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“Musikalisch zweimal schwanger” – Hurricane 2023 Nachbericht

Geschrieben von am 26. Juni 2023

Das Hurricane-Festival machte seinem Namen nur einmal am frühen Samstagabend alle Ehre. Ansonsten war es eine staubige Veranstaltung (#SchwarzePopel) mit viel Sonne – nicht nur für die Besucher*innen auf den Campingplätzen, sondern auch für alle Fans guter Musik vor den Bühnen.

Idyllische Blumenwiese vs. Minen von Moria

Die Wege unser beiden Radio Q-Redakteur*innen Franzi Specker und Philipp Moser trennen sich schon am Donnerstag bei der Wahl des Campingplatzes. Während Philipp im hohen Gras des VIP- und Presse-Campingplatzes auch mal eine Biene begegnete, präsentierte sich das Camping auf der anderen Seite der Hauptstraße für Franzi in typischer Festival-Optik – von uns liebevoll “Minen von Moria” getauft. Wer sich einmal von den Wegen ins Durcheinander von Bierdosen, Musikboxen und Zeltstangen wagte, konnte schnell den inneren Bear Grylls channeln. Wirklich nützlich zeigt sich die offizielle Festival-App mit Wetterupdates, Geländeplan und Timetable. Auch die Mitarbeiter*innen des Hurricanes begegnen einem immer mit einem freundlichen Lächeln, auch wenn es hier und da so scheint, als wüssten sie selbst nicht ganz genau, wer mit welchem Bändchen wann wohin darf.

Freitag: Wilde Donots und das Erlebnis Tash Sultana

Sobald man auf dem Festivalgelände ist, liegt der Fokus aber voll auf der Musik. Bei diesem Line-Up auch der einzig richtige Fokus. Spätestens mit den Donots ist dann auch die letzte Pore eines*r Festivalbesucher*in voll in Stimmung. Die Jungs aus dem nördlichen Münsterland liefern eine intensive Staubschlacht ab, die nicht nur den Donots selbst, sondern auch vielen ihrer durch dieses Konzert neu hinzugewonnenen Fans in Erinnerung bleiben wird.

Außerdem am Freitag: Das kultige Duo Sleaford Mods mit seiner ganz eigenen Art, ein Konzert zu spielen, ein eher maues Peter Fox-Solo-Comeback und ein für viele überraschendes Festival-Highlight: Weil Peter Fox allein wegen seines Namens viele vor die Forest Stage zieht, haben wir bei Tash Sultana fast freie Platzwahl. Die Mehrheit der Menschen, die sich direkt vor der Bühne positionieren, wollen sich hauptsächlich gute Plätze für den anschließenden Kraftklub-Auftritt auf dieser Stage sichern (eine gute Entscheidung – Kraftklub zeigen wieder einmal, warum sie so eine geile Live-Band sind) und wissen mit dem Namen Sultana so gar nichts anzufangen. In den nächsten knapp 90 Minuten erleben alle vor der River Stage einen psychedelischen Trip mit Rock-, Jazz- und Reaggae-Sequenzen. Besser als eine gute Freundin können wir dieses Erlebnis gar nicht zusammenfassen: “Ich glaub’, ich bin während des Konzerts gerade musikalisch zweimal schwanger geworden.” – Amen.

Samstag: Perfektes Wettertiming bei den Madsen und positive Überraschungen

Den Festival-Samstag eröffnen The Amazons mit einem gewohnt Gitarren-geprägten Auftritt. Das kommt später bei James Bay durchaus überraschend, da wir den Briten bisher doch deutlich softer in Erinnerung hatten. Auch Zebrahead reiht sich in die Reihe der positiven Überraschungen ein. Während sich unser Redakteuer Philipp vor dem aufziehenden Sturm ängstlich ins Zelt verkriecht, erlebt Franzi auf der Main Stage mit dem Auftritt der Madsen ein echtes Highlight. Mitten im Moshpit zu “Die Perfektion” öffnet der Himmel seine Schleusen. Binnen Sekunden wird der Staub zu Schlamm und es kommt zu einem dieser magischen Momente, die du nur auf Festivals erlebst. Wenn die Außenwelt um dich herum einfach völlig verschwindet und du mit den anderen Menschen und der Musik in einer eigenen Dimension schwebst. Ob das Samstags-Finale auf der großen Forest Stage mit Muse ein High- oder Lowlight ist – darüber werden wir uns wohl nie einig. Außer in dem Punkt, dass das Bühnenbild und der Gesang von Matthew Bellamy wirklich eindrucksvoll sind.

Sonntag: Interviews, ein unerwartet starkes Comeback und die beste Band der Welt

Der letzte Festivaltag geht für Franzi und Philipp mit zwei Interviews los. Frank Turner bekommen wir vor seinem 2783. Konzert ans Mikro (ja, er zählt wirklich mit), Niklas Kaiser, seines Zeichens Sänger der Indie-Rockband Razz, direkt nach ihrem Auftritt auf der Main-Stage. Zusammen mit den Jungs genießen wir die halbwegs kühle Luft in den Interviewräumen (Lob für die Orga an dieser Stelle an die Hurricane-Crew!). Die Interviews bekommt ihr natürlich hier ausführlich zu lesen und zu hören, wenn Franzi und Philipp sich von ihren Hurricane-bedingten Staublungen erholt haben… 😉

Nach den Interviews können wir uns eigentlich vor der Forest Stage einbetonieren – mit Frank Turner, Kaleo, Queens of the Stone Age und den Ärzten gibt es eigentlich keinen Grund, sich hier wegzubewegen. Gerade weil Placebo auf der River Stage unserer recht hohen Erwartungen nicht erfüllen. Nachdem die Isländer von Kaleo mit dem Bühnenbild und der Mundharmonika doch eher texanisch wirken, ist das quasi Comeback von Queens of the Stone Age nochmal ein wirklich physisches Erlebnis. Die Jungs um Frontmann Josh Homme hauten nach sechs Jahren Pause zwei Tage vor ihrem Hurricane-Auftritt ein neues Album raus. Das spüren wir bis in die Tiefen unserer Organe – so gewaltig schiebt der Sound der Queens bis in die hinteren Reihen. Und das klare Fazit: Diese Band ist live nochmal besser als auf Platte.

Den Schlussakt bereiten Die Ärzte. Eine Mischung aus Selbstironie und den alten Klassikern funktioniert immer noch reibungslos. Am Ende fragen wir uns dann aber doch, ob die durchgehenden Witze der Sorte “Wir sind alt und kriegen keinen mehr hoch” eher aus der Zeit gefallen sind oder dafür sprechen, dass da trotz des inzwischen hohen Alters immer noch drei verspielte kleine Jungs auf der Bühne stehen. Der Blick ins Publikum, das trotz des drohenden Weckerklingelns am Montagmorgen in Massen bleibt, spricht eher für letzteres.

Fazit: Ein Sturm aus Staub und guter Musik

Was bleibt von der diesjährigen Hurricane-Ausgabe neben einer tagelang anhaltenden Staublunge? Vor allem viel gute Musik. In dem Punkt ist es ein klassisches Festival, dass sich ohne großes Brimborium nebenher vor allem auf die Musik konzentriert. Und das lohnt sich, wie uns die Auftritte von Tash Sultana oder Madsen eindrucksvoll gezeigt haben. Der Timetable hatte ein paar ärgerliche Überschneidungen, wie etwa eben erwähnte Madsen und Kaffkiez, ansonsten konnten die Leute aber je nach Genre-Geschmack von Bühne zu Bühne hopsen. Ja, mit gut 250 Euro für die Karten in der letzten Preisstufe und Essenspreisen wie zum Beispiel sieben Euro für ein Knoblauchbrot tat dieses Festival vielen in ihrem Geldbeutel weh – dafür haben sie sich aber mit einer großen Menge an guter Musik belohnt.

Wem das nicht reicht, der kann sich Franzis und Philipps Fazit auch nochmal knapp zwei Stunden auf die Ohren geben.