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Interview: Wenn Menschen Gott spielen – “Biohackers” startet in die zweite Staffel

Written by on 2021-07-09

Es ist soweit: Die deutsche Serie “Biohackers” startet heute mit der zweiten Staffel. Im Mittelpunkt stehen nach wie vor die Medizin-Studentin Mia Akerlund und ihre Gegenspielerin: die Bio-Wissenschaftlerin Tanja Lorenz. Wer die erste Staffel gesehen hat erinnert sich vermutlich an leuchtende Mäuse, biotechnologische Experimente von Mias Mitbewohner und vor allem sehr viele Fachbegriffe. Um die einmal zu erklären, hat Radio Q-Reporterin Lina Probst mit Dr. Dirk Prüfer gesprochen. Er ist Biologie-Professor an der Uni Münster und leitet die AG “Plant Biotechnology”.

Radio Q: Herr Prüfer, was genau ist “Biohacking”? 

Prüfer: Also in der Regel findet biologische Forschung an Institutionen wie hier an der Universität Münster statt. Das sogenannte „Biohacking“ beschreibt, dass Menschen auch außerhalb von offiziellen Laboren biologisch forschen, also wie damals Bill Gates in einer Garage im Hinterhof. Diese Bewegung ist vor circa zehn Jahren in den USA entstanden. Teilweise fangen Biohacker sogar an, Organismen gentechnisch zu verändern. 

Radio Q: Das klingt erstmal ziemlich abstrakt. Was bedeutet es denn, Organismen gentechnisch zu verändern?

Prüfer: Manche kennen vielleicht noch Mendel, der zum Beispiel zwei Blumen gekreuzt hat, sodass eine andere Blütenfarbe dabei herausgekommen ist. Biohacker nehmen teilweise gentechnologische Eingriffe vor. Das heißt ich habe eine Technologie, die mir zum Beispiel erlaubt neue Gene in ein Genom einzubringen, sodass man danach zum Beispiel eine Pflanze hat oder eine Maus, die auf einmal  unter UV-Licht fluoresziert. Die fluoreszierenden Proteine entnimmt man einer Alge oder einer Qualle.

Es gibt auch diese Biohacker Szene, die sich nicht über DNA-Modifikation definiert, sondern die anfangen sich Mikrochips zu implantieren. Da gibt es auch sehr erschreckende Videos im Internet. Das sind Leute die sich wirklich ganze Handys unter die Haut implantiert haben, um Biofunktionen auszulesen, wie zum Beispiel die Blutzusammensetzung.  

PROF. DR. DIRK PRÜFER, LEITER DER AG “PLANT BIOTECHNOLOGY” AN DER UNI MÜNSTER

Radio Q: In der Serie taucht auch der Begriff “CRISPR/Cas” auf. Was kann man sich darunter vorstellen?

Prüfer: CRISPR ist eine Revolution in der Molekularbiologie. Man hat immer versucht gezielt in Genomen etwas zu verändern, zum Beispiel in der Pflanzenzüchtung. Also beispielsweise Pflanzen mit anderen Eigenschaften wie neuen Farben zu kreieren. Das kennt man zum Beispiel von der Paprika, die es mittlerweile in fast allen Farben gibt. Das heißt man versucht durch die gezielte Änderung von Genen optische Eigenschaften abzuwandeln, die Inhaltsstoff-Zusammensetzungen zu verbessern, oder irgendeinen Inhaltsstoff, der nicht so gut ist, rauszunehmen. Das geht zum Beispiel auch mit Radioaktivität oder Chemie, allerdings ist das ziemlich ungenau.

Radio Q: Okay, und was ist nun das Revolutionäre bei CRISPR?

Prüfer:  CRISPR ist kurzum eine molekulare Schere, mit der ich jetzt ganz gezielt ein Gen im Genom adressieren. Das heißt, ich kann sagen: Du gehst mir dahin und machst genau an der Stelle, an der ich es gerne hätte, eine Mutation rein. So kann man zum Beispiel ein Gen, das eine schlechte Funktion hat, ausschalten. Krankheiten von Menschen die auf einem Gendefekt beruhen kann ich mit CRISPR mehr oder weniger heilen, also das “schlechte” Gen reparieren, so dass wieder das Wildtyp-Gen, das “normale” Gen entsteht. Das gab es bis dato nicht.

Radio Q: Ein anderer Schlüsselbegriff, der in “Biohackers” auftaucht ist “synthetische Biologie”. Können Sie erklären, was sich dahinter verbirgt?

Prüfer: Das bedeutet, dass man Organismen gezielt aufbaut, sodass sie am Ende des Tages das tun was ich will.  Das wurde das erste Mal von Craig Venter in Amerika gemacht. Venter ist sozusagen zum Computer gegangen und hat gesagt: “Das Gen brauche ich damit das Bakterium sich vermehren kann. Das Gen brauche ich damit das Bakterium irgendeine Substanz aufnehmen kann.” Und er hat das dann so entrümpelt, dass ein Organismus übrig bleibt der eigentlich nur noch das tut was ich will und nichts anderes mehr.

Radio Q: Das hört sich ganz schön gruselig an. In der Serie fällt auch folgendes Zitat: „Synthetische Biologie macht uns von Geschöpfen zu Schöpfern“. Wie bewerten Sie diese Aussage?

Prüfer: Diese Aussage mit dem Schöpfer ist, wie ich eben erklärt habe, aus deren Sicht richtig – ich persönlich finde die ganz schlimm. Vielleicht gibt es irgendwann mal die Möglichkeit Organismen immer so zu programmieren, dass sie nur noch das tun, was wir von ihnen erwarten. Das ist bei Bakterien vielleicht noch eine harmlose Angelegenheit, aber bei höheren Organismen, wird das schon ein ganz heikles Thema. Zum Beispiel, wenn wir jetzt ein neues Tier kreieren würden. Dann haben wir einen Organismus produziert der vorher auf diesem Planeten so noch nicht gelebt hat. Und wenn das in die freie Wildbahn kommen würde, wüsste man natürlich nicht was passiert. 

Radio Q: Wo würden Sie dann die Grenze ziehen, also wo wird aus Wissenschaft vielleicht sogar Wahnsinn?

Prüfer: Also dass man Gendefekte versucht zu heilen ist für mich etwas, das man verfolgen sollte. Aber wenn man jetzt anfängt etwas zu überlegen wie “Ich baue mir eine Klonarmee”, also Menschen die willenlos sind, die ich in Kriege schicken kann, weil ich ihnen irgendwelche Funktionen genetisch  entfernt habe, dann sind das so “Untouchables”. Dasselbe gilt für Tieren. Bei Pflanzen für die Nahrungsmittelproduktion kann man sich das überlegen. Aber man sollte das nur auf die Nutzpflanzen beziehen, nicht auf Naturpflanzen. Ein vernünftiger Nutzen dieser Technologie ist sicherlich gut, aber man sollte da ganz klare, ob das jetzt ethische oder gesetzliche Grenzen sind, vorschieben. 

“Es gibt Menschen die stehen wirklich da und sagen ich bin quasi Gott, oder ich bin besser als Gott, weil ich Organismen schaffen kann, die nicht mehr die Probleme haben, die wir alle haben.”

Prof. Dr. Dirk Prüfer, Leiter der AG “Plant Biotechnology” an der Uni Münster

Radio Q: Was sind denn nun biotechnologische Projekte an der WWU? Entsteht in ihren Laboren auch schon die nächste Klonarmee?

Prüfer: Nein, das nicht, in unserer AG arbeiten wir mit Pflanzen. Unser Mandat ist es Pflanzen so zu optimieren, dass sie für die Rohstoffproduktion besser geeignet sind. Also Rohstoffe in Form von nachwachsenden Rohstoffen. Wir haben zwei große Themen, eins ist Naturkautschuk aus Löwenzahn. Da arbeiten wir mit einer Variante des Löwenzahns der sehr viel oder sehr stark Naturkautschuk produziert. Und diesen können wir hier auf unseren Feldern anbauen. Das ist von Vorteil, da zum Beispiel in Südamerika große Flächen an Urwald verschwinden, unter anderem aufgrund des Anbaus von Kautschuk-Bäumen. In unserer AG gucken wir uns das Genom von der Pflanze an und fragen uns, welche Gene verantwortlich für eine gute Produktion von dem Naturkautschuk sind. Dafür verwenden wir hier im Labor auch CRISPR. Damit schalten wir gezielt Gene aus und prüfen, ob die Pflanze danach besser oder schlechter Naturkautschuk produziert.