt Ottignon wegen seines Klavierspiels als so etwas wie ein Wunderkind. Auf “Dama Bëgga Ñibi” hört man das ungeheure Talent nur selten heraus, aber gerade das macht es wirklich gut: Ottignon wirkt hier vielmehr wie Ideengeber, Mit-dirigent und gleichberechtigter Mitspieler – nur selten wird es wirklich so wild wie im Avantgarde-Interlude von “Bongo Boys” – dann aber auch so richtig – dem Album gibt es eine weitere spannende Facette.

“Dama Bëgga Ñibi” ist ein wahnsinnig spannender Ritt durch den so vielseitigen Kosmos senegalesischer Musik. Es strotzt vor Ideen, die mit viel Liebe zum Detail, technischer Raffinesse und vor allem Leidenschaft zu mehrmaligen Hören einladen. Es ist gleichermaßen eingängig, poppig wie auch vielschichtig, jazzig, funkig, dubbig und vor allem ein absoluter Hörgenuss für alle die treibende Percussion mögen. Last but not least – vereint es eine Vielzahl der vermutlich spannendsten Stimmen eines hierzulande wohl noch vielzu unterrepräsentierten, sehr musikalischen Landes.


Label: Urban Trout Records / Modulor Distribution
Veröffentlicht am: 12.01.2024
Interpret: Aron & The Jeri Jeri Band
Name: Dama Bëgga Ñibi (I Want To Go Home)
Online: Zur Seite des Interpreten.


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